Es kommt eben doch auf Qualität und nicht auf Quantität an: Hinter der demokratischen Kandidatin Kamala Harris hatten sich zuletzt im Krieg der Milliardäre eine ganze Reihe prominenter Vertreter gesammelt, ob nun Microsoft-Gründer Bill Gates, Finanzunternehmer Michael Bloomberg oder die Witwe von Apple-Chef Steve Jobs, Laurene Powell Jobs. Forbes zählte 83 Milliardäre, die die Kampagne der Democrats-Kandidatin unterstützten und insgesamt 1,6 Milliarden Dollar sammelten. Bei Trump waren es lediglich 1,1 Milliarden Dollar von 52 Milliardären. Hier entfiel das Gros der Spender vor allem auf zwei Männer: den Geschäftsmann Timothy Mellon und Elon Musk.
Man muss nicht das Narrativ linker Medien bestärken, die Musk eine Position als Puppenspieler unterstellen, der in Wirklichkeit nichts weniger als die Herrschaft über die USA und möglicherweise die ganze Welt will. Was aber richtig ist: Dieser Wahlsieg war auch ein Sieg für den Multimilliardär, der nicht nur sein Vermögen, sondern auch seinen Ruf in die Waagschale legte, als er Twitter kaufte und es in X umwandelte. Früher von den Progressiven bewundert, gilt er nunmehr als ein noch größeres Feindbild, als es Donald Trump jemals war. Ein Musk wiegt dann doch mehr als ein Gates und ein Bloomberg zusammen.
Dass mit Twitter/X einer der Platzhirsche der Medienbranche an Musk fiel, war eine herbe Niederlage für die politische Linke und ihre medialen Vertreter. Sie war verheerender, als der vorherige Einzug von Joe Biden ins Weiße Haus wettmachen konnte. Mit X wurde Musk endgültig zu einem Phänomen, an dem man nicht vorbeikam. Während Facebook-Chef Mark Zuckerberg ängstlich vor den Zensurvorgaben zusammenzuckte und an den Schutz seines Vermögens dachte, zeigte Musk unternehmerischen Geist, indem er ein Risiko einging, das tatsächlich an einstige Tycoons und Visionäre erinnern lässt, wie sie die US-Geschichte mit Cornelius Vanderbilt und Howard Hughes hervorgebracht hat. Das waren Charaktere, die erfolgreich wie umstritten waren.
Musk ist endgültig in ihre Fußstapfen getreten und damit ein durchweg anachronistisches Phänomen, das eher den faustisch-strebenden Geist des 19. Jahrhunderts atmet denn die eher müde gewordene westliche Zivilisation, die sich in antriebsloser Dekadenz eingerichtet hat. Musk hält an der abendländischen Devise des „ad aspera ad astra“ (durch die Dunkelheit zu den Sternen) fest, wobei Letzteres angesichts seiner Marskolonie-Pläne wortwörtlich zu verstehen ist.
In der Nacht vom 5. November hat damit nicht nur Trump, sondern auch Musk triumphiert. Das Risiko hat sich gelohnt. Und es hat der Welt nicht nur vorgeführt, dass ein einzelnes Individuum heute immer noch etwas bewirken kann. Es hat gezeigt, dass es zwei Realitäten gibt, und die von Musk aufgewiesenen Realitäten tatsächlich der Wahrheit entsprechen und der Rest als konstruiertes Kartenhaus zusammengefallen ist. Die Musk-Realitäten sind diese: Vielleicht sind es nicht die Quantitätsmedien, die glaubwürdig sind, sondern Formate wie X. Womöglich liegt Polymarket bei der Prognose des nächsten US-Präsidenten richtiger als Meinungsforschungsinstitute. Und möglicherweise ist Bitcoin doch eine bessere Anlage als behauptet.
Das ist alles schwer verdaulich, folgt man dem hegemonialen Narrativ, demnach X eine Desinformationsplattform rechter Trolle ist, die reguliert werden muss, während man nur über etablierte Medien verlässliche Informationen erhält. Dass Elon Musk durch seine Parteinahme den Trump-Sieg mitermöglicht hat, steht außer Frage. Aber nicht durch Manipulation. Sondern weil auf dem Marktplatz von freiem Austausch und freier Rede die Wahrheit ihren Weg findet, und nicht mithilfe von durchregulierten und auf Linie gebrachten Presseorganen, Meldestellen oder einem Thierry Breton.
Musk hat es geschickt verstanden, sich zum Advokaten der Meinungsfreiheit zu machen und mit dem Trump-Sieg einen Sieg für sein eigenes Portal zu deklarieren. Dieser Nimbus wird ihn einige Zeit begleiten – auch bei seinen politischen Vorhaben. Das Vertrauen in Musk ist unter Anhängern und Verbündeten enorm. Die von Medien und Politikern durch Narrative konstruierte Welt bröckelt dagegen.
Deshalb ist Musk auch eine Hypothek für Donald Trump. Den Einfluss des SpaceX-Visionärs kann man daran erkennen, dass er zusammen mit Familienmitgliedern des Trump-Clans auf dem Siegerfoto posierte. Nach Aussagen von Trump soll Musk Teil der Regierung werden. Musk sprach spaßeshalber von einem Department of Government Efficiency (DOGE) in Anspielung auf eine Kryptowährung. Er wolle 2 Billionen Dollar Ausgaben im Bundeshaushalt einsparen.
Es bleibt jedoch eher unwahrscheinlich, dass Musk eine offizielle Funktion in einem Kabinett einnimmt. Das schließt nicht aus, dass Musk eine Berater-Position einnimmt. Doch die Position als X-Guru ist derzeit eine deutlich mächtigere Position. Trump sollte sich auch dafür bereithalten, dass Musk auf dieser die Wählerschaft vor sich hertreiben kann, wenn die Regierung in eine Richtung gehen sollte, die nicht seinen Erwartungen entspricht. Musk ist kein überzeugter Republikaner. Er hat nach eigenen Angaben noch 2020 Joe Biden gewählt. Und davor Hillary Clinton.
Im Jahr 2021, ein Jahr vor der Twitter-Übernahme, hat Biden jedoch Musk desavouiert. Der amtierende US-Präsident lud zu einem großen Autogipfel alle bedeutenden amerikanischen Marken nach Washington. Mit einer Ausnahme: Tesla. Ein Grund, so lautet die Spekulation, waren die beim Autogipfel geladenen Gewerkschaften, die eine tiefe Abneigung gegen Musk hegen.
Trump muss also darauf achten, dass er es sich nicht mit dem Tech-Milliardär verscherzt. Der erreicht mit seinem hauseigenen Medium potenziell Milliarden von Menschen. Derzeit folgt Trump dem Musk-Vibe. Etwa, wenn er zum 250. Geburtstag der Vereinigten Staaten im Jahr 2026 einen „Great American State Fair“ ankündigt, was wiederum an die Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts erinnert. Vielleicht lässt Musk zum Jubiläum auch ein paar Raketen starten. Nicht als Feuerwerk, sondern als Marsmission.
Wie Musks Meinung im umgekehrten Fall Einfluss auf Politik und Weltöffentlichkeit nimmt, hat der SpaceX-Chef erst vorgestern gezeigt. Da war einerseits ein Telefonat mit Giorgia Meloni, das zeigte, wie ideologisch ähnlich aufgestellte Verbündete als Empfehlungskontakt weitergereicht wurden. Da war andererseits der Spott über Bundeskanzler Olaf Scholz. „Olaf ist ein Narr“, schrieb Musk auf Deutsch. Die ganze X-Welt lacht seitdem über den deutschen Bundeskanzler. Und Musk legte nach: „Ich bin für eine funktionierende Demokratie, das Volk soll bekommen, was das Volk will!“ Er bezog sich damit direkt auf einen Post, der die Verzögerung von Neuwahlen in Deutschland zum Thema hatte.
Von Machiavelli stammt das Bonmot: Noch nie wurde etwas Großes ohne Gefahr erreicht. Deswegen strahlt Musks Stern so hell: Er siegt in einer Welt, in der Verantwortung und Risiken delegiert werden, in der niemand mehr geradesteht, in der man sich aus Feigheit und Bequemlichkeit duckt. Er hat öffentlich gesagt, dass er nicht an Macht und Geld interessiert ist – verständlich, davon hat er genug. Der Wille, nicht unter allen Umständen gefallen zu wollen, macht ihn charismatisch. Im Gegensatz etwa zu einem Zauderer Friedrich Merz, der nicht das Momentum begreift, sondern vor der eigenen Courage zittert, während selbst ein meilenweit entfernter Tech-Milliardär sich kämpferischer gibt.
Damit entspricht Musk dem Ideal von Machiavellis uomo virtuoso. Für einen Herrscher sei es besser, draufgängerisch denn bedächtig zu sein. Fortuna müsse man schlagen und stoßen, um sie zu unterwerfen. Die eigene Tatkraft formt Geschichte. Aut Caesar, aut nihil.