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Achtung, Glosse!

Verfassungsschutz: Text der deutschen Nationalhymne „tendenziell rechtsextremistisch“

Der Verfassungsschutz versteht es, lückenlos nachzuweisen, dass die deutsche Nationalhymne gesichert rechtsextrem ist – in einer poetischen Höchstleistung legt er eine singbare und künstlerisch wertvolle, von nationalistischen Tendenzen bereinigte Neufassung der dritten Strophe vor: Chapeau!

picture alliance / Caro | Bastian

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat in einem Gutachten für den Bundespräsidenten „Das Lied der Deutschen“ von Hoffmann von Fallersleben, dessen dritte Strophe die deutsche Nationalhymne ist, insgesamt als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Die dritte Strophe allein sei nur „tendenziell rechtsextremistisch“ und könne politisch korrekt umformuliert werden; ein entsprechender Vorschlag liegt dem Gutachten bei.

Im ersten Teil behandelt das Gutachten die Entstehung des sogenannten Deutschlandliedes sowie seinen Verfasser, den Germanisten Dr. August Heinrich Hoffmann (1798–1874), der in Publikationen sich nach seinem Geburtsort Fallersleben (bei Wolfsburg) „Hoffmann von Fallersleben“ nannte. Hoffmann verfasste das Lied am 26. August 1841 auf der – damals britischen – Insel Helgoland, wo er an einem „konspirativen Treffen gegen die politisch-monarchische Ordnung Deutschlands“ teilnahm; bereits am 4. September erschien es in Hamburg als vierseitiger Einzeldruck mit dem Titel: „Das Lied der Deutschen von Hoffmann von Fallersleben. Melodie nach Joseph Haydns ‚Gott erhalte Franz den Kaiser‘.“

„Delegitimierer“ Hoffmann von Fallersleben

Hoffmann hatte bereits 1840 politische Gedichte unter dem Titel „Unpolitische Lieder“ veröffentlicht. 1841 folgte ein 2. Teil – das Deutschlandlied gehörte nicht dazu –, der in Preußen als „staatsgefährdend“ verboten wurde und gegen Hoffmann, der als Germanistikprofessor an der Universität Breslau preußischer Beamter war, zu einem Disziplinarverfahren führte. Am 20. Dezember 1842 wurde Hoffmann ohne Pensionsansprüche aus dem Staatsdienst entlassen. In der – laut Gutachten „nachvollziehbaren“ – Begründung hieß es (Orthographie wie im Original):

„Der Dr. Hoffmann hat zugestanden, die … Gedichte abgefaßt und dem Druck übergeben zu haben. Es werden in diesen Gedichten die öffentlichen und socialen Zustände in Deutschland und respective in Preußen … verhöhnt und verächtlich gemacht; es werden Gesinnungen und Ansichten ausgedrückt, die  … Mißvergnügen über die bestehende Ordnung der Dinge, Verachtung und Haß gegen Landesherrn und Obrigkeit hervorrufen, und einen Geist zu erwecken geeignet sind, der … nur verderblich wirken kann.“

Heute würde der Verfassungsschutz die politischen Aktivitäten Hoffmanns dem 2019 eingeführten Beobachtungsbereich „verfasssungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ zuordnen.

„Ein völkisch-nationalistischer Text“

Im zweiten Teil des Gutachtens wird das Deutschlandlied auf „verfassungsfeindliche Textstellen“ untersucht. Das zentrale und häufigste Wort des 117 Wörter langen dreistrophigen Gedichtes (einschließlich Überschrift) ist „deutsch“: es kommt zehnmal vor. Rechnet man „Deutschland“ (4x) und „Deutsche“ (1x) hinzu, ist knapp ein Zehntel des Textes durch den Worttyp DEUTSCH belegt. Im Einzelnen:

♦ Die Eingangsverse der ersten Strophe „Deutschland, Deutschland über Alles, über Alles in der Welt“ sind nach dem Gutachten „sozusagen eine politische Liebeserklärung, die Deutschland und Deutschsein zum Höchstwert erklärt“. Aus „Deutschland über Alles“ folge sprachlogisch „Alles für Deutschland“, eine NS-Parole, wegen deren Verwendung das Landgericht Halle am 01.07.2024 den thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke gemäß § 86 a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen) zu einer Geldstrafe verurteilte.

♦ Die zweite Strophe beginnt und endet „mit einer vierfachen Anrufung eines vermeintlich typischen Deutschseins“:

Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten
Ihren alten schönen Klang

Das Adjektiv „deutsch“ bedeute hier eine „ethnisch-kulturelle Identität, die deutsche Staatsangehörige mit Migrationsherkunft ausschließt“. Der zugrundeliegende „ethnisch-kulturelle Volksbegriff“ sei eindeutig verfassungswidrig.

♦ In der dritten Strophe, der heutigen Nationalhymne, kommt „deutsch“ nur zweimal vor, jeweils in der Formulierung „deutsches Vaterland“. Das Wort „Vaterland“ wird im Digitalen Wörterbuch der Deutschen Sprache definiert als „Land, in dem man geboren, aufgewachsen ist“. Damit würden „rund 7 Millionen deutsche Staatsbürger, die im Ausland geboren und aufgewachsen sind, ausgeschlossen und diskriminiert“, Grundsätzlich – so das Gutachten – habe das Wort „Vaterland“ einen „völkischen Beigeschmack“ und werde deshalb im öffentlichen Sprachgebrauch kaum mehr verwendet: Zum Beispiel kommt es im ganzen Jahrgang 2023 der Wochenzeitung Die Zeit nur dreißigmal vor und meist in historischen Zitaten oder bezogen auf andere Länder als Deutschland.

Als Fazit stellt das Gutachten fest: „Das Deutschlandlied ist aus Sicht des Verfassungsschutzes ein völkisch-nationalistischer Text, der insgesamt als gesichert rechtsextremistisch zu bewerten ist. Die dritte Strophe und heutige Nationalhymne zeigt diesen Rechtsextremismus zwar nur tendenziell, aber es empfiehlt sich, die fragwürdigen Stellen im Sinne der freiheitlich demokratischen Grundordnung neu zu formulieren.“

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Dem Gutachten ist ein Verbesserungsvorschlag zur dritten Strophe beigefügt, in dem „die für eine Nationalhymne nicht hinreichend inklusiven Wörter ‚deutsch‘ und ‚Vaterland‘ ersetzt und die Erfordernisse einer geschlechtergerechten Sprache berücksichtigt werden“.  Der neue Text würde – sofern der Bundespräsident zustimmt – lauten:

Einigkeit und Recht und Freiheit
Für ein buntes Menschenland.
Danach lasst uns alle streben
Geschwisterlich mit Herz und Hand.

Einigkeit und Recht und Freiheit
Sind des Glückes Unterpfand –
Blüh‘ im Glanze dieses Glückes,
Blühe buntes Menschenland!

An der Melodie ändert sich nichts.

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