Tichys Einblick
Kein Stein auf dem anderen

Aus Tradition wird Indoktrination – Märchen mit politischer Botschaft neu erzählt

Im woken Zeitalter wird das Rotkäppchen zum „Schwarzkäppchen“ und die brave Alice aus dem Wunderland zu einer rebellischen, frechen Mädchen aus der Türkei. Und auch Klima, Krieg und Migration werden immer mehr in Kinderbüchern thematisiert. Das wollen viele Kinder aber gar nicht.

Symbolbild

IMAGO

Kinder sollen später mit Erfindungen wie dem „Anti-Läster-Spray“ oder dem solar-betriebenen „Strand-Entmüller“ die Welt verbessern. Dazu inspiriert zumindest das Kinderbuch „Alles wird bestimmt ganz toll, wenn ich groß bin“. Das „Anti-Läster-Spray“ könnte als Mittel „gegen Belästigungen“ genutzt werden und wäre „super für Fahrradfahrer“, heißt es in diesem „bunten Buch“. Aber wenn die Kinder erstmal groß sind, wird generell alles „bestimmt ganz toll“, denn dann können sie sich für „die Rechte der Pflanzen“ einsetzen. Vielleicht machen sie aber auch „ganz andere Sachen“: Demos und Hilfsaktionen organisieren oder sich um Gerechtigkeit kümmern, zum Beispiel.

Und auch „Kian geht aufs Ganze“. Der Junge mit indischen Wurzeln möchte Fußball-Profi werden und würde alles dafür tun. Obwohl er auf dem Platz „rassistischen Beschimpfungen“ ausgesetzt ist. Auch wenn er im Imbiss seines Vaters arbeitet, erfährt er Rassismus: Ein Gast nennt ihn „Turban-Kopf“ – das findet Kian gar nicht lustig.

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Zu rassistisch scheint auch das Märchen „Rotkäppchen“ der Gebrüder Grimm gewesen zu sein: Denn in einem Kinderbuch von Anna Samwel bringt nun das „Schwarzkäppchen“ aus Ostafrika ihren „alten und kranken Großeltern einen Korb mit Erdnüssen, Maiskolben, getrocknetem Fleisch und eine Kalebasse mit Honig“. Dieses Buch sollte am vergangenen Donnerstag in einer Bibliothek am Prenzlauer Berg in Berlin vorgelesen werden. Aber, wie eine Mitarbeiterin der Bibliothek erklärt, habe sie sich stattdessen für ein „klassisches Stück“ entschieden – weil bald Ostern ist.

Die Bibliothekarin las den Kindern zwischen drei und sechs Jahren das Buch „Hase Hibiskus und der Möhrenklau“ vor: Eine Geschichte frei von Rassismus, Klimakatastrophe oder sonstigen woken Themen. Der Hase Hibiskus begibt sich auf eine Spurensuche, nachdem ihm seine geliebten Karotten „stibitzt“ wurden. Nachdem die Bibliothekarin das „Bilderbuchkino“ beendet hat, fragt sie die Kinder, was für eine Geschichte sie nächste Woche hören wollen. Zwei Jungen rufen lachend: „Über Dinosaurier“. Ein kleines Mädchen möchte gerne „eine über Prinzessinnen“ hören: „Oder über Einhörner.“

Dabei könnte man meinen, Prinzessinnen seien heutzutage nicht mehr im Trend: „Olivia findet das Leben als Prinzessin ziemlich langweilig“ heißt es in der Beschreibung des Kinderbuchs „Olivias rätselhafte Fälle“. Als ihre Eltern abgesetzt werden und die Familie ihren Palast verlassen muss, kann Olivia „endlich“ auf eine normale Schule gehen und zur „Klima-Detektivin“ werden. In diesem „spannenden Kinderbuch für neugierige Kinder ab acht Jahren“ versuchen Olivia und ihre Freunde, „eine Klimakatastrophe zu verhindern“.

Auch Alice ist in woken Zeiten von heute kein kleines, braves Mädchen mehr, das sich über alles wundert. In einer Inszenierung des Stücks „Alice im Wunderland“ im Thalia-Theater in Hamburg im Jahr 2022 wurde sie zu einer „rotzigen, frechen und starken“ Rebellin mit türkischen Wurzeln. Ihr Zimmer ist nicht mehr rosa, sondern voller schwarzer Poster, beispielsweise von der Sängerin Beyoncé. Mit ihrer Mutter schimpft die „selbstbewusste“ Alice auf Türkisch: Sie fordert ihre deutsche Mutter auf, die Sprache ihres türkischen Vaters zu lernen – warum heiratet sie sonst einen Türken, schreit sie.

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Während Alice türkisch wird, werden die Hamburger „Pfefferkörner“ syrisch: Hakim und Jasina Al-Khallil heißen zwei Hauptrollen der 19. Generation der jugendlichen Detektive aus der Speicherstadt. In den Porträts über die fiktiven Figuren steht, die Geschwister seien vor acht Jahren ohne ihren Vater Azad aus Syrien geflohen. „Hakim hat den Krieg nicht vergessen“: „Gewitter wecken bei ihm daher schreckliche Ereignisse und machen ihm Angst.“ Während die Pfefferkörner in früheren Staffeln noch Fischbrötchen gegessen haben – typisch Hamburg eben –, sind sie in der aktuellen Staffel häufig an „Djamilas syrischem Imbisswagen“ anzutreffen. Denn die syrischen Geschwister verbindet die „Liebe zum syrischen Essen“. In den letzten Jahren hat sich der NDR alle Mühe gegeben, sämtliche Randgruppen in die traditionsreiche Sendung zu integrieren: Flüchtlingskinder, schwerhörige Kinder, lesbische Mütter, Kinder mit Lese- und Rechtschreibschwächen und ein Mädchen im Rollstuhl. Dieses querschnittgelähmte Pfefferkorn stellt der NDR als „sowas wie die Greta Thunberg der Pfefferkörner“ vor. „Ihr größter Traum: Ein Meer ohne Plastik.“

Wie Kinder ab zehn Jahren selbst dazu beitragen können, „das Zusammenleben der Menschen zu verbessern und sich umweltbewusst und ressourcenschonend zu verhalten“, erklärt das Kinderbuch „Sind wir zu viele?: Wie die Welt zusammenwächst“: Kinder könnten beispielsweise als „UN-Expertin“, „Umweltheld“ oder „Katastrophenhelfer“ aktiv werden und „klimafreundlich unterwegs“ sein. Außerdem beinhaltet das Buch „Fakten und anschauliche Bilder“: Auf einem Bild hält ein Mädchen mit FFP-2-Maske bei einer Demonstration ein Schild hoch: „Protect our Planet“, steht darauf.

Aber nicht nur Themen wie Klima und Migration finden sich immer häufiger in den Büchern und Fernsehsendungen für Kinder. Der Autor Söhnke Callsen klärt Kinder ab sieben Jahren (!) in seinem Buch „Alles in Bewegung“ über das Thema Krieg auf: „Früher sandten Herrscher ihre Soldaten zu Fuß oder auf Pferden aus, um neues Land zu erobern. (…) Später wurden motorisierte Fahr- und vor allem Flugzeuge wichtig für die Eroberung. Mit Angriffen aus der Luft wurden wichtige Ziele wie Fabriken zerstört, um das andere Land zum Aufgeben zu zwingen.“ Und heute „kann das Militär sogar Drohnen schicken und muss gar nicht mehr Soldaten an jeden Ort schicken“. Beim Lesen dieser Zeilen können die Kinder dann Illustrationen betrachten, auf denen eine solche Drohne auf eine Stadt zufliegt und Häuser in Brand setzt. Zumindest zeigen die Zeichnungen keine Zivilisten, die von der Waffe getötet werden.

Kriege und Waffen thematisierte jüngst auch die Sendung „Logo!“ vom Kinderkanal KiKa, wie TE berichtete: In einer Folge sprachen Marschflugkörper aus Frankreich, England und Deutschland miteinander, welcher von ihnen der Beste sei, und ließen sich über den zögernden Olaf Scholz aus, der Taurus-Lieferungen an die Ukraine blockiert. „Logo“ richtet sich übrigens an Kinder zwischen acht und zwölf Jahren.

Wenn sich der werte Leser nun fragen sollte, ob all solche Bücher, Theaterstücke, und Fernsehsendungen für Kinder normal sind, bietet ein weiteres Buch die Antwort: Das erklärt nämlich, „warum es normal nicht gibt“. Dieses Buch „Wie siehst du denn aus?“ richtet sich mit seinen „offenherzigen Aquarellillustrationen“ an Kinder zwischen zehn und zwölf Jahren und zeigt ihnen „Körperteile in all ihrer Unvollkommenheit und Liebenswürdigkeit“: Mit stoppeligen, welligen, lockigen und blonden, braunen oder schwarzen Haaren. Nein, es sind nicht nur Bärte und Frisuren gemeint. „Unsere Körper sind so faszinierend, weil sie so vielfältig sind.“

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