„Sondeln“ beschreibt jene Tätigkeit, wenn erwachsene Männer mit ihren Söhnen durch Wald und Flur marschieren, über Wissen und Äcker und dabei eine Art Krücke hin und herschwenken, ein Metallsuchgerät um potentiell seit Jahrhunderten verborgene Schätze zu bergen. Immer mit im Gepäck ist eine mehr oder weniger große Hacke, eine kleine Schaufel oder der obligatorische Klappspaten. In Deutschland sollen mittlerweile tausende Sondengänger regelmäßig auf Pirsch gehen, also mit ihrem Metalldetektor losziehen und Wald, Feld und Flur nach verborgenen Schätzen absuchen. Frauen sollen dafür angeblich weniger anfällig sein, weiß jedenfalls die WELT.
Aber lassen wir die Gender-Debatte mal außen vor, dann spricht die wachsende Anzahl von Sondelgängern dafür, dass die Sache richtig Spaß macht. Schnell sind etliche Stunden ins Land gegangen, die Schatzsucher sind durchgehend an der frischen Luft und wenn es piept, wenn also das Suchgerät Metall im Boden meldet, dann wird es immer wieder aufs Neue richtig spannend. Vorausgesetzt natürlich, dass der Platz der richtige war, was u.a. bedeutet, dass das Suchareal, das die ausgewählten Wege und Plätze in den letzten Jahrzehnten nicht allzu oft frequentiert wurden, denn sonst müsste man sich zusätzlich durch allerlei Gegenwartsmüll hindurch graben, vom Getränkedosenclip bis hin zum weggeworfenen Alufolieschnipsel oder längst vergegammelten Cent oder Pfennigstücken.
Haben die eifrigen Sondelfreunde allerdings einen alten Hohlweg oder einen viel versprechenden etwa abseits gelegenen Acker entdeckt, dann kann die Ernte beginnen, dann wird sogar der seltene Taler oder Kreuzer zum möglichen Fundstück. Die meisten Sondler sind über die Jahre historisch gut bewandert. Da werden alte Karten noch analog in Bibliotheken geschaut und abfotografiert und zu Hause dann im Photoshop mit aktuellen Karten übereinander gelegt, wo früher noch der gute alte Durchpaus-Butterbrotpapiertrick herhalten musste.
Nun fragen sondelferne Menschen ihre infizierten Verwandten oder Freunde gerne mal, wo eigentlich der Mehrwert sei. Was daran Spaß machen würde, Altmetall aus dem Boden zu holen, das oft genug noch rostig oder sonst wie in erbarmungswürdigem Zustand ausgegraben wird. Eine kaum zu beantwortende Frage. Vergleichbar allenfalls mit der Frage, was denn an einem gutem Roman oder einem Film interessant wäre. Nein, die Faszination des Sondelns kann man kaum erklären, wen das Sondelfieber noch nicht gepackt hat, erzählen, warum man sich schon den ganzen Freitag über freut, am arbeitsfreien Samstag endlich wieder ins Gelände zu kommen.
Hier kommen Unternehmenslust, Fantasie und Interesse an Geschichte zusammen. Hier wird die Vorstellungskraft angeregt, hier kann man sich die Vorbesitzer des jeweiligen Fundstückes vorstellen und sich mit deren Lebensumständen beschäftigen: Wer trug die kleine Brosche oder wer wollte wohin um mit dem Kreuzer was zu bezahle und wie hatte er sich zuvor seinen Taler verdient, der dann leider für hunderte Jahre verloren ging? Fragen, die meistens unbeantwortet bleiben, die aber den Gang über den Acker zu einer nicht nur matschigen, sondern zu einer faszinierenden Geschichte werden lassen können.
Moderne Varianten der Wald- und Flursuche wie Geocatching http://www.geocaching.de/ und Co beinhalten ebenfalls eine konzentrierte Suche, die Fundstücke allerdings sind von heute und müssen zuvor für die Nachfolger versteckt werden. Für Sondelgänger ist das keine echte Alternative.
Sondeln ist familienfreundlich: Die Suchgeräte sind auch für Kinder noch gut und bequem zu bedienen. Einsatzfreudige Sondeln sind hier schon ab einhundert Euro erhältlich. Wer dreihundert und mehr bezahlt, der bekommt Metallsuchgeräte die sogar Metalle unterscheiden können, also minderwertiges Metall ausschließen, die etwas tiefer suchen können, die präziser und punktgenauer anzeigen. Aber auch beim Gerät für einhundert Euro gilt: Jedes Mal wenn es piept, darf vorsichtig drauf los gegraben werden. Mit jedem Piep eine neue Hoffnung auf den Jackpot, auf das eine gut erhaltene Stück mit Seltenheitswert.
Wer schon einmal am Strand Urlaub gemacht hat, der kennt diese Sondler schon länger: Ursondler, oft ältere Herren, die sich erst in der Abenddämmerung ersondeln, was die Badegäste tagsüber im Sand verloren und nicht wieder gefunden haben. An einem gut besuchten Strand kommen da schon mal gute zweistellige Eurobeträge zusammen, denn runtergefallene Münzen verschwinden hier gerne mal auf Nimmerwiedersehen oder eben bis die Sondel kommt.
Mal von Schmuckteilen ganz abgesehen, die ebenfalls gerne beim Baden verloren gehen. Hier allerdings sollte der Finder vor dem Einstecken bitte schauen, ob ein verzweifelter Suchzettel aufgehängt wurde, weil das Erbstück im Sand verschwunden ist. Erst wenn das auszuschließen ist, darf das Fundstück in die heimische Vitrine zu den WK II Fundstücken, zu den keltischen Münzen oder was sonst noch ans Tageslicht kam um gereinigt und ggf. geölt hinter Glas zu landen.
Nun darf nicht verschwiegen werden, dass Sondeln in Deutschland an einigen Ecken eine zusätzliche Spannung verspricht, auf die man insbesondere in Kinderbegleitung besser verzichten sollte. Dann nämlich, wenn die Sondel über ehemaligen Gefechtsschauplätzen des Zweiten Weltkrieges fündig wird. Nun fliegen solche Hinterlassenschaften schon mal in die Luft, wenn Baggerschaufeln in Baugruben unvermittelt auf Munition stoßen. Weniger bekannt sind solche dramatischen Unfälle von Sondelgängern, die sich mit aller Vorsicht ein paar Zentimeter oder weiter in den Boden vorarbeiten. Prominente Verletzungs- oder gar Todesfälle sind gottseidank bis dato keine bekannt, aber Meldungen entsprechender kontaminierter Fundstellen sollten für Sondelgänger mit Verantwortungsgefühl auf jeden Fall obligatorisch sein, wie auch dieser zufällige Erfahrungsaustausch unter Freunden des Sondelns belegt.
Einen Grossteil seiner Popularität verdankt das Sondeln übrigens diversen Youtube-Kanälen. Liebevoll wie engagiert gemachte kleine Filme von passionierten Sondelgängern, die ihre Begeisterung, ihre Suche und Funde gerne mit anderen teilen wollen.
Abschließend noch ein paar Worte zur Rechtslage. Dafür befragen wir den Pressesprecher der Stadt Braunschweig, der sehr ausführlich mitteilt, was bei diesem fast schon epidemischen Hobby aus Sicht der Stadtväter zu beachten gilt, denn keineswegs darf man offiziell einfach einsacken, was einem unter die Sondel kommt.
Es wird sogar angeraten, wer losziehen will, der solle bei der Unteren Denkmalschutzbehörde doch bitte um Genehmigung ersuchen. Das sei, so der Pressesprecher, in jüngster Zeit auch häufiger passiert: „So gab es im vergangenen Jahr drei der im Link beschriebenen Beratungen. In Naturschutzgebieten ist außerdem zu beachten, dass die Wege grundsätzlich nicht verlassen werden dürfen. Funde sind auf alle Fälle mitzuteilen. Funde aus unerlaubten Suchen können im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens eingezogen werden.“
Der Hintergrund ist ebenfalls schnell aufgeklärt: „Für Schatzfunde (Schatz im Sinne des BGB ist eine Sache, die so lange verborgen gelegen hat, dass der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist) gilt grundsätzlich nach § 984 BGB, dass das Eigentum zur Hälfte von dem Entdecker und zur Hälfte von dem Eigentümer des Grundstücks erworben wird, auf welchem der Schatz verborgen war. Das Land Niedersachsen hat jedoch ergänzende Regelungen im Denkmalschutzgesetz getroffen. Danach ist für die Grabung oder die Suche mit technischen Hilfsmitteln nach Kulturdenkmalen, dazu gehören auch die Schätze im Sinne des BGB, eine Genehmigung der Denkmalschutzbehörde erforderlich.“
Wer trotzdem noch Lust hat, loszuziehen, schließlich braucht man für eine ruhige Angeltour auch einen Angelschein oder eine alternative Genehmigung, der möge beachten, dass jeder Gegenstand der mit dem Boden verbunden ist (oder im Boden verborgene Sachen oder Spuren von Sachen, die von Menschen geschaffen oder bearbeitet wurden oder Aufschluss über menschliches Leben in vergangener Zeit geben und an deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder städtebaulichen Bedeutung ein öffentliches Interesse besteht) als Bodendenkmal gilt. Diese Denkmäler gehen in der Regel „in den Besitz des Landes Niedersachsen über (Schatzregal)“.
Neben Ruhm und Ehre steht dem glücklichen Finder allerdings im Rahmen der verfügbaren Landesmittel eine Belohnung zu (§ 18 NDSchG).
Andere Bundesländer sollen andere Teilungen haben. Wir lernen also, sondeln ist Landessache. In Bayern beispielsweise soll noch ganz vernünftig Fifty-fifty geteilt werden, was in keinem anderen Bundesland so gehandhabt wird.
Eine größere Anzahl an Fundmeldungen gibt es deshalb aber auch in Bayern nicht. So sollen nach gut informierten Sondlerkreisen mittlerweile schon zuständige Ämter dazu übergegangen sein, potentiell Erfolg versprechendes Gelände zu „impfen“, als durch Ausschüttung von üppigen Mengen an Metallstückchen für den Sondelgänger unbrauchbar zu machen. Aber auch hier gilt wohl: Das hochwertigere Gerät nimmt auch diese Herausforderung gerne an.