Tichys Einblick
Zombies im Penny-Markt

Nena singt: Sonnige Apokalypse für Penny Bio-Produkte

Sängerin Nena ist jetzt Naturgut-Kampagnen-Botschafterin für Penny. Dazu noch ein überbelichteter Weltuntergangsfilm. Selten noch wurde die grüne Ideologie so erfrischend vorgeführt. Wenn auch unabsichtlich.

Screenprint: Youtube/Penny

Die Musikerin Nena nervig zu finden, war in den 1980er und 90er Jahren keine schwierige Übung. Die überdrehte und mit jedem Fernsehauftritt überschreitende Grenze hin zur Unnatürlichkeit Gabriele Susanne Kerners aus Hagen war tatsächlich eine irgendwie liebenswerte, aber doch viel öfter noch eine exaltierte Nervensäge. Aber wie lange ist das her? Drei oder vier Jahrzehnte? Heute liegt man nicht falsch, wenn man sagen würde, diese Nena sei so etwas wie deutsches Kulturgut geworden. Ihr Auftreten, ihre Musik und ihre Haltung zeichnen ziemlich genau ein Bild ihrer Zeit. Mit weltweit 25 Millionen verkauften Tonträgern zählt sie zudem zu den erfolgreichsten Künstlern der deutschen Musikgeschichte.

Nun war auch diese überdrehte bundesrepublikanische Vorwendezeit mit Deutscher Welle und Co irgendwann ausgelutscht, damals, als eine große Ernüchterung auch Nenas kometenhaften Aufstieg hinauf bis in die Top-Platzierungen in die US-amerikanischen Charts ein stück weit abbremste. Aber die Künstlerin erfand sich neu, suchte sich eine Nische, die in ihrer Bescheidenheit so gar nicht zu der vormaligen Scheinwerferlady zu passen schien, als Nena eine Reihe von CDs mit deutschen Volksliedern aufnahm und damit die deutschsprachigen Kinderzimmer eroberte.

Tatsächlich gelang es der Sängerin auf unaufdringliche Weise und mit ihrer davor oft so nervig hingehauchten Stimmlage, den angesammelten Staub vom deutschen Liedgut hinweg zu pusten. Wer zusammen mit seinen Kindern zum Einschlafen Nenas „Komm lieber Mai“ oder „In meinem kleinen Apfel“ in den Kassettenrekorder getan hatte, der konnte nicht anders, als die nicht mehr so taufrische Hagenerin ins Herz zu schließen.

In meinem kleinen Apfel,
da sieht es lustig aus,
es sind darin fünf Stübchen
grad wie in einem Haus.

Nun soll der Apel nicht weit vom Stamm fallen. Und was uns Nena nun gegenwärtig in ihrer dritten Schaffensperiode vorsetzt, das ist zumindest eines: Irgendwie stringent. Oder böser: Eine Mischung aus Apfelhaus und diesem manischem Wahnsinn der 1980er Jahre. Die Rede ist von einer Zusammenarbeit der Dauerjugendlichen, fast 60-jährigen mit dem Billigdiscounter Penny. Oder nein, die Partner bestehen darauf, dass Nena nicht mit Penny, sondern alleine mit der Öko-Produktlinie „Naturgut“ verheiratet wurde. Hier wollen wir nun das Hochzeitsvideo besprechen, das in vielerlei Hinsicht bemerkenswert ist.

Der Werbefilm für diese Zusammenarbeit mit Nena wird zum Auftakt hin zu einem Generationenwechsel. Zu einer Wachablösung, wenn Janoschs „Günter Kastenfrosch“ sich auf das „Naturgut“-Altenteil zurückzieht und besagte Nena übernimmt. Die Pop-Sängerin wird Werbebotschafterin der von der Werbeagentur Serviceplan entwickelten Kampagne.

In voller Länge wirkt der Werbefilm wie extrahiert aus einem Musical für Aussteiger. Für das Marketingmagazin Horizont könnte der Film problemlos „als große Schlussnummer eines Musikfilms dienen“. Und wer sich mit Millionen anderer begeisterter Cineasten an Francis Lawrences Hollywood-Meisterwerk „I Am Legend“ erinnert, der erkennt die Inspiration der Werbefilmmacher beim von Penny und Serviceplan beauftragten „Tony Petersen Film“.

Nun ist „I Am Legend“ mit Will Smith in der Hauptrolle allerdings ein dystopischer Endzeit-Science-Fiction-Thriller, ein Remake des Klassikers „Der Omega-Mann“ von 1971 mit Charlton Heston in der Hauptrolle. Heston spielte damals einen der wenigen Überlebenden in einer gespenstischen Großstadtwelt, in der die Menschen zu Mutanten geworden sind, gegen die es sich zu verteidigen gilt. In der modernen Version mit Will Smith muss sich der Virologe Robert Neville ebenfalls als zunächst vermeintlich letzter Mensch in New York City gegen eine nur Nachts auftretende Horde zombieartiger Wesen wehren.

Bei Penny sehen die Menschen rund um Nena gar nicht so zombieartig aus. Dafür ist das, was man gemeinhin für Zivilisation hält, ziemlich im Eimer. Die Natur hat sich die Großstadt zurückgeholt, alles ist überwuchert und irgendwie verkommen, die Menschen beschäftigen sich mit basischem Überlebenstraining und habe trotzdem noch jede Menge Spaß dabei, in einem riesigen Kürbis zwischen Hochhäusern zu wohnen oder mit einem Vincent van Gogh Widergänger in einem Sonnenblumenfeld gemeinsam mit Bienen zu fliegen.

Das Werbebranchenmagazin Horizont schreibt weiter: „Dabei lebt der als Öko-Märchen gestaltete 95-Sekünder nicht nur von dem Sound des mit einem Sinfonieorchester und Chören eingesungenen Songs „It’s a fine day“, sondern auch von vielen kleinen Details in der Handlung.“

Wie süß-säuerlich, wie sirenenartig, wie künstlich das allerdings alles klingt ist hier nicht erwähnt und erinnert tatsächlich an dieses ungute Bauchgefühl früher Nena-Auftritte aus einer anderen Welt, damals, als Öko und Bio noch heimlich in düsteren Hinterzimmerläden mit selbst gezimmerten Kiefernholzregalen stattfand oder offizieller im Reformhaus.

Aber was soll das nun sein? Eine Art Hinweis darauf, dass die immer erfolgreicheren Penny-Bio-Produkte aus Farmen im Urban Gardening stammen sollen? Der Penny-Claim für die beworbenen Produkte der Naturgut-Linie lautet „Natürlich für alle“. Und die Aufforderung des Discounters heißt weiter: „Besuchen Sie unsere Botschafterin Nena und tauchen Sie in die grüne Welt von Naturgut ein!“
2014, als aus Naturgut neue Bio-Marke bei Penny wurde, schrieb der supermarktblog fast schon mit prophetischem Blick auf eine damals noch nicht bei Penny gebuchte Nena:

„Sie kennen das vielleicht von entfernten Verwandten, die schon länger nicht mehr zu Besuch waren und beim Wiedersehen nach Jahren plötzlich trotz fortgeschrittenen Alters flippige Glitzerklamotten aus dem Designeroutlet tragen oder den alten Kombi gegen einem aufgemotzten Sportwagen eingetauscht haben. Ungefähr in dieser Phase steckt Penny gerade.“

Was nun allenfalls an diesem fröhlichen I-Am-legend-Horror gerade noch fehlt sind Robert Habeck und Claudia Roth, untergehakt bei Nena, wenn die durch zugewucherte Straßenschluchten wandelt, wo Menschen wieder wie im Mittelalter versuchen, dem städtischen Beton ein paar Möhren abzuringen. So, als befänden wir uns in einem Trailer zur Kinderaufklärungssendung Löwenzahn, wo selbiges Unkraut immer so schön durch den blöden Asphalt brechen und symbolisieren sollte, dass sich die Natur ihr Land zurückholt. Die urbane Kulisse verwandelt sich in eine fruchtbare und grüne Idylle?

Nicht wirklich, selbst diesem schräg geratenen Werbefilm mit Nena gelingt es nicht, diese „I Am Legend“ Anmutung aus dem Kopf zu bekommen, dieses Gefühl: Und Nachts kommen die Zombies – sie warten nur hinter den in grelles Sonnenlicht getauchten Kulissen dieses sektenhaften Ökowahnsinns. Das Ende der Jetztzeit. Der Beginn de Dekonstruktion der faktischen Welt.

Stefan Magel, der verantwortliche Manager des operativen Geschäftes bei Penny erklärte gegenüber Horizont: „Mit Nena haben wir nun eine authentische Botschafterin gefunden, mit der uns eine breite Wertebasis verbindet. Wir haben viel Herzblut in die aufwändige und multimediale Kampagne gesteckt.“

Aber welche Wertebasis sollte das sein? Die von Habeck und Roth? Nun ist der Greifreflex auf Nahrungsmittel aus den Ernährungstrends biologisch, regional“ und vegetarisch/vegan in den letzten Jahren immer größer geworden.

Was bleibt, ist allerdings die Erkenntnis, dass die Welternährung noch weit davon entfernt ist, sich biologisch ausrichten zu können. Immer mehr Menschen auf dem Planeten benötigen ausreichend Nahrung und noch fehlen die echten Ideen, wenn Bio-Landbau bezogen auf die von ihr genutzten Flächen deutlich ertragsärmer bleibt. Natürlich, wenn ein Virus einen Grossteil der Menschheit ausrotten würde wie in „I Am legend“, dann könnte es klappen, wenn da nur nicht diese gruseligen Zombies wären. Und nach Ansicht dieses Werbefilms fragt man sich, ob diese Untoten nicht gerade im hellen Sonnenlicht und singend durchs Bild marschiert sind.

Aktuell kauften die Deutschen für über zehn Milliarden Euro Bio-Lebensmittel- und Getränke ein. Und wer einmal den Test gemacht hat und erst eine konventionelle und dann eine Bio-Möhre gegessen hat, der schmeckt auf eindrucksvolle Weise, warum das so ist. Nun ist für die, die keine haben, eine Möhre besser als keine Möhre. Unabhängig vom Geschmack. Bio bleibt nach wie vor ein Nischenprodukt, wer sich noch gesünder ernähren will und ungünstig wohnt, der muss sich auf den Weg machen. Aber die Wege werden kürzer: Das Naturgut-Angebot von Penny ist da sicher hilfreich und die Preise stimmen auch.

Aber bitte: Nicht singen beim Einkaufen. Schon schlimm genug, dass der Supermarkt Penny seit einigen Jahren auch noch einen eigenen Radiosender hat, der Kunden und Mitarbeiter von der Eingangstür bis in den Kassenbereich beschallt. Käme da nun noch dieses schrill bis irre „It’s a fine day“, vorgetragen von der Naturgut-Kampagnen-Botschafterin Nena hinzu, es würde an Körperverletzung grenzen.

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