Tichys Einblick
Irrtum schützt nicht vor Auszeichnung

Wie Literatur-Nobelpreisträgerin Annie Ernaux gegen Israel hetzt

Die Schriftstellerin Annie Ernaux forderte Boykott-Maßnahmen gegen den Staat der Juden und die "Dekolonialisierung Palästinas" – als ob es je ein politisches Gebilde im Nahen Osten gegeben hätte, das sich „Palästina“ nannte. Auch nachdem sie mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, ist von ihr keine Entschuldigung zu vernehmen.

Die Schriftstellerin Annie Ernaux nach der Bekanntgabe ihrer Auszeichnung mit dem Nobelpreis, Paris, 06.10.2022

IMAGO / Kyodo News

Wir haben einige Tage gewartet, ob die Nobel-Preisträgerin für Literatur Reue zeigt für ihre Fehltritte gegenüber Israel. Schließlich handelt es sich um eine ältere Dame. Aber leider war bisher nichts von einer Entschuldigung zu hören. Die Schonfrist ist abgelaufen. Wäre sie keine Nobelpreisträgerin, hätte man darüber hinwegsehen können. Noch eine, die hinter der falschen Karawane herläuft. Nein, Annie Ernaux ist eine schreibende Person, die vermutlich Hundertausende, zukünftig Millionen von Lesern hat bzw. haben wird. An sie muss ein qualitativ anderer Maßstab angelegt, von ihr kann, muss mehr verlangt werden als von einem dahergelaufenen politischen Irrläufer.

Für alle, die vor lauter Putin und erhöhten Strom- und Gaspreisen es nicht mitbekommen haben: die Literaturpreisträgerin 2022 schreibt nicht nur Romane. Sie ist eine Anhängerin der BDS-Bewegung, die zum Boykott, zur Nicht-Investition und zu Sanktionen gegen Israel aufruft und die Medien in ihrem Heimatland Frankreich beim Eurovision Wettbewerb 2019 dazu bewegen wollte, die TV- und Radio-Übertragung abzusagen. Denn gesungen wurde damals in Tel Aviv. Außerdem ist die heute 82jährige Dame „gegen Apartheid und unterstützt den palästinensischen Kampf für eine Dekolonialisierung“. Die Unterzeichner einer entsprechenden Erklärung sind der Meinung, dass es „falsch und irreführend war, den Ansturm auf Gaza (2021) als einen Krieg zwischen zwei gleichberechtigten Partnern darzustellen“.

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Der Dame kann geholfen werden: Juden heißen Juden, weil sie aus Judäa stammen. Ein geographischer Begriff, der über 3000 Jahre alt ist. Damals kamen Hebräer geführt von Moses aus Ägypten eben nach Judäa. Erst 1000 Jahre später wurde dort Jesus geboren und noch einmal 600 Jahre danach begann Muhammad als oberster Religionsführer, oberster Gesetzgeber, oberster Richter, oberster Polizist, oberster Staatsherr und oberster Heerführer seine Karriere. Damit wäre die Frage, wer zuerst zwischen Mittelmeer und Jordan gestaltend anwesend war unzweideutig beantwortet. Ein muslimisch geführtes Palästina hat es in der Geschichte nicht eine einzige Minute gegeben. Der geographische Name Palästina stammt von den Römern, die im Jahre 70 das damalige Jerusalem mit seinem jüdischen Tempel dem Erdboden gleichmachten und alle jüdischen Begriffe neu definierten. Jerusalem verwandelte sich in Aelia Capitolina und die ganze Region Judäa und Samaria eben in Palästina. Mit Muslimen und Islam kann dieser Vorgang nichts zu tun haben, da Muhammad erst 600 Jahre später lebte. 

Sprung ins 15. Jahrhundert. In den 14 Jahrhunderten davor war die Nahost-Region von der Welt, aber nie von Gott verlassen. Es gab nie einen Staat oder auch nur eine irgendwie geartete Gesamtführung. Es lebten dort aber immer Juden, Christen, Araber und viele andere Minderheiten aufgeteilt zumeist in Stämme und Familienclans, die alle eines gemeinsam hatten: tiefste Armut. 

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Historiker vieler Sprachen und Kulturen lassen das Osmanische Reich mit dem Jahr 1299 durch den Begründer Osman I. beginnen und 1922 ausklingen. Wir wollen uns hier auf die Zeit ab 1453 beschränken als Konstantinopel Hauptstadt und Zentrum wurde und sich selbst als „Devlet-i Ebed-müddet“ (Der Ewigen Staat) rühmte. Im 17. Jahrhundert führten die Osmanen Krieg mit Venedig und Genua im Mittelmeer, mit dem russischen Kaiserreich fochten sie danach um die Schwarzmeer-Region und mit Indien und Indonesien kämpften sie um die Handelswege im Indischen Ozean. Die Region zwischen Jaffa, Jerusalem und Bagdad rangierte eher unterfernerliefen. Im ersten Weltkrieg, so um 1917/18, bereiteten die Briten dem „Ewigen Staat“ ein Ende. David Ben Gurion, der spätere Staatsgründer Israels, wollte noch türkisches Recht in Konstantinopel studieren, merkte jedoch schnell, dass sich der Wind drehte und wechselte ins Studium des anglikanischen Rechts. Eine weise Entscheidung wie er selbst Jahrzehnte später konstatierte.

Die Briten hatten also den bereits „kranken Mann vom Bosporus“ niedergerungen und riefen 1923 zuerst ein Emirat, dann ein Mandat aus. Die Region zwischen Jaffa und Al Karamah, eine Oase an der heutigen Ostgrenze Jordaniens zu Irak, nannten sie „Palestine“, eine rein geographische Bezeichnung. Die Juden erhielten den Titel „Jews of Palestine“ und sie waren auf ihren Ausweis stolz. Denn nach über 1800 heimatlosen Jahren konnten sich Juden basierend auf ein internationales Dokument mit einem Territorium identifizieren. Bis heute gibt es noch Juden, die inzwischen zu Israeli avancierten, die diesen Ausweis im Nachttischchen aufbewahren.

Seit 1880 suchten Araber aus Syrien Arbeit in „Palestine“, bestanden aber beharrlich darauf als „syrische Araber“ bezeichnet zu werden. Ab 1925 gab es bereits einen Flugverkehr nach „Palestine“, der Post an Juden, Christen und Araber brachte. Sie landeten damals in Gaza und mit Wasserflugzeugen auf dem See Genezareth. Briten und Franzosen, alle, die damals politisch im Nahen Osten mitspielten, benutzten „Palestine“ als geographischen Begriff wie in den Dokumenten der „Balfour-Deklaration“ oder bei der Konferenz von San Remo nachzulesen ist. Ein „Palestine“ als Gemeinde gibt es: sie liegt in den USA weniger als zwei Autostunden von Bethlehem im gleichen Bundesstaat Texas entfernt. Nicht eine Minute existierte ein soziales Gebilde im Nahen Osten, das sich „Palestine“ nannte.

Der Vollständigkeit halber: Israel sitzt heute auf 22,74 Prozent des geographischen „Palestine“, Jordanien auf 76,80 Prozent, die West Bank oder Westjordanland mit seinen 5860 Quadratkilometern belegt 5,04 und Gaza mit seinen 360 Quadratkilometern 0,31 Prozent. In den letzten 50 Jahren ist wohl kein geographischer Begriff politisch derart überbeansprucht, geradezu geschichtsfälschend missbraucht worden wie „Palestine“. Ziel war stets eine mystische Geschichte als Lüge für ein künstlich-entwickeltes Volk unter die Leute zu bringen.

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Wer schreibt, sollte auch viel lesen. Deshalb sei der Nobelpreisträgerin empfohlen in die 25000 Seiten Einblick zu nehmen, die das KGB-Mitglied Vasili Mitrokhin Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts aus Moskau herausschmuggeln konnte. Das Gesamtwerk liegt heute im Churchill College in Cambridge/Großbritannien. Das Institut ist übrigens nach einem Vorgänger von Annie Ernaux als Literatur-Nobelpreisträger benannt: Sir Winston Churchill.

Beim Überfliegen der kopierten Dokumente wird Frau Ernaux auf folgende Zitate aus Anfang der 60er Jahre stossen: „Wir müssen im Stile der Nazis einen Hass gegen Juden in der gesamten arabischen Welt lostreten und diese emotionale Waffe in ein terroristisches Blutbad gegen Israel und seinen Hauptunterstützer USA verwandeln“. Diese Idee stammt von Yuri Andropov, damals Chef des sowjetischen Geheimdienstes KGB, der später zum General-Sekretär der KPdSU, zum mächtigsten Mann in Moskau aufstieg. 

Um ihr Ziel zu erreichen mussten die Sowjets eine palästinensische nationale Identität schaffen, die es bis dahin nicht gab.  Juden sollten als ein Volk hingestellt werden, das keine Ansprüche auf das Land zwischen Mittelmeer und Jordan hätte. Sie seien nichts anders als kalte Aggressoren. Der KGB schuf – wie es in den Unterlagen heißt – die „Palestine Liberation Organization (PLO)“ genauso wie sie in vielen anderen Teilen der Welt sogenannte nationale Befreiungs-Organisationen aus dem Boden stampften. „1964 wurde die `Palestinian National Charter` in Moskau konzipiert. Damit wurde ein künstlicher Palästinensischer Nationalstaat erfunden und gegründet“. 

Die Nobelpreisträgerin Annie Ernaux hat in einem Punkt sicherlich recht. Israel und die PLO sind keine gleichberechtigten Partner.


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