Tichys Einblick
Achtung Glosse: Verspätetes Weihnachtsmärchen

Verleger wollen Geld vom Staat – und sie wollen es schnell

Die deutschen Zeitungsverleger fordern Geld. Viel. Und schnell. Abonnenten müssen sich jedoch nicht fürchten, dass die Kombination aus DPA-Meldungen, umgeschriebener Pressemitteilungen und Jubelnachrichten aus dem Rathaus (noch) teurer wird. Denn die Verleger fordern das Geld vom Staat.

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Die deutsche Verlegerlandschaft ist reich: an schillernden Figuren. Manche entlassen Mitarbeiter, um Geld zu sparen, für das sie sich eine Farm kaufen. Andere feuern den Chefredakteur, weil der das künstlerische Talent der Verlegergattin im Blatt nicht ausreichend würdigen ließ. Und Dritte bauen weitere Stellen ab, um sich für die Farm noch Jeeps leisten zu können – manche schaffen das sogar alles zusammen. Doch diesem feudalen Verlegermärchen droht das Ende – das Internet ist schuld. Das böse. Immer mehr Menschen wollen für kopierte oder umgeschriebene Polizeimeldungen nicht mehr bezahlen, gibt es sie doch in diesem bösen, bösen Internet gratis. Mitunter sogar besser formuliert und schöner bebildert.

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Aber der heldenhafte Ritter mit der langen Mähne reitet schon herbei und ist zur Hilfe bereit. Nun im Ukraine-Konflikt ist er nicht heldenhaft, lang lässt sich die Mähne auch nicht gerade nennen, und ob er reiten kann, wissen wir nicht. Aber den Verlegern helfen, das will er. Kurzum: Es geht um Olaf Scholz. Seine Koaltion hat sich vertraglich vorgenommen: „Wir wollen die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen gewährleisten und prüfen, welche Fördermöglichkeiten dazu geeignet sind.“ Sprich: Verleger sollen sich ihre Farms und Gattinnenkarrieren weiter leisten können – künftig halt von Steuergeld.

Warum? Das wo mit den Öffentlich-Rechtlichen auch. Das Ding mit der Vielfalt, die wo gerade in Zeiten wie diesen und das ganze blablabla. Wobei Grüne und Rote unter Vielfalt verstehen, dass man ihnen vielfach recht gibt. Was die „FDP“ unter Vielfalt versteht? Wie bei allem anderen auch: das gleiche wie Rote und Grüne.

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Das Problem nur: Schon die „Große Koalition“ wollte Geld unter den Verlegern verteilen. Bis zu 200 Millionen Euro sollen verpackt gewesen sein und das Weihnachtsmann-Kostüm hat dem ehemaligen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auch gepasst. Nur, wie er die Geschenke verteilen sollte, wusste er nicht – und scheiterte daran vier Jahre lang. Wirft man ein Stück Fleisch in ein Rudel Straßenköter, zerbeißen die sich erstmal untereinander. Bei Verlegern müsste man für diesen Vorgang eine Metapher finden, die vornehmer klingt.

Nun zeigt sich der Rudelchef aber ungeduldig und übt über DPA Druck auf die Politik aus: „Wenn jetzt noch lange gewartet wird, dann haben wir in Deutschland eine andere, ärmere Presselandschaft, weil viele redaktionelle Angebote es nicht schaffen werden.“ So der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ). Der Mann heißt Stephan Scherzer – aber keine Witze über Namen hier.

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Robert Habeck hat Amt und Aufgabe von Peter Altmaier geerbt. Er muss jetzt klären, nach welchen Kriterien das Geld verteilt wird. Geht es nach Auflage, bekommt die Bild-Zeitung die meiste Kohle. Die Scheckübergabe dürfte ihm Spaß machen. Denn ist Qualität entscheidend, entstehen viele lustige Folgefragen: Betreibt der Stern Qualitätsjournalismus, weil er so oft über Brustkrebs berichtet? Ist es redaktionell unverzichtbar, dafür nackte Modells zu nehmen, die 30 Jahre jünger als die Gruppe der Gefährdeten sind? Und was ist mit Anzeigenblättern? Gibt die Klimaschutzrepublik Deutschland wirklich Geld dafür aus, dass Anzeigen von Möbelmärkten und Pressemitteilungen von Hasenclubs auf tote Bäume gedruckt werden?

Doch in der Pandemie hat die Bundesregierung gelernt, mit peinlichen Widersprüchen umzugehen: Einfach kein Schamgefühl haben, dann lassen sich Widersprüche auch einfach ignorieren. Und wenn Habeck genug Geld verteilt, kommt sein Gesicht vielleicht auf das Cover des Anzeigenblattes – gleich neben die Werbung für das Möbelhaus. Dann wäre es aus seiner Sicht auch Qualitätsjournalismus – „Alter Rekordrammler“, käme als Schlagzeile gleich drunter.

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