Gibt es sie noch, die Transatlantiker? Wirft man heute einen Blick in den Medienwald, dann wird man von Zeit, Spiegel und der Süddeutschen eines Besseren belehrt. Nicht Trans-Atlantiker, sondern Trans-Demokraten beherrschen die Redaktionen. Da wird das Debakel der Kandidatin der US-Democrats, Kamala Harris, bei FoxNews in einer Art und Weise „eingeordnet“, dass Hillary Clintons einstiger Wahlkampfmanager John Podesta Tränen in den Augen hat: „Ein notwendiger Härtetest“, „Mehr Boxkampf als Interview“ oder, ganz verwegen: „Harris setzt bei Donald Trumps Haussender auf Attacke“.
Den Wettbewerb um den besten trans-demokratischen Wahlkampf macht die Berliner Morgenpost. Die Redaktion hat dort offenbar ein ganz anderes Interview gesehen. Während bei Zeit und SZ zumindest zwischen den Zeilen durchkommt, dass Harris sich nicht gut geschlagen hat, plärrt man dort dieses zierliche Narrativ in die Welt: „Kamala Harris zerlegt Trump auf seinem Haussender Fox News“. Damit stellt sich das Hauptstadtblatt in die Tradition anderer großer Hauptstadtblätter. Etwa des Berliner Panzerbären. Der verkündete noch im April 1945, dass „erfolgreiche Gegenangriffe“ an der Süd- und Ostfront geführt würden. Oder dass Hitlerjunge Jablonka einen sowjetischen Panzer mit einer Panzerfaust vernichtete.
Ein Meme-Video in der Art der unzähligen Parodien auf Eichingers „Der Untergang“ ist zwar längst überfällig („Mit dem Interview von Harris wird das alles in Ordnung kommen“), aber selbst das würde einige Journalisten, die in ihrer Parallelwelt gefangen sind – ob freiwillig oder unfreiwillig – kaum erschüttern. Kamalas Lack ist ab, da strengen sich die Wortakrobaten mit noch mehr Füllmaterial an. „Trans“, das heißt „auf der anderen Seite“, oder „jenseits“. Jenseits von Gut und Böse, kommt da in den Sinn.
Auch ansonsten trifft die Trans-Demokratie gut auf den Zustand der Bundesrepublik zu. Angesichts der herrschenden Trans*Ideologie wäre womöglich Trans*Demokratie der richtigere Begriff. Bei der wachsenden Zahl verschiedener Geschlechter ist es bekanntlich nicht geblieben. Früher schimpfte man gegen Ultramontane – hätten sie sich bloß Transmontane genannt! – heute wird dagegen alles, was Trans* ist, dem langweiligen Cis* entgegengestellt. Als Angehöriger der Gallia Cisalpina fühlt man sich da per se herausgefordert.
Trans*Demokratie, das ist also der Zustand, in dem sich das beste Deutschland aller Zeiten befindet. Endlich eine Antwort auf die Frage, wo denn diese Republik steht, die irgendwie Demokratie ist und auch nicht mehr. Es ist ein Wechselzustand, vielleicht ist sie schon morgen wieder etwas Neues. Sie passt perfekt zu Ministern, die gestern sagen, Grenzkontrollen seien nicht möglich, um sie dann am nächsten Tag anweisen; oder Grundrechte an einem Tag „geben“, um sie dann wieder zurückzunehmen. Es ist ein Land, in dem Meinungsfreiheit so wichtig ist, dass man sie im Zweifelsfall verbieten muss – sie könnte ja missbraucht werden.
Deswegen ist der Begriff Trans*Demokratie so vortrefflich: Auch dem letzten wird klar, dass wir uns mittlerweile auf der anderen Seite der Demokratie befinden. Das ist allerdings nicht so sehr die klassische Diktatur, denn Tocquevilles Tyrannei der Mehrheit. Denn auch, wenn es weh tut: Gesetze werden zwar für Minderheiten gemacht, aber nicht von der Minderheit. Da sehnt sich so mancher eher nach Translatio als Trans-Aktivismus. Womöglich kann da nur noch die Transzendenz retten.