Tichys Einblick
Maultaschen in Hausmacherqualität

Im Maultaschenparadies – die Stuttgarter Markthalle

Stuttgart rühmt sich, über die schönste Markthalle Deutschlands zu verfügen. Zumindest architektonisch könnte der Superlativ gerechtfertigt sein. Auch wenn die Innenstadt etwas trist wirken kann, verströmt die Markthalle ein wenig französisch anmutendes Savoir-vivre. Von Georg Etscheit und aufgegessen.info

Die 1912 im Jugendstil erbaute und 1914 eröffnete Stuttgarter Markthalle steht heute unter Denkmalschutz und zählt zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt Stuttgart

picture alliance / imageBROKER | Markus Keller

Schwaben gelten als geizig, als die Schotten Deutschlands gewissermaßen. Das gilt allerdings nicht fürs „heilige Blechle“, den fahrbaren Untersatz, und auch nur eingeschränkt für Speis’ und Trank. Die Bewohner des Schwabenlandes sind nämlich ein durchaus verfressenes Völkchen, sie lieben ihr Schöpple Trollinger von den Hängen des Neckars, ihren Zwiebelrostbraten mit Spätzle und ihre Maultaschen. Und je weiter man nach Südwesten vordringt, umso mehr ähnelt die Esskultur im Ländle der des nahen Elsass, wobei wir es da aber eigentlich schon mit den noch einen deutlichen Tick verfresseneren Badenern zu tun haben.

In Stuttgart, der oft als „Schwabenmetropole“ apostrophierten baden-württembergischen Landeshauptstadt findet sich, nicht zuletzt wegen der immer noch ansehnlichen Kaufkraft, eine vielgestaltige kulinarische Landschaft mit immerhin einem Zweisterne- und sieben Einsterne-Restaurants und etlichen gediegenen Gasthäusern. Außerdem rühmt sich die Stadt, über die schönste Markthalle Deutschlands zu verfügen.

Zumindest architektonisch könnte der Superlativ gerechtfertigt sein, denn bei der 1914 eingeweihten Halle direkt im Stadtzentrum handelt es sich um einen qualitätsvollen Jugendstilbau, der sich mit seinen Arkaden, Erkern und Türmchen harmonisch in die seinerzeit noch intakte Stuttgarter Altstadt einfügte, während das Gebäudeinnere mit seiner großen, von Stahlbetonträgern überspannten Halle und einem Glasdach für die damalige Zeit sehr modern konzipiert war. Im Krieg stark beschädigt, erstrahlt die Halle längst wieder im alten Glanz und ist beliebter Anlaufpunkt von Feinschmeckern und Profigastronomen aus Stuttgart und Umgebung.

Auf 5000 Quadratmetern Verkaufsfläche verteilen sich die 33 Marktstände auf zwei Etagen. Von Fleisch, Fisch, Käse, Brot und Patisserie, Feinkost, Obst und Gemüse, Wein, Spirituosen und Gewürzen bis hin zu einer ansehnlichen Auswahl an Ethnofood bietet die Stuttgarter Markthalle alles, was das Herz des Feinschmeckers begehrt. In drei gastronomischen Betrieben kann man sich auch vor Ort verköstigen. Auch wenn die Stuttgarter Innenstadt, vor allem bei Schmuddelwetter, etwas trist wirken kann, verströmt zumindest die Markthalle ein wenig französisch anmutendes Savoir-vivre.

Hervorzuheben ist der Stand der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall, Pionier der nachhaltigen Schweinezucht auf Basis alter Tierrassen. Klassiker im Angebot sind die Schwäbisch-Hällischen Maultaschen, die sich durchaus mit Maultaschen in Hausmacherqualität messen können. Die Bottega del Tartufo offeriert alles rund um die teure Knolle und verfügt nach eigenen Angaben über eigene „Trüffeljäger“ in Italien, was Schutz vor den leider weit verbreiteten Trüffel-Fälschungen bieten soll. Ein echter Traditionsstand ist Feinkost Ragoßnig, wo man unter anderem den berühmten Filder Weißkohl findet, aber auch allerlei exotische Obst- und Gemüsesorten, außerdem Gewürze und einige Grundnahrungsmittel in Bioqualität.

Eine Besonderheit ist der Markthallenstand von Feinkost Böhm. Der Stuttgarter Traditionsbetrieb wurde 1889 gegründet und galt schon im einstigen Königreich Württemberg als Topadresse für Delikatessen. 2006 wurde das Haus von der Unternehmerfamilie Piëch, Miteigentümer des VW-Porsche-Konzerns, übernommen und findet sich heute im neu gebauten Kronprinzenbau in der Stuttgarter Königsstraße, der bekanntesten Einkaufsmeile der Stadt. Ein Beweis dafür, dass Autos nicht nur, wie grüne Autohasser immer sagen, die Luft verpesten und das Klima ruinieren, sondern auf Umwegen auch kulinarischen Zwecken dienen können.


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