Die Universitäten sind Hochburgen der Linksintellektuellen. Das gilt vor allem für die geisteswissenschaftlichen Disziplinen. In den Seminaren und Kursen merkt man dies sehr schnell, da erstens kein Geheimnis daraus gemacht wird und zweitens es auch viele Dozenten gibt, die hin und wieder ihre universitären Bühnen nutzen, um ihre eigenen ideologischen Überzeugungen kundzutun und diejenigen, die diese nicht teilen, mit offensichtlicher Missachtung zu erniedrigen. Dies geschieht oft auf passiv aggressive Weise, und manchmal so subtil, dass man es nicht sofort als das wahrnimmt, was es eigentlich ist.
Man geht nach einem Seminar beispielsweise nachhause oder sitzt danach in der Mensa und irgendwie lässt einen das Gefühl nicht los, dass irgendwas nicht stimmt. In erster Linie denkt man vielleicht, etwas mit einem selbst stimmt nicht. Denn warum wurden andere Kommilitonen nicht ständig unterbrochen bei Äußerungen zu gewissen Themen? Wieso werden die eigenen Leistungen anders bewertet als die der anderen, die vielleicht kaum teilnehmen an den Seminaren und trotzdem besser abschneiden und mit offensichtlicher Sympathie gelobt werden? Wieso lässt dieses bohrende Gefühl nicht nach, dass man selbst und die eigene Meinung irgendwie falsch und irgendwie nicht willkommen ist? Wieso antwortet keiner auf die eigenen Aussagen, die man zur Diskussionen beiträgt, sondern es wird direkt der nächste dran genommen, um auf dessen Aussage einzugehen? Ist man selbst nur zu sensibel oder ist da vielleicht wirklich etwas „komisch“? Wer könnte einem diese Frage beantworten ?
Vielleicht kennen Sie das selbst, haben es schon erlebt: Dieser eine Moment, in dem man „unvorsichtig“ einfach sagte, was man denkt und alles, was danach kam, auf diesen Moment ungewollt zurückzuführen ist.
Erst nach mehreren Sitzungen in den Seminaren wurde ihm bewusst, dass tatsächlich etwas nicht stimmte, weil er sich probeweise entschlossen hatte, eine Weile besser nur noch zu schweigen und stattdessen nur zuzuhören und „vorsichtiger“ zu sein.
Es fiel ihm auf, dass ab diesem Zeitpunkt im Seminar alles viel „harmonischer“ ablief und alle anderen Teilnehmer samt Dozent sich einig waren in allen politischen Aussagen und ideologischen Ausrichtungen. Daraus resultierend dann auch in allen anderen Dingen.
Er selbst stellte dadurch fest, dass er ein Störenfried war mit dem, was er denkt und sagt, und den Kreis gestört hat. Die Verunsicherung wuchs weiter, denn er weiß entgegen der propagierten egalitären Machtstrukturen an der Uni sitzt er doch am längeren Hebel – der Dozent oder Professor. Und er weiß diese Macht zu nutzen, wofür es auch immer sein mag, denn sie steht ihm durch seinen Status zur Verfügung.
Alles was man diesbezüglich sagen würde oder machen könnte, um die Situation aufzulösen, würde es nur noch schlimmer machen. Mut wird hier nicht belohnt. Also steht man vor der Entscheidung: Von nun an den Mund zu halten, dafür aber Gefahr zu laufen, dass man gerade deswegen am Ende schlecht benotet wird, oder eben nur noch das zu sagen, was man von einem hören will.
Die zweite Option gelingt vielen Menschen, die ihr Vorankommen um jeden Preis im Sinn haben, was durchaus nachvollziehbar ist. Aber sie gelingt nicht denjenigen, die die Universität als das ernst nehmen, was sie vorgibt zu sein. Sie geraten in einen persönlichen Konflikt, weil beide Optionen sie in ihrer eigenen Integrität verletzen würden und dadurch gewissermaßen einen Gesichtsverlust vor sich selbst bedeuten würden.
Es handelt sich um persönliche Erfahrungen, die erst kürzlich wieder an einer Uni gemacht wurden. Der unbedachte Satz, der ihn seiner Meinung nach ins „Aus“ geschossen hatte, war ein Bekenntnis als Demokrat und die von radikalen politischen Richtungen, ob links oder rechts.
Es stand auch die Frage im Raum, ob die Wissenschaft bzw. die Wissenschaftler mit ihren Erkenntnissen sich aktiv politisch beteiligen sollten. Er lehnte dies ab und kritisierte die Dozentin dafür, dass sie dafür plädierte, dass „vor allem Wissenschaftler politisch aktiv sein sollten, da sie generell mehr Ahnung hätten, dadurch dass sie intensiv forschen.“
Als sie das sagte, habe es wie ein Aufruf an alle Teilnehmer gewirkt, was ihm persönlich zuwider war. Denn seiner Auffassung nach sind wissenschaftliche Erkenntnisse zunächst einmal neutral und unpolitisch. Und Wissenschaftler sollten diese auch neutral und unpolitisch mit besten Gewissen versuchen zu gewinnen.
Seine Dozentin spürte wohl, dass er nicht mit ihr konform ging und begann, ihm in den Seminaren immer wieder ihre Antipathie zu signalisieren mit all den bereits oben genannten Beispielen. Sie stellte ihn oft als eine inkompetente Person dar, die es durch irgendwelche Glücksmomente an die Uni bis in den Master geschafft hatte.
Zu Beginn seines Vortrages hielt die Dozentin es für wichtig, vor all seinen Kommilitonen zu erwähnen, dass sie sein ausgearbeitetes Konzept „nicht für 100% zweckdienlich“ hält, aber seine Mühen anerkennen würde. Hilfsbereit wie sie war, sagte sie, dass sie manchmal eingreifen werde, wenn es notwendig sei.
Er bedankte sich für ihre „Hilfe“ und begann. Bereits nach den ersten paar Sätzen, bei denen es schlicht um biografische Daten ging, fiel sie ihm ins Wort. Sie tat dies immer wieder und brachte ihn von Beginn an auf diese Weise immer mehr aus dem Konzept. Jeder Versuch, seinerseits den Vortrag wieder aufzunehmen, scheiterte, weil sie entweder einfach weitersprach oder sie ihn einfach erneut unterbrach mit den Sätzen: „Sie dürfen nicht vergessen zu sagen…!“ „Denken sie daran..!“
Wenn er fortfahren wollte, nahm sie einfach Personen dran, die sich nicht mal gemeldet hatten. Sie fragte völlig willkürlich nach ihren Meinungen, und wenn diese keine hatten, sprach sie einfach selbst weiter.
Manchmal übergab sie ihm nach 5- bis 10-minütigen Monologen das Wort an Stellen, die nichts mit dem zu tun hatten, worum es in dem Vortrag eigentlich ging. Als er sagte, das er gerne an der Stelle weitermachen würde, an der er unterbrochen wurde, stellte sie ihn als unfähig dar, „das Große und Ganze“ zu sehen. Die Kleinigkeiten, auf die er sich konzentriere, seien nicht wichtig.
Letztendlich unterbrach sie ihn und übernahm dann die Moderation für ganze 45 Minuten selbst. In der Zeit entschied er sich zunächst, bewusst zu schweigen. Währenddessen wurde er nicht eines Blickes gewürdigt. Als wäre er nicht da.
Sie sprach über die Bedeutung von Macht für den Diskurs. Das sei wichtig zu verstehen, damit man es an der Wurzel behandeln und bekämpfen könne. Ironischerweise hat sie dieselbe Macht anscheinend selbst gern ausgeübt durch ihre Unterbrechungen. Vom Diskurs hält sie offenbar selbst nicht viel, da fast nur sie selbst sprach.
Als sich das Seminar dem Ende näherte, stand der Student unter Druck, da er gern zeigen wollte, das er seine Arbeit gut gemacht hatte. Er entschied sich, freundlich lächelnd sie mit einem Wortspiel vorsichtig zu unterbrechen und sagte zu ihr: „Nun würde ich auch gern wieder die Macht ergreifen und den Vortrag weiterführen.“
Den Blick, den er dafür erntete, können Sie sich vielleicht vorstellen.
Doch es war zu spät. Ab diesem Zeitpunkt war er längst nicht mehr so sicher, wie er selbst dachte. Sie hatte ihn, so sagte er mir später, „längst mit ihrer Niedertracht zersetzt“. Er bekam wohl einen Blackout und wusste nicht mehr, wie er den Vortrag wieder aufnehmen sollte oder beenden könnte.
Seine Dozentin spürte, dass er nicht mehr weiter wusste und grinste ihn hämisch an.
Als er in der Gruppe eine Frage zu einem Thema stellte, und keiner etwas dazu sagen konnte, fragte er die Dozentin die bekannterweise viel Erfahrung mit genau diesem Thema hat, ob sie etwas sagen möchte. Sie verneinte lächelnd. Er vermutet, dass sie das absichtlich tat, um ihn noch mehr gegen die Wand fahren zu lassen. Es war eine Katastrophe.
Sie war offenbar beleidigt von diesen Aussagen und regte sich auf. Letztendlich sagte sie, dass sie seine Kritik so stehen lassen könne und schickte ihn raus.
Er dachte, die Angelegenheit wird sich mit der Zeit beruhigen und hakte sie ab.
Am nächsten Tag bekam er jedoch eine saftige E-mail von der Dozentin. In dieser wimmelte es von Vorwürfen und Beleidigungen. Seine Leistungen seien „unter dem Niveau anderer“.
Er antwortete ihr ebenfalls per Mail und und wollte das Problem sachlich klären: Warum sie seinen Vortrag als solchen abwertete, da er ja selbst kaum zu Wort gekommen sei und sein Konzept nicht mal vorstellen konnte.
Auf seine E-Mail bekam er keine Antwort und wandte sich an seinen Professor. Denn es ließ ihn nicht das Gefühl los, dass diese Frau ein persönliches Problem mit ihm hat. Nur welches?
Nach Beratungen mit seinem Professor schien es letztendlich die beste Lösung zu sein, den Kurs selbst zu beenden. Denn es sei auch für ihn offensichtlich, dass ein persönliches Problem vorliegt.
Ob dieses Problem „persönlich“ oder „ideologisch“ war, scheint heute sowieso dasselbe.
Das Erlebnis zeigt, dass es tatsächlich, wie seine Dozentin sagte, um Macht im Diskurs geht. Letztendlich sind es bestimmte Machtstrukturen, denen er zum Opfer gefallen ist. Er hat fast ein ganzes Semester in diesem Kurs studiert und dafür letztendlich weder Beifall noch Leistungspunkte bekommen, weil er ihn abbrechen musste, um Schikanen zu entgehen. Paradoxerweise sind es genau diese bestimmten Machstrukturen, die auch seine Dozentin mit aller Vehemenz und Entschlossenheit und sogar mit Aktivismus „an der Wurzel behandeln“ und bekämpfen will.
Insofern sollte der Student selbst das alles wohl auch tatsächlich nicht persönlich nehmen, da es offensichtlich Probleme sind, die weder mit ihm noch mit jemand anderem zu tun haben.
Es sind die die eigenen Widersprüche, unter denen solche Personen wie die hier beschriebene Dozentin handeln. Sie sehen und bekämpfen in anderen Menschen das, was sie eigentlich selbst tun und selbst sind.
Warum sollte man sich selbst hinterfragen, wenn es viel leichter ist, diejenigen in Frage zu stellen und zu bekämpfen, die einem den Spiegel vorhalten?