Gestern Abend eine Feierstunde in Berlin; derzeit wird dort überall und allerlei 70jähriges gefeiert: Die CDU-Fraktion feiert ebenso wie der Bund der Steuerzahler diese unrunde Jahreszahl. Merkel leiert eine belanglose Rede herunter, die so inhaltsleer ist, dass es eigentlich eine Beleidigung für den Gastgeber wie für Gäste darstellt. Aber darauf kommt es gar nicht an. Das Publikum will nur noch wissen: Zittert sie? Das ist die Erwartungshaltung. Sie zittert nicht, sondern redet mit einer seltsam gequetschten Kleinmädchenstimme. Dass sie nichts sagt, ist ja nichts Neues. Etwas anderes erwartet auch niemand. Ihr zuzuschauen und zuzuhören ist eine Qual.
Nein, ich will hier nicht den Mediziner mimen. Aber ich denke, warum Frau Merkel seit ihren Zitteranfällen beim zeremoniellen Abspielen der deutschen Nationalhymne sitzt, liegt auf der Hand. Sie hat Angst, dass sich das wiederholt und noch mehr vor den damit verbundenen Bildern. Präventives Vermeiden von Unerwünschtem zu ihrer Person und unerwünschtem Echo auf ihre Person in den Medien, vor allem von unerwünschten Bildern ist wohl seit langem das Verhaltensmuster, das vieles bei Frau Merkel erklärt, wenn nicht alles.
Am besten ist es natürlich, wenn Bilder, die fürderhin zu vermeiden sind, gar nicht erst zustande kommen (können). Ihr Sprecher Seibert, ihre Küchenkabinettschefin Baumann und all die anderen um sie herum bis hin zum Chef der Forschungsgruppe Wahlen des ZDF sind permanent dabei, solche Bilder nicht entstehen zu lassen. Der bisher berühmteste Präventionsfall ist der ominöse 4. September 2015. Aber wer noch genauer hinschaut, wird noch viel mehr davon finden. Was Recherchierwillige suchen sollen? Hier eine Anregung.
Auf SPON stand 2016 schon: „Eine Situation wie die des Sommers 2015 kann, soll und darf sich nicht wiederholen.” Der Satz taucht so ähnlich seitdem immer wieder mal auf. Aber haben ihn vielleicht alle falsch verstanden? Was, wenn Merkel gar nicht die Öffnung der Schleusen für die unkontrollierte Masseneinwanderung meinte, die sich nicht wiederholen soll und darf? Sondern die unangenehme Situation für sich selbst? Die Entscheidungssituation, die sich nicht wiederholen soll und darf. Wenn sie sich sozusagen bildlich hinsetzte und fortan alles tat und tut, damit sie sich nicht immer mal wieder präventiv hinsetzen muss?
Beim Bund der Steuerzahler verspricht sie, dass man an der Senkung des Soli dranbleiben werde. Das Publikum klatscht. Merkel hat es verstanden, die Erwartung an Regierungshandeln und Rechtsstaatlichkeit so weit abzusenken, dass selbst offenkundige Rechtsverstöße beklatscht werden, wenn sie nur verspricht, über Hilfe nachzudenken. Eigene Positionen? Keine. Die werden vom Koalitionspartner vorgegeben, wie das Ziel weiterer Steuererhöhungen. Aber auch das kommt nicht zur Debatte. Der früher tatkräftige Verband der Steuerzahler und sein Publikum sind gleichermaßen eingeschläfert. Aber Inhalte interessieren längst nicht mehr. Sie zittert nicht. Das ist die Nachricht, mit der Steuerzahler und ihr Bund zufrieden sind.