Tichys Einblick
Hartz IV - reformieren oder abschaffen?

Anne Will – die letzten Tage von Hartz IV kommen vor denen der SPD

Extra wegen Hubertus Heil, dem neuen Arbeitsminister und Nach-Nahles wurden die TV-Zuschauer mit dem ewigen SPD-Trauma „Hartz IV“ belästigt. Dabei ist damit eh bald Schluss.

Screenprint: ARD/Anne Will

Es gibt Krisen, volkswirtschaftliche (Rezession, staatliche Zerschlagung der Schlüsselindustrien wg. Klima und politischer Laune), wie private (Scheidung, Krankheit), die können jeden treffen. Hierfür wurde die entsprechende Absicherung (Hartz IV, Schröder 0, oder ALG II) geschaffen. Wobei Hartz IV bereits ein Abschmelzen der bis dato gewährten Unterstützung war – einerseits ging es dem Staat ans Eingemachte, andererseits fürchtete man eine EU-Binnenwanderung ins deutsche System.

Wie jedes bürokratische System ist auch „Hartz IV“ fehlerbehaftet. Erst in der letzten Woche wurden bei Clans, die hundertköpfig jahrzehntelang Stütze kassierten, Rolls Royce und andere Luxusschlitten aus der Doppelgarage geholt. Auch die Eltern eines deutschen Weltklassesportlers kassierten zu Unrecht Hartz IV. Aber alles in allem – mit ein paar Korrekturen hier, ein paar Verbesserungen da – das System hätte durchaus noch ein paar Stürme überstehen können. Hätte, hätte, Grenzzaunkette.

Es muss jedem, der die Grundrechenarten beherrscht, klar sein, dass das System an sein Ende gekommen ist. Lediglich dank Höchststeuern, Superkonjunktur und weitgehender Zinslosigkeit werden uns ein paar Jahre geschenkt. Denn bereits jetzt gehen 10% der Hartz IV-Mittel an „Syrer“ (in Anführungsstrichen, weil jeder Syrer ist, der sagt, dass er Syrer sei), und der Anteil wird weiter steigen. Dann kommen jedes Jahr 200.000 weitere „Syrer“ hinzu, die schließlich fast allesamt bei Hartz IV landen (über die Ausnahmen unterrichtet Sie mit viel Tamtam die Ortspresse).

Sollte man darüber sprechen? Oder doch besser den Mantel des Schweigens darauf liegenlassen – den Blitz am Ende bekommt jeder dann schon eh mit? Das Fernsehen hat seine ganz eigene Art, diese Frage zu beantworten. Wir sprechen darüber, klar, aber ganz anders! Zunächst tat Anne Will so, als wisse sie selber nicht genau, warum das Thema „Hartz IV – reformieren oder abschaffen?“ überhaupt auf der Tagesordnung steht. Und sie ließ das Rainer Hank von der FAS erklären: „Es geht nur um die SPD.“ Mit einem anderen Wort: „Absurd.“

Anmerkungen zur Debatte um das Grundeinkommen
Je höher Hartz IV, um so mehr Hartz IV-Empfänger
Bei den Parteilinken der SPD glaubt man nämlich felsenfest, dass allein die gemeinsam mit den Grünen auf den Weg gerbachten Hartz-IV-Reformen Schuld am Siechtum der Partei seien. Lasst‘ sie man. Wir werden den Teufel tun, die Spezialdemokraten zu korrigieren. Im Gegenteil: Wir begrüßen den neuen Heil-Bringer der SPD: Hubertus. Wir haben nicht alles mitbekommen, wohin uns der Weg des Heil nun führen soll – leider hat der neue Arbeitsminister ein einschläferndes Timbre in der Stimme. Es fiel allerdings überproportional häufig das Wort „Menschen“. Dann ging es um „Zukunft“ und die „Erfordernisse einer neuen Zeit“. Aber wir erfuhren, dass Hubertus Heil vom Finanzminister, dem Genossen Olaf, vier Milliarden Euro Steuergeld zum Spielen bekommen hat, mit denen er jetzt 150.000 Langzeitarbeitslose (LZO) fördern will. Etwa als Zeugwarte bei der freiwilligen Feuerwehr.

Inge Hannemann (die Linke muss dabei sein!) rechnete dann vor, dass es 850.000 LZO gibt, nicht 150.000, zudem insgesamt nicht 4,5 Millionen Arbeitslose, sondern mit „verdeckten“ sogar 8 Millionen. Wir sind an der Stelle durchaus glaubensgeneigt, Statistikinterpretation ist schließlich Hauptfach in jedem Politikerlehrgang. Leider gingen der Linken erwartungsgemäß die Gäule schnell durch, mit Sprüchen wie „Hartz IV stigmatisiert Menschen“. Zunächst ernährt und wärmt es sie, und zahlen tut jemand anders.

Robert Habeck von den Grünen, die Hartz IV mit erfunden hatten, ging da geschickt vor, wie die Österreicher nach dem Krieg, die 1945 behaupteten, sie seien als erste überfallen worden. Der zog sich keinen Schuh an. Er wollte das System philosophisch diskutieren, letztendlich gehe es doch um die Frage: Ist jeder seines Glückes Schmied? Und er beklagte, die Alleinerziehende (ist die etwa an dem Zustand selber schuld, dass sie alleinerziehend ist? Mhmmm.) oder die Familie, die Kinder bekommt, rutscht schnell in H-IV. Hier war Heil wichtig zu sagen, er kenne solche Fälle, und Will fragte schnell: Sie meinen ihre Mutter.

Genug gemenschelt. Jetzt spricht Ingrid Hoffmann, CDU, und Unternehmerin im Leiharbeiterhandel. Man könne das System gerne nach 15 Jahren überprüfen und anpassen. Im Koalitionsvertrag stehe dazu doch genug. Warum macht die SPD das nicht einfach? Weil der Hubertus sich jetzt in den „sozialen Arbeitsmarkt“ mit „sinnvollen“ Tätigkeiten“ verliebt hat. Dazu zählen natürlich nicht nur Zeugwarte bei der freiwilligen Feuerwehr und Parkwächter, sondern bestimmt auch Blogwarte für Kahane.

Hank versuchte Heil noch zu erklären, dass der Markt der „Gemeinnützigen Tätigkeiten“ krachend gescheitert ist, „das sagt sogar die Arbeitsagentur“. Aber zuhören konnte schon Heils Vorgängerin Nahles schlecht. Dann kam noch die Idee vom „solidarischen Grundeinkommen“ aufs Tapet, ein Etikettenschwindel vom Regierenden Bürgermeister von Kalkutta an der Spree, Müller. Das gefiel nicht mal Habeck, dessen Partei sonst ja fast jeden Blödsinn mitmacht. Das zerstöre das Ehrenamt, sei Quatsch, und von hinten bis vorne nicht durchdacht. Einfach nur „Trauma-Bewältigung der SPD“.

Da hat es die SPD doch wieder geschafft, dass sich Millionen Menschen vor dem Fernseher mit ihren Befindlichkeiten befassen. (Bei einem Privatsender käme da jetzt die Frage: Was haben die Genossen dafür bezahlt?) Ob das der Partei hilft, muss verneint werden. Denn am Ende bleibt nur das Heil-Bekenntnis: „Ich will nach vorne gehen.“

 

Die mobile Version verlassen