Tichys Einblick
Bei Anne Will

Die „Geisterfahrt“ Atomausstieg lässt sich nicht schönreden

Katrin Göring-Eckardt versucht bei Anne Will, sich den Atomausstieg schönzureden. Deutschland werde „doppelt sicher“. Eine Expertin macht ihr indes klar, welch gefährliche Folgen der Schritt haben werde.

Screenprint ARD / Anne Will

Harte Worte in der Gesprächsrunde von Anne Will: Die Chefökonomin der Tageszeitung „Die Welt“, Dorothea Siems verdeutlicht Katrin Göring-Eckardt (Grüne), dass sie nicht immer alles schönreden könne. Vor allem nicht den Atomausstieg. Dieser bedeute nämlich: mehr Kohleabbau. Also mehr Kohlenstoffdioxid. Und weniger Stromsicherheit. Außerdem nimmt sie Göring-Eckardt die Illusion, dass der Strom durch den Atomausstieg billiger würde. Er werde eben „nicht billiger, sondern teurer“, sagt Siems. Den doppelten und gleichzeitigen Ausstieg aus Kernkraft und Kohle hält sie für eine „Geisterfahrt“: Auf diese Weise werde Deutschland in wenigen Jahren keine gesicherte Stromversorgung mehr haben. Siems würde dafür gerne jemanden verantwortlich wissen. Ungewohnt kritische Töne gegenüber den Grünen bei Anne Will.

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Doch Göring-Eckardt bleibt bei ihrer Meinung: Für sie sei Deutschland durch den Atomausstieg „doppelt sicher“. Immerhin habe es mit der Kernkraft immer die Gefahr eines Reaktorlecks und die Gefahr eines Terroranschlags gegeben. Zudem, so Göring-Eckardt weiter, verstopfe der Atomstrom nun nicht mehr die Netze. Somit müssten die Windräder endlich nicht mehr stillstehen. Ihrer Logik nach lag es also in der Vergangenheit nicht an fehlendem Wind, sondern an der Kernkraft, dass die Windräder zu wenig Strom produziert haben. Darum findet sie, dass die Kernkraftwerke schnellstmöglich abgebaut werden sollen. Würden sie erhalten bleiben, würden sie „jeden Tag Geld verschlingen“, und dieses Geld fehle dann beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Diese seien ihrer Meinung nach ja aber „planungssicher“ und könnten Deutschland von „Russland und anderen Autokratien“ unabhängig machen.

Darin widerspricht ihr Reiner Haseloff (CDU): Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt meint, durch den Atomausstieg würde sich die Abhängigkeit vom Ausland vergrößern. Auch er betont, der Strom würde teurer werden. Der Grund: steigende LNG-Gas-Preise. Durch die hohen Energiepreise „wird der Industriestaat stark unter Stress gesetzt“, warnt er. Siems fügt hinzu, dass einige Industrien bereits abwandern: Als Beispiele nennt sie die Ammoniak- und Automobilbranche.

Dass der Ausstieg zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll sei, da sind sich Haseloff und Siems einig. Wie es weitergehen soll, da gehen ihre Vorstellungen jedoch in verschiedene Richtungen: Haseloff setzt auf den Kohleabbau. Den möchte er so lange wie möglich betreiben, um die Stromlücke der erneuerbaren Energien zu schließen. Das kritisiert wiederum Siems: „Deutschland ist dreckig“ wegen der hohen „Kohlenstoffdioxidbilanz“. Allerdings stimmt sie zu: Planungssicher seien die erneuerbaren Energien nicht. Sie hätte den Kohleausstieg priorisiert und den Atomausstieg vertagt.

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Auch Johannes Vogel (FDP) hält den Atomausstieg zum jetzigen Zeitpunkt für sinnlos. Der Preis für diesen Atomausstieg sei mehr Kohlenstoffdioxid, stellt der stellvertretende Bundesvorsitzende und Parlamentarische Geschäftsführer klar. Er wiederum priorisiere den „Klimaschutz“. Er möchte von nun an „volles Gas auf Erneuerbare“ setzen, um die Dekarbonisierung fertigzubringen: Die Stromlücke, die erneuerbare Energien lassen, möchte er mit einem Ausbau von Erdgas schließen. Dieses sei besser als Kohle, findet er. Er möchte damit warten, die Kernkraftwerke rückzubauen und sie als Reserve behalten: In der Übergangszeit von fossiler zu erneuerbarer Energie brauche Deutschland die Kernkraftwerke allerdings möglicherweise, um eine Stromlücke zu füllen. Auch Haseloff möchte die Atomkraft als Stromreserve sichern.

Der Astrophysiker Harald Lesch meint hingegen, dass die Atomkraft als Reserve nicht funktioniere: Atomkraftwerke könnten nicht einfach an- und ausgeschaltet werden, sagt er. Zunächst wären erhebliche Revisionen nötig. „Die Politik hätte sich früher überlegen müssen, dass die Atomkraftwerke angeschaltet bleiben sollen“, meint er. Er ist aber froh über den Ausstieg: Seiner Meinung nach sei die Kernkraft eine „Hochrisikotechnologie“ und eine „Sackgassentechnologie“, denn „der Müll muss auch wieder aus der Küche raus“ und dafür übernehme keiner die Verantwortung.

Um die Lücke in der Stromversorgung zu füllen, solle Deutschland auf die erneuerbaren Energien setzen. Für ihn sei es jedoch ein „Rätsel“, dass es zu wenige Leute und Unternehmen gebe, die die erneuerbaren Energien ausbauen. Siems bietet sich an, es ihm zu erklären. Das möchten aber weder er noch Anne Will hören: „Kann man sich ja anschauen“. Aufklärung gegenüber grünen Mythen abgelehnt – so ist der Zuschauer Anne Will dann schon eher gewohnt.

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