Der neuseeländische Produzent Jack George entschied sich 1982, eine Kinderserie zu machen. Er wollte immer schon mal einen Piratenfilm drehen und die Weihnachtsserie des ZDF war seinerzeit die einzige Chance, ausreichend Geld für eine solche Idee zu generieren. Aus dieser Kooperation entstand „Jack Holborn“, die vierte der hoch beliebten Weihnachts-Sechsteiler für Kinder. Anna, Silas oder Timm Thaler waren andere große Erfolge.
Jack Holborn war Premiumware: Hochglanzoptik. Schauplätze wie das vorindustrielle Bristol oder die Elfenbeinküste regten die Phantasie an. Die Handlung führte einen chancenlosen Waisenjunge auf die See, trieb ihn in Piratenkriege, ließ ihn durch die afrikanische Wildnis streifen, eine Sklavenauktion torpedieren und einem vermeintlichen Kapitän drei Mal das Leben retten. Großes Kino – für die Flimmerkiste – zwischen Weihnachten und Silvester. Erzählt in nur 55 Minuten langen Episoden.
Doch, das ZDF hat eine große Vergangenheit. Niemand kann das leugnen.
Heute ist das ZDF ein Bällebad für Senioren. Ein Sender, der seine Existenberechtigung daraus ableitet, am meisten Zuschauer vor dem sterbenden Medium zu versammeln. Dem dafür jedes Mittel recht ist: Sport-Marathon-Übertragungen aller Art. Shows, die den Musikgeschmack aus den Gründungstagen des ZDF abbilden. Und Filme, in denen sich die junge Frau in den falschen Mann verliebt, am Ende aber den richtigen nimmt. Vor malerischer Kulisse.
Wobei es da einen kleinen neuen Trend gibt: Mittlerweile ist es der Transmensch, der sich zuerst in das Falsche verliebt, aber dann das Richtige nimmt. Die Politiker in den Aufsichtsgremien wollen das so. Weil das ZDF ja so schrecklich staatsfern ist, macht es das dann halt. Und ist somit ein diverser Storyteller gefangen im Körper eines altbackenen Erzählonkels. Vor malerischer Kulisse.
Auf der Höhe seines Schaffenskraft war das ZDF in den 80er Jahren, da war es selbst Anfang, Mitte 20. Einem Alter, in dem auch der Mensch in der Regel am leistungsfähigsten ist. Mit den Drombuschs, Wetten dass …? und der Schwarzwaldklinik schuf es seine Ikonen. Mit „Ich heirate eine Familie“ zeigte der Sender, dass es möglich ist, eine moderne Gesellschaft auch unterhaltsam, statt mit erhobenem Zeigefinger darzustellen. Doch, doch, doch. Das ZDF hat eine große Vergangenheit. Niemand kann das leugnen.
Und was ist daraus geworden? Das ZDF gliedert die jungen Zuschauer in den Spartensender ZDF „Neo“ aus, degradiert diese Experimentierfeld dann aber zur Abspielplattform für uralte Konserven – wie Monk, Schwarzwaldklinik, Ich heirate eine Familie und das Traumschiff. Kramt als Innovation Wetten dass …? wieder aus und präsentiert dann die 70er Jahre Band Abba als Stargast. Ist damit aber noch lange nicht so altbacken wie die Giovanni Zarrella Show, die demonstriert, wie alt etwas Neues aussehen kann – und damit ist noch nicht einmal ihr Stargast Howard Carpendale gemeint. Auch wenn niemand das ZDF zu seinem 60. Geburtstag zwingt, ausschließlich Sänger einzuladen, die (fast) von Anfang an dabei waren.
Im Dokumentationsbereich hat das ZDF einst Maßstäbe gesetzt. Zum Beispiel Guido Knopp. Als er anfing, brachte er Zuschauern Geschichte in einer offeneren und dem Publikum gerechteren Form näher als bis dorthin üblich. Allerdings auch mal in längeren Formaten. Zuerst ist ZDF History eine Clipshow für die immer gleichen Anekdoten geworden, dokumentiert in den immer gleichen Bildern, aber dafür in immer neu zusammengestellten Mixturen. Wenn sich das ZDF Geschichtsformaten in der Reihe „Terra X Histroy“ widmet, gilt das ungeschriebene Gesetz, dass jeder dritte Satz auf die Ähnlichkeiten zwischen alten Rechten und neuen Rechten anspielen muss. Historiker gefangen im Körper eines grünen Kreispressesprechers.
Wer im ZDF nach Innovation sucht, muss ins Nachtprogramm gehen. Dort findet er dann Subventionskino. Die cineastische Verlängerung der Infantilitätsphase von Helikopterelternkindern, psychologisch so suchend wie handwerklich hilflos in Szene gesetzt. Selbst auf ZDF „Neo“ läuft das nur im Nachtprogramm. In der Hoffnung, dass die Bällebad-Stamm-Zuschauerschaft dann schon im Bett liegt.
Wenn das ZDF innovativ ist, dann am ehesten mit seinem Niveau-Papst Jan „Sche***aufen“ Böhmermann. Der probiert – doch, doch, das kann man ihm nicht absprechen – wenigstens neue Formate aus. Allerdings heißt innovativ sein, nicht immer gleich gut sein. Betamax zum Beispiel, galt auch mal als innovativ. Konnte sich aber nicht durchsetzen gegen VHS. Das mittlerweile faktisch auch vom Markt verschwunden und vergessen ist. Ein Schicksal, das mit der Böhmermannschen Hetze noch gnädig umgegangen sein würde. Wenn das ZDF seinen 120. Geburtstag feiert, wird es kaum zu einer Clipshow kommen mit alten Beiträgen von Jan Böhmermann statt mit alten Beiträgen von Größen wie Hans Rosenthal oder Wim Thoelke.
Sollte es überhaupt zum 120. Geburtstag kommen. Denn Fernsehen ist tot. Die Kreativabteilung vom ZDF töter zu nennen, wäre grammatikalisch falsch, inhaltlich richtig wäre es indes, töter künftig mit Kreativabteilung des ZDF zu umschreiben. Der Sender ist inhaltlich ausgelaugt. Ein willfähriger Erfüllungsgehilfe grüner Poltik gefangen im Körper eines ausgelaugten Erzählonkels. Um dem Elend ein schnelles Ende zu setzen: Schafft das ZDF ab.