Die Welt hat nichts Falsches gemacht. Dennoch suggeriert das Mediengetöse, sowohl aus der Redaktion, wie in den sozialen Medien, dass das Springer-Blatt höchstselbst die Wahl der AfD empfohlen hätte. Das ist in diesen Tagen, in denen eine neue Correctiv-Recherche begierig vom Massenstrom aufgenommen – und als „Potsdam 2.0“ bereits durch die ARD geistert – pikant.
Christian Lindner hatte vor Tagen ausgetestet, was man in der Öffentlichkeit noch sagen darf. „Autobahn geht gar nicht“ hat Margarethe Schreinemakers einmal zu Eva Hermann in einer vielbeachteten Talksendung von Johannes B. Kerner gesagt, als sie darauf hinwies, dass bestimmte Dinge aus der NS-Zeit ganz normal sind, auch, wenn sie einen bestimmten Hintergrund haben. Harald Schmidt wiederum hat das als Vorlage für ein „Nazometer“ genommen, das bei bestimmten Begriffen aufleuchtete. Auch darum gab es natürlich: Streit.
Die Autobahn heißt heute Elon Musk und das Nazometer ist ein AfD-O-Meter. Wer wen wo einlädt, wie nahe der zur AfD steht und die Wörter, die er verwendet, sagen etwas aus. Weil sie vielleicht auch die AfD und ihre Aushängeschilder nutzen. Man erinnere sich noch an die „Abendland“-Diskussion, als die Katholische Kirche unter Kardinal Marx sich plötzlich von einem Begriff distanzierte, dessen Urheber die Kirche selbst ist. Weil die PEGIDA-Gruppe sich auf dieses bezog.
Es gibt also zahlreiche, ermüdende Vorgeschichten zum jetzigen Fall, in dem nichts weiter passiert ist, als dass Tech-Mogul Elon Musk in einem Beitrag einer der wichtigsten Zeitungen des Landes ausführt, warum er auf X postete, dass nur die AfD Deutschland retten könnte. Die Welt muss sich demnach vorhalten lassen, auch die andere Seite zu Wort kommen zu lassen und zu erklären, was sie meint. Das ist ein guter Schachzug. Denn „traditionelle“ Medien leiden unter der Schnelligkeit von X. Was Welt und Co. aber liefern können, das ist die tiefere Analyse. Auf X will man schnell informiert werden: too long, didn‘t read (tldr) nennt man das auf Internetdeutsch. Die Wochenzeitung bietet sich da an.
Und was Musk sagt, das geht schon deutlich tiefer, als eine bloße populistische Parteinahme für eine deutsche Rechtspartei. Der internationale Krieg um die Meinungsfreiheit wird auch in Deutschland ausgetragen; es ist ein Schlachtfeld, das hier bei TE kurz nach dem Wahlsieg angekündigt wurde. Die AfD ist deswegen für Musk die logische Wahl, denn:
„Sie spricht die aktuellen Probleme an – ohne die politische Korrektheit, die oft die Wahrheit verdeckt. Die Darstellung der AfD als rechtsextrem ist eindeutig falsch, wenn man bedenkt, dass Alice Weidel, die Vorsitzende der Partei, eine gleichgeschlechtliche Partnerin aus Sri Lanka hat! Klingt das für Sie nach Hitler? Ich bitte Sie!“
Musk fasst das unter einem von fünf Punkten zusammen, in dem Fall unter „politischem Realismus“, der für die AfD spricht, denn die anderen Parteien hätten „schlichtweg versagt“. Ihre Politik habe zu wirtschaftlicher Stagnation, sozialen Unruhen und einer Aushöhlung der nationalen Identität geführt.
Musk führt das vorher aus. „Die deutsche Wirtschaft, einst der Motor Europas, versinkt heute in Bürokratie und erdrückenden Vorschriften. Die AfD hat verstanden, dass wirtschaftliche Freiheit nicht nur wünschenswert, sondern notwendig ist.“ Sie stehe für De-Regulierung, und Deutschland brauche eine Partei, die nicht nur über Wachstum rede, sondern auch Maßnahmen ergreife, um staatliche Eingriffe abzuwenden.
Ein weiterer Punkt: Zuwanderung und nationale Identität: Deutschland habe seine Grenzen für eine sehr große Zahl an Migranten geöffnet. „Dies geschah zwar in humanitärer Absicht, führte jedoch zu bedeutenden kulturellen und sozialen Spannungen“, so Musk. Die AfD setzte sich für eine kontrollierte Einwanderungspolitik ein; ihr gehe es nicht um Fremdenfeindlichkeit, sondern darum, dass Deutschland sich nicht im Streben nach Globalisierung verliere.
Explizit geht Musk auf die desaströse Energiepolitik Deutschlands ein. „ Die Entscheidung Deutschlands, aus der Kernenergie auszusteigen und stattdessen ohne die für die Stabilität der Stromversorgung erforderlichen Batteriespeicher im Netz in hohem Maße auf Kohle und importiertes Gas sowie auf unbeständigen Wind- und Solarstrom zu setzen, hat das Land, vor allem im Hinblick auf Unterbrechungen der Stromversorgung, anfällig gemacht.“ Was Musk schreibt, hätte auch jeder TE-Autor so schreiben können.
Zuletzt unterstreicht Musk im Unterprunkt „Innovation und Zukunft“, dass sie kritisches Dneken statt Indoktrination fördere, eine Einstellung, die mit dem Grundatz seines eigenen Unternehmensethos im Einklang stünde. „Denjenigen, die die AfD als extremistisch verurteilen, sage ich: Lassen Sie sich von dem ihr angehefteten Label nicht beirren. Schauen Sie sich ihre Politik, Wirtschaftspläne und Bemühungen um den Erhalt der Kultur an“, hebt der Tesla-Chef hervor.
Dass solche Worte Sprengstoff enthalten, war der Welt bekannt. Sie hat diesen Beitrag daher mit einem Kontra-Kommentar versehen. Dessen Verfasser Jan Philipp Burgard, langjähriger USA-Korrespondent der ARD und mittlerweile Chefredakteur in spe bei der Welt. Burgard war auch für das Duell zwischen Björn Höcke (AfD) und Mario Voigt (CDU) verantwortlich. Die Welt zückt also das schärfste Kaliber, um den Musk-Kommentar einzuschränken. Das ist eigentlich das, was man von gutem Journalismus erwartet: Die Debatte des freien Wortes um das beste Argument. Man muss schließlich nicht die Positionen von Elon Musk teilen.
Vielen war aber dieser Schlagabtausch offenbar zu frei. Schon zuvor knisterte es in der Redaktion: Offenbar sollte der Musk-Text verhindert werden. Am Samstag explodierte dann die Lage. Eva Maria Kogel, Chefin des Meinungsressorts, wirft nach der Vorveröffentlichung hin. Ironischerweise kündigt sie den Schritt auf der Musk-Plattform X an, nachdem sie diese drei Jahre lang ungenutzt ließ. Auch andere Welt-Journalisten üben sich in Protest, ob nun öffentlich oder indirekt.
Medieninsider berichtet, dass innerhalb der Redaktion die Hoffnung bestand, dass dieser „nach tagelangen Diskussionen in hitzigen Konferenzen und Krisentreffen zwischen Chefredaktion und Redaktionsvertretern doch nicht erscheinen würde“. In einem Schreiben, dass dem Magazin vorliegt, zitiert sie, dass die Redaktion vor einer „als Gastbeitrag getarnte Wahlwerbung für die AfD“ gewarnt habe. Das ist bemerkenswert, denn in Pro&Kontra-Debatten machen immer mal wieder Parteipolitiker oder einer Partei nahestehende Personen einen Punkt für die politische Bewegung, mit der sie sympathisieren. Hätte Elon Musk Wahlkampf für die Grünen bei der Taz wegen deren Liebe zu E-Autos gemacht, kein Hauch ginge durch den Blätterwald.
Der Verdacht, dass es hier nicht nur um die AfD und Musk geht, drängt sich auf. In vielen Belangen erinnert die neueste Welt-Affäre an einen kritischen Artikel zum Transhype, der nach gewaltigem Missmut der transbewegten Elemente der Republik einkassiert wurde. Mathias Döpfner verordnete danach einen strengen LGBTQ-freundlichen Kurs. Wie schon in der Corona-Frage tarieren die gegen den Strich gebürsteten Redakteure ihre Grenzen aus. Für den neuen Chefredakteur eine Feuertaufe?