Tichys Einblick
Sparen ohne weniger Geld auszugeben?

Anne Will: An der Realität vorbei

Anne Will möchte die Uneinigkeit der Regierung diskutieren und lädt dafür einen Parlamentarier ein. Es soll gespart werden, nur bitte ohne weniger auszugeben.

Screenprint ARD

Anne Will lädt ihre Gäste zum letzten Tag vor der Sommerpause. Die Gästeauswahl zeigt: Die A-Klasse ist schon im Urlaub. Also darf Familienministerin Lisa Paus mal in eine Talkshow. Und Johannes Vogel, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, verteidigt stellvertretend den Finanzminister.

Jetzt mag man sich wundern: Warum versucht ein Parlamentarier, dessen Aufgabe die Kontrolle der Regierung ist, die Regierung vor Kritik aus der Regierung zu schützen? Aber das ist nur die Logik eines politischen Systems wie dem deutschen, bei dem Regierung und Parlament eigentlich dasselbe sind.

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Aber in einem sind sich der FDP-Parlamentarier und die Grünen-Ministerin einig: Deutsche Mütter – und viel mehr noch die Väter – sind doch eigentlich Kinder, die es zu erziehen gilt. Denn der Staat will entscheiden, wie eine Familie die Erziehung, den Haushalt und das Familieneinkommen organisieren sollte. Und weil der Staat, also Johannes Vogel der „Liberale“ und Lisa Paus, die „Umweltschützerin“, es besser wissen als die Bürger, wollen sie mit dem Verteilen von Geld die Bürger zum richtigen Verhalten erziehen.

Sie unterscheiden sich nur darin, wie sie es machen wollen. Vogel zum Beispiel findet es schlecht, dass das Elterngeld von 1.800 Euro (monatlich, für 14 Monate), nicht an die Bedingung geknüpft wird, dass beide Elternteile gleich viel Elternzeit nehmen. Also, wenn Männer früher wieder arbeiten gehen, aber die Frau länger zuhause bleibt – oder anders herum – dann ist das schlecht und das Geld sollte dann nur verringert ausgezahlt werden.

Sparen macht Politiker unglücklich

Lisa Paus hingegen will das Elterngeld für Familien mit einem Einkommen von 130.000 Euro versteuerten Einkommen im Jahr streichen. Auch wenn sie das schade findet, der erzieherische Auftrag dieses Geldes ist ihr so wichtig, betont sie, aber es gibt ja auch andere Instrumente, mit denen Gleichstellung erreicht werden kann.

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Doch die Runde bei Anne Will geht gründlich am Ziel vorbei. Denn Kern der Sache ist: Deutschland muss sparen. Rekordsteuereinnahmen reichen nicht mehr, um die vielen Geldgeschenke der Regierung zu finanzieren. SPD und Grüne machen dafür gerne Christian Lindner verantwortlich, aber der spart nicht etwa, weil die Schuldenbremse ihn zwingt. Sondern, zumindest hofft man das, weil er zwar jede andere seiner inhaltlichen Positionen für die Regierungsmacht verkauft hat, aber trotzdem weiß, dass die Schuldenlast untragbar zu werden droht, wenn das Land weitermacht wie bisher. Wenn er wollte, könnte er die Schuldenbremse umgehen. Krisen lassen sich immer fabrizieren.

Seit 2021 stiegen die Kosten, die jährlich anfallen, um deutsche Schulden zu begleichen, von 4 Milliarden auf 40 Milliarden Euro. Der Bund muss sparen, er kann nicht anders, will er nicht erdrückt werden. Also die Diskussion um das Elterngeld. Eine verlogene Diskussion von Vogels Seite. Seine Partei fordert ständig – und zu recht – das die Bürger weniger belastet werden sollen. Doch das bedeutet auch, dass weniger Geld ausgegeben wird. Und folglich müssen Leistungen für die, die das Geld nicht dringend brauchen, gestrichen werden. Aber das wäre ja eine wirtschaftsliberale Position.

Subvention zum Wohlstand?

Diesen Gedanken spricht in der Runde einzig die Journalistin Julia Friedrichs an. Die politisch linksstehende Reporterin beschäftigt sich vor allem mit dem Thema Kinderarmut. Eines ihrer Lieblingsthemen ist auch das fehlende Klassenbewusstsein der arbeitenden Armen. Wie große Teile der Linken hat auch sie die Idee „Aufstieg durch Arbeit“ schon lange aufgegeben für das Mantra „Aufstieg durch Subvention“, aber immerhin erkennt sie: Geld mit der Gießkanne auszuschütten ist schlecht, wenn es weniger Geld gibt. An dieser Stelle möchte man ihr gratulieren: Die Erkenntnis, dass die Mittel einer Gesellschaft begrenzt sind, ist der erste Schritt, die Grenzen des staatlich machbaren zu erkennen. Hatte sie eine Adam Smithsche Eingebung? Wohl eher nicht, aber man kann hoffen.

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In der Runde mit dabei war die FAZ-Journalistin Helene Bubrowski. Sie ist im Berliner Korrespondentenbüro für Innen- und Rechtspolitik zuständig und will sich wohl den Zugang zur Regierung nicht durch übermäßige Kritik verderben. Anders kann man es kaum erklären, dass sie sich an die hohlen Phrasen der Ministerin Lisa Paus vorsichtig anpirscht, den Sprung, diese als absurde Unwahrheit zu bezeichnen, aber nicht wagt. Die Aussage bleibt höchstens als Implikation stehen, wenn Paus behauptet, an der Kindergrundsicherung arbeite man hart, es gebe ein Konzept, das Konzept sei super, toll, digital und auch datenschutzkonform, aber man könne es noch nicht präsentieren, und das sei Absicht, dass noch niemand das Konzept gesehen habe.

Und Kai Wagener, nein Wegener, nein Wegner, ist auch in der Runde dabei. Er sprach kaum und sagte noch weniger und wenn man ihn nicht kennt, ist das halb so wild. Anne Will jedenfalls scheint ihn immer wieder vergessen zu haben, aber er ist ja auch nur regierender Bürgermeister eines Städtchens bei Potsdam. Mit sparen hat man es in diesem Ort inmitten der brandenburgischen Wildnis letztens auch versucht, dass endete in einem Eklat, weil an den Schulen des Stadtteil Neuköllns in Zukunft vielleicht das Wachpersonal wegfällt.

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