Tichys Einblick
Achtung, Glosse!

Wissings Strategie fürs Fußvolk

Die Ampel will, dass mehr Menschen zu Fuß gehen. Kein Scherz. Dafür berät das Kabinett gerade über eine „Nationale Fußverkehrsstrategie“. Auch kein Scherz. TE veröffentlicht weltexklusiv den Mitschnitt eines vertraulichen Gesprächs im Verkehrsministerium über die neuen Pläne.

picture alliance / dpa-Zentralbild | Stephan Schulz

Volker Wissing (FDP), Bundesverkehrsminister:„Schlemmer!“

Hanns Lothar Schlemmer (parteilos), Abteilungsleiter im Bundesministerium für Digitales und Verkehr: „Ja, Herr Minister…?“

„Was ist das für ein Entwurf auf meinem Tisch?“

„Das ist die neue Nationale Fußverkehrsstrategie.“

„Klingt obszön. Wozu brauchen wir das?“

„Zur Ablenkung. Und um den Hofreiter zu beschäftigen.“

„Lebt denn der alte Hofreiter noch, Hofreiter noch, Hofreiter noch?“

„Leider ja.“

„Armer Kerl. Eiskalt abserviert von seinen grünen Genossen. Sozusagen umweltverträglich endgelagert, hahaha…“

„—“ (Schlemmer schweigt)

„(Räusper) Wieso müssen wir den beschäftigen?“

„Er will immer noch Minister werden anstelle des Ministers. Weil Herr Habeck und Frau Baerbock keine Lust auf einen Dritten im Bunde hatten, haben die beiden in den Koalitionsverhandlungen nach der letzten Bundestagswahl ja Ihnen den Job gegeben, der ihm fest versprochen worden war. Seitdem tut er etwas für Abgeordnete ansonsten sehr Unübliches: Er kontrolliert unsere Arbeit.“

„Wie lästig. Kann er uns denn so gefährlich werden, dass wir Gegenmaßnahmen ergreifen müssen?“

„Als erfahrener Verkehrspolitiker ist er ganz gut darin herauszufinden, was das Ministerium so tut. Wenn das öffentlich wird, sieht es nicht gut aus.“

„Was hat er herausgefunden?“

„Nichts, Herr Minister.“

„Verstehe. Aber wie hilft uns dabei dieses Nationale Fußverkehrsdings?“

„Politische Kommunikation. Wir identifizieren eine neue benachteiligte Opfergruppe: die Fußgänger. Wir entwerfen einen Plan, um diese armen Menschen aus ihrer Misere zu erlösen. An Diskriminierungen kommt Hofreiter nicht vorbei, sonst lynchen sie ihn bei den Grünen. Also muss er sich damit befassen – und hat weniger Zeit, sich die Zustände bei der Deutschen Bahn anzusehen.“

„Großartig, Schlemmer. Aber kriegen wir für den Plan in der Koalition auch eine Mehrheit? Das sähe ja sonst blöd aus, wenn wir erst etwas ankündigen und es dann nicht durchkriegen…“

„Herrn Lindner stört das nie.“

„Stimmt auch wieder. Was steht in dem Plan?“

„Was man halt bei Google zu dem Thema so findet: Kein Verkehrsmittel benötigt so wenig Platz und Energie wie der Fußverkehr. Außerdem ist er praktisch emissionsfrei.“

„So habe ich das noch nie gesehen. Da bekommt das Wort ‚Fußvolk‘ eine völlig neue Bedeutung, hahaha…“

„—“ (Schlemmer schweigt)

„(Räusper) Verpflichtet der Plan uns zu irgendetwas? Sind da etwa Ziele formuliert, die wir erreichen müssen?“

„Keine ernst gemeinten. Derzeit werden 22 Prozent aller Strecken in Deutschland zu Fuß zurückgelegt. Wir haben hineingeschrieben, dass wir diesen Wegeanteil bis 2030 deutlich steigern wollen.“

„Warum 2030?“

„Es klingt nicht so weit weg wie 2050, und Ihre Amtszeit endet weit vorher.“

„Vernünftig. Wie sollen unsere Nachfolger die Ziele erreichen?“

„Das Übliche: Verbesserungen der Infrastruktur für einen sicheren und qualitativ hochwertigen Fußverkehr, hare hare, rama, rama. Wir zeigen mit dem Finger auf die Städteplaner: Die Gehwege sind zu schmal und werden zugeparkt oder mit Autos, Mülltonnen, Sperrmüll oder E-Scootern zugestellt.“

„Ich lese hier: ‚Investitionen in den Bau von breiteren und freien Gehwegen können dazu beitragen, solche Risiken zu mindern.‘ Muss ich das mit dem Lindner besprechen?“

„Das Konzept finanziert sich selbst: Wir fordern darin mehr Kontrollen und höhere Bußgelder.“

„Sehr gut, sehr gut. Im Vertrauen: Steht auch irgendwas für die FDP-Großspender drin?“

„Für die haben wir eigens einen ganzen Absatz eingefügt: Eine gute Fußverkehrsinfrastruktur spielt eine große Rolle bei der Wahl der Arbeitsstelle; körperlich aktive Beschäftigte sind belastbarer, leistungsfähiger und haben im Schnitt weniger Krankheitstage; und zu Fuß gehende Beschäftigte tragen dazu bei, Staus zu vermeiden.“

„Großartig. Wo essen wir heute zu Mittag?“

„Ich habe einen Tisch beim neuen Edel-Italiener reserviert. Gleich um die Ecke, keine fünf Minuten zu Fuß.“

„Prima. Lassen Sie schon mal den Wagen vorfahren.“

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