Erst vor gut 20 Jahren kam mit dem „Stein der Weisen“ der erste von insgesamt acht Filmen über den Zauberschüler Harry Potter ins Kino. Jetzt hat Warner Bros. Discovery eine Neuverfilmung angekündigt. Als Serie. Vor allem für das hauseigene Streaming-Portal „HBO Max“. Die kommerzielle Zugkraft dürfte den wichtigsten Anreiz für den Konzern darstellen. Allein der erste von acht Filmen spülte weltweit knapp eine Milliarde Dollar in die Kinokassen.
Doch auch künstlerisch ist das Projekt durchaus interessant. Das liegt ausschließlich an der Autorin der sieben Bücher, die als Vorlage für die Filme dienten – und nun auch für die Serie: J.K. Rowling. Schon in den Romanen ist zu spüren, dass die Autorin deutlich mehr über ihre Figuren weiß, als sie niedergeschrieben hat. Selbst Nebenfiguren wie Harrys erstes Date Parvati Patil, der Hauself Dobby oder das Gespenst „Der Fast Kopflose Nick“ bekommen so eine eigene Tiefe.
Solchen Episoden soll die neue Serie nun Raum bieten. Warner Bros. Discovery will sich nach eigenen Angaben an den Büchern orientieren, sodass jedes Schuljahr einer Staffel entspricht. Schon die Romane waren so aufgeteilt, dass jeder Band ein Schuljahr darstellte. Die neue Adaption erlaube „einen Grad an Tiefe und Detailreichtum“, den nur eine Fernsehserie ermögliche, sagt die Autorin. Zwar hatten die Filme Rowling endgültig reich gemacht. Doch sie äußerte immer wieder milde Kritik, wenn die Verantwortlichen erzählerische Kompromisse machten. So sei halt Film. Auch der Darsteller des Severus Snape, Alan Rickman, beklagte in seinen Tagebüchern das abflachende Niveau der Filme. Vor allem in den letzten vier Filmen der Reihe unter dem Regisseur David Yates.
Während Rowling an den Kinofilmen nur als Beraterin beteiligt war, hat Warner Bros. Discovery sie für die Serie als ausführende Produzentin verpflichtet. Künstlerisch eine absolut sinnvolle Entscheidung. Nur Rowling verfügt über das Wissen über die Figuren, die Zaubereischule Hogwarts oder die Historie dieser Zaubereiwelt, das der Serie einen Mehrwert gegenüber den Blockbuster-Produktionen fürs Kino verleihen kann.
Politisch geht Warner Bros. Discovery mit Rowling ein Risiko ein. Die Autorin wird in großen Teilen der Medien mit dem Beiwort „umstritten“ tituliert. Das soll ausdrücken, dass sie etwas gesagt hat, was der Ideologie dieser Medien und ihrer Anhänger nicht passt. Aus Sicht von Rowling geht es um Frauenrechte. Die Autorin wurde selbst Opfer von körperlicher und sexueller Gewalt. Auch deshalb setzt sie sich für den Erhalt von Schutzräumen für Frauen ein. Zum Beispiel Frauenhäuser oder seperate Gefängnisse für Frauen.
Als Frauenrechtlerin attackieren die „Aktivisten“ fortlaufend Rowling. Sie sieht sich Schmähungen ausgesetzt – bis hin zu öffentlichen Morddrohungen gegen sie und ihre Familie. Alles im Namen der Liebe, der Selbstbestimmung und des Kampfs für die Würde des Menschen. Durch die unkritische Stigmatisierung „umstritten“, zu der die Mehrheit der Medien greift, springen auch viele Mitläufer auf den Zug auf und erklären Rowling zur Persona non grata, die es mit Boykotten zu überziehen gelte. Seitdem führen Fans, die ihre Lieblingsfigur nicht aufgeben wollen, intellektuelle Eiertänze auf, um Harry Potter von seiner Schöpferin zu trennen.
Das führt zu absurden Resultaten: Innerhalb der Potter-Reihe hat Rowling das Spiel Quidditch erfunden. Die Zauberer spielen diese Variante von Basketball auf fliegenden Besen. Im Zuge der Boykotte gegen Rowling distanzierte sich der Quidditch-Verband – ja, so etwas gibt es wirklich – von der Autorin. Der im realen Leben ausgetragene Sport wolle künftig nichts mehr mit seiner Schöpferin zu tun haben. Als ob es dabei nicht um Männer gehe, die eine Kinderbuch-Phantasie auslebten – sondern um Heroen, die dem natürlichen Drang nachkämen, Ballsport mit einem Stock zwischen den Beinen zu betreiben.
Schon diese Anekdote zeigt, wie unsinnig und aussichtslos der Versuch ist, Harry Potter von seiner Schöpferin trennen zu wollen. Und wie stark der Bann ist, in den die Autorin Menschen zieht, die sie gleichzeitig aus Überzeugung oder Opportunismus boykottieren wollen. Letztlich laufen diese Versuche auch kommerziell ins Leere. Die letzte große Kampagne gab es, als das Computerspiel „Hogwarts Legacy“ erschien. Die „Aktivisten“ schäumten vor Wut, die Mitläufer liefen fleißig mit und die üblichen Verdächtigen unter den Medien überzogen Rowling mit Schmutz, Halbwahrheiten oder mindestens dem Totschlag-Wort „umstritten“.
Mit wenig Erfolg. Weltweit wurde das Computerspiel 12 Millionen Mal verkauft. Alleine in Deutschland 600.000 Mal. Ähnlich gute Zahlen darf sich nun auch Warner Bros. Discovery versprechen, wenn die Potter-Serie auf den Schirm kommt. Denn mittlerweile hat sich als Qualitätssiegel durchgesetzt: Wenn woke Aktivisten und woke Medien gegen ein Produkt sind, dann ist das Produkt gut.