Gegen Ende der Sendung sprach Serdar Somuncu von „Respekt“ und dass das mit dem Internet nicht gehe, wo er gelesen habe, „wir, die hier sitzen, seien Systemlinge und Anne Will spricht den Text nach, den die Kanzlerin ihr wahrscheinlich noch persönlich aufgeschrieben hat. Damit muss Schluss sein!“ Auch weil wir selber immer wieder die journalistische Kompetenz von Anne Will anzweifeln und in der Tat oft insinuieren, sie drücke sich nur besser aus als Merkel (was ausschließt, dass sie deren Geschwurbel vorliest), meint aber dasselbe und fragt entsprechend, da wir zudem auch noch im Internet erscheinen, dürfen wir über den Gedanken nicht einfach so hinweggehen. Natürlich ist auffällig, dass Merkel außer zu Weihnachten sich fast ausschließlich bei Anne ans „Volk“ wendet, aber vielleicht nur, weil sie die besonders nett findet.
Weder am Freitag in Chemnitz an Ort und Stelle gewesen, noch Sachkenntnis im Gepäck hatte Olaf Sundermeyer, der den modernen Beruf des „Rechtsextremismus-Experten“ ausübt. Als Ausbildung reichen hierzu ein paar Semester Journalistik in Dortmund (für Ossis: Das ist so ähnlich wie das Rote Kloster in Leipzig, wo Maybrit Illner Journalismus studierte, so eine Art Rote Zeche), und ein Aufsatz, vielleicht unter dem Titel „PEGIDA und die Radikalisierung von rechts – Beobachtungen einer menschenfeindlichen Bewegung“ – fertig ist der Rechtsextremismus-Experte. Sundermann ist so erfolgreich in seinem Gewerbe, dass er regelmäßig Öffentlich-Rechtliche-Talkshows bereichert und sogar Frank-Walter Steinmeier, den Allerhöchsten, auf dessen Reisen in den Osten begleiten darf. Etwa in die Uckermark, wo es den Bürgern „ausschließlich um Flüchtlinge und Sicherheit“ ging, was Frank-Walter bestimmt sehr erstaunte. In Bellevue gibt’s weder das eine noch das andere.
Als zweite Vertreterin der Arbeiter- und Bauernfängerpartei war Petra Köpping in der Runde, und sie unterschied sich wohltuend von den SPD-Parteibonzen, die am Sonntag lachend Selfies an dem Platz knipsten, wo noch das Blut des ermordeten Daniel Hillig auf der Straße klebt. Köpping konnte differenzieren („Zu pauschalieren, alle, die da demonstrierten, seien rechts, ist falsch.“), reist regelmäßig durchs Land, hört sogar zu, und scheint zu verstehen, warum die Wut im Lande steigt. Trotzdem umweht auch sie der schlichte Geist der Spezialdemokratie, wenn sie sagt, man solle „mal gemeinsam zu den Dönerläden gehen“, um die Menschen besser kennenzulernen. Petra hat nach der Wende von der SED ‘rübergemacht, und zitiert pflichtschuldig den sächsischen Parteichef: „Demokratie ist kein Pizzadienst, hat unser Martin Dulig gesagt.“ Die größte Ironie aber steckt ausgerechnet in ihrem Amt. Es heißt ja immer wieder gern in der „Systempresse“ (Smiley), ausgerechnet die Ossis seien fremdenfeindlich, obwohl da gar keine Fremden sind! Warum um Himmels Willen haben sie dann in Sachsen mit Petra Köpping eine Staatsministerin für Gleichstellung und Integration?
Serdars Programm bei Will war ein wenig irritierend. So will er in Chemnitz Hetzjagd und Lynchjustiz gesehen haben. Anne: „Es gab keine Lynchjustiz“! (Weiß das auch schon die Kanzlerin?). Dann rasselte er ein paar Zahlen herunter („50.000 Straftaten. 40.000 von Rechtsextremen, 9.000 von Linksextremen“) die nur aus dem politischen Kabarett stammen können. Auf der anderen Seite scheint er aber auch ein paar seriöse Medien zu konsumieren und sprach davon, die „Flüchtlingskrise sei per Dekret von Angela Merkel“ entstanden. „Gegen Dublin. Ohne Parlament.“ Zudem hat er begriffen, dass „auch Menschen zu uns kamen, die keine guten Absichten haben.“ Die Willkommenskultur wurde „übergestülpt“, und er versteht, dass die Leute etwa in Chemnitz nach Köln, Terroranschlägen und Morden „so in Wut“ geraten.
Da muss Wolfgang Thierse von der „Partei“ (die alles ernst meint, was sie sagt) „energisch widersprechen. In die Falle der Rechtsextremen sei man gegangen, wenn man nur noch über „Flüchtlinge” rede! Der alte Mann findet die Rente (verständlich, dürfte aber wohl mehr als viel bei ihm sein) und das Internet (wirklich?) wichtiger. Dass bei Wolfgang Hopfen und Malz der Erkenntnis verloren sind, soll das abschließende Beispiel zeigen. Die Deutschen hätten doch tolle Integrationserfahrung gemacht. Nach 45! – Waren die Schlesier messerstechende Intensivtäter?
„Die Willkommensdoktrin”, so der Kabarettist, „ist genauso extrem wie Pegida.“ Leider weiß man im Kabarett ja nie: Ernst gemeint? Oder so wie der Satz von Anne Will: „Wir fragen nach Fakten, das ist der Job, den Journalistinnen und Journalisten machen müssen“. Das war bestimmt ein Scherz.