Viele fragen sich bis heute: War es ein Ausrutscher des neuen Kanzlers? Ein unbeabsichtigter Nebensatz? Oder hat einfach das Bundespresseamt beim Gegenlesen des Interviews gepennt? Die Bild am Sonntag brachte das Zitat von Olaf Scholz sogar auf der Titelseite: „Ich bin auch der Kanzler der Ungeimpften.“ Doch das Rätsel ist nun gelöst. Wir haben einen Kanzler mit Weitsicht.
Jetzt wissen wir amtlich, dass der gescheiterte und abgewählte Gesundheitsminister Spahn schlichtweg vergessen hat, genug Impfstoff zu bestellen. Klar, der hat viel zu tun mit der Verwaltung seiner diversen Immobilien und der Rettung seiner Karriere.
Der letzte Sargnagel für eine Regierung, die uns aus dem Munde des Alpen-Machiavellis und des Sachsen-Imperators doch permanent den Weltuntergang an die Wand malt: „Wenn zehn die Apokalypse ist, sind wir bei neun“, tönte es mit Donnerhall aus München. Die Pandemie der Ungeimpften wurde ausgerufen, nicht die Freiheit des Grundgesetzes. Wir standen also direkt am Abgrund. Doch jetzt lässt sich dank der christlichen Vorsorgepolitik von CDU und CSU sagen: Wir sind einen guten Schritt vorangekommen. Der Rettungsring für den Schiffbrüchigen muss erst noch von Land geholt werden.
Man kann es auch ernst sagen: Mich sprach ein älterer Herr auf der Straße an, Nachbar im bürgerlichen Wilmersdorf: „Herr Hahne, bitte helfen Sie mir: Ich bin 87, lebe allein in meiner schönen Altbauwohnung. Besuchen darf mich ja laut staatlicher Verordnung keiner. Auch Weihnachten herrscht Einsamkeit. Jetzt höre ich täglich von Ihrem alten Arbeitgeber: Ich muss sterben, wenn ich mich nicht schnell auffrische oder boostere oder wie das heißt. Mein Hausarzt sagt: Impfstoff frühestens im Januar. Was kann ich tun, um zu überleben?“ Dieser bettelarme Mann sitzt nun mutterseelenallein in seiner Edelwohnung und wird wahrscheinlich eher durch die Panik-Pandemie als durch irgendwelche Viren umkommen.
Auch deshalb ist das Kanzlerwort so wichtig! Denn es gibt Menschen, die aus tiefer Nächstenliebe Leuten wie diesem Nachbarn helfen. Ganz im Sinne des frommen Dichters Matthias Claudius: „… und unsern kranken Nachbarn auch!“ Für diese Barmherzigen lohnt es sich, auf die Balkone zu gehen und zu applaudieren, zu singen, zu musizieren. Die Impfverweigerer sind die stillen Helden, die aus lauter Solidarität das knappe Gut ihrem Nächsten überlassen. Sie sollten von Bundespräsident, Kanzler und Kirchen zum Jahresende besonders geehrt werden: die wahren Helden des Jahres.
Kirchen, die es doch immer so ernst mit Minderheiten meinen, sollten sich den Schneid nicht vom Kanzler abkaufen lassen. Zu Weihnachten könnten sie nun Zeichen der Dankbarkeit für eine irrtümlich verfemte Minderheit setzen: die Gotteshäuser nur für Ungeimpfte öffnen. Diese Minderheit hilft der Mehrheit im Sinne der Bergpredigt und der christlichen Nächstenliebe. Das kirchliche Motto für die Fastenzeit lautet: „Lohnender Verzicht.“ Belohnen wir also die Verzichtenden mit eigenen Christmetten und der Öffnung von Kneipen und Läden. Sie haben es verdient. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit …
Ein Dankbarkeits-ICE für die Ungeimpften zur weihnachtlichen Fahrt zu ihren Lieben: ein Werbeknüller für die Bahn. Ein gesellschaftliches Muss zur Anerkennung für die stillen Helden, die obendrein in unzähligen Orten allabendlich Lichter auf unsere Straßen tragen. Lichter der Hoffnung: „Durch unseren Verzicht dürft Ihr (über-)leben.“ Ihr, die Ihr uns Nazis, Rowdys, Abschaum und Krebsgeschwür nennt. Wahre Helden haben erst in der Geschichte einen Platz. In der Gegenwart werden sie verachtet. Das war schon immer so. Der Kanzler geht mit gutem Beispiel voran und würdigt sie in weiser Weitsicht.