Dass die politische Sprache religiös geworden und die religiöse Sprache politisch geworden ist, bleibt Zeichen der Zeit. Die Politik will die Menschheit erlösen und so mancher Bischof will politischen Einfluss nehmen. Da ist es nur recht und billig, dass die Kanzlerpartei an erster Stelle steht.
Früher war „Haushalt“ mal das langweiligste politische Thema. Journalisten haben sich regelrecht darum gedrückt. Die Haushaltswoche war nur deswegen wichtig, weil der Kanzler bei der Generaldebatte auftrat. Aber die restlichen Sitzungstage: selbst für Abgeordnete und Mitarbeiter eine quälende Angelegenheit. Königsprivileg des Parlaments? Pah! Gratis-Valium für Hinterbänkler!
Aber alles neu macht die Ampel-Koalition. Jetzt ist Haushalt nicht mehr langweilig. Langweilig war er, weil er von selbst kam. Haushalt hat man eben. Ausgerechnet unter Olaf Scholz, treffenderweise früher selbst Finanzminister und der perfekte Werbeträger für Einschlafmittel, ist Haushalt ein Vabanque-Spiel, Russisches Roulette, ja: politischer Nervenkitzel geworden. Unter dem drögesten Kanzler wird der drögeste Teil der drögesten Politik plötzlich ein Action-Thriller.
Die SPD kann also nicht tiefstapeln. Nicht weniger als ein „Habemus Haushalt“ verkündete sie feierlich auf ihrem X-Account. Man hätte auch sagen können: Habemus Steuererklärung. Habemus Müllabholung. Habemus Schneeräumung. Auch alles routinierte Abläufe, bei denen früher kein Hahn, auch nicht der von Petrus, gekräht hätte. Aber wer mal einige Zeit in Berlin oder München gelebt hat, weiß nunmehr, dass mit genügend linker Politikbeteiligung auch diese langweiligsten organisatorischen Vorgänge zum Abenteuer geraten sind. Und war es nicht der Katholik Franz Müntefering, der ja einmal verkündet hat, dass der SPD-Parteivorsitz das schönste Amt neben dem Papst sei?
Dass der Botschaft anhaftet, dass eine Haushaltsverabschiedung, die eine Unzahl von Bundes- und Reichsregierungen zuvor unproblematisch Jahr für Jahr über die Bühne gebracht haben, für die Sozialdemokratie nunmehr mindestens einen Akt wie eine Papstwahl darstellt, ist zwar überraschend; aber im Wirtschaftsministerium beklagen sich ja Robert Habecks Mannen bekanntlich auch darüber, dass sie unter dem Druck des Amtes zusammenbrechen. Der letzte Papst ist bekanntlich aufgrund der Last zurückgetreten, vielleicht ein Vorbild, dass sich so mancher nehmen sollte – doch, Obacht, wir wissen alle, was danach gekommen ist!
Dass die Sozialdemokratie sich zwar am katholischen Wording bedient, aber vor allem den katholischen Kitsch abgreift, zeigt sich im zweiten Stunt der medialen Avantgarde von Kühnert und Co. Der Generalsekretär erscheint als Werbeträger für einen „Sozi-Toaster“, allerdings mit dem Charme des katholischen Miefs der 1950er Jahre. „Uns Sozis kann niemand so schnell die Butter vom Brot nehmen“, meint der Sprecher im Off, während Genosse Kühnert in den Toast beißt. Da bleibt auch dem Autor dieser Zeilen nur zu sagen: Die beste Satire schreiben die Sozis ungewollt über sich selbst.