Tichys Einblick
DDR-iges

Sisyphos ist ein Hauptstadt-Berliner

Was den vielen Sprecherinnen und Sprechern nicht auffällt: Wie sehr sie einem DDR-Jargon verfallen sind, in dem der Staat Erfolge und Geschenke und ständige Fortschritte verspricht wie früher nur die Planbürokraten.

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Sisyphos war König zu Korinth und Sohn des Aiolos. Er soll um das Jahr 1400 v. Chr. gelebt, sich durch große Weisheit ausgezeichnet und zur Vergrößerung Korinths sehr viel beigetragen haben. Er hat den Tod betrogen; zur Strafe muss er einen Fels den Berg hinaufrollen. Kaum angekommen, rollt der wieder zu Tal und die Schinderei geht ewig so fort.

Griechische Sagen sind zeitgemäß, weil sie Urmenschliches beschreiben wie das vergebliche sich mühen. Wie Sisyphos müht sich derzeit die Pressestelle der CDU. Sie überschüttet Journalisten mit unüberbietbaren „Erfolgen“ der CDU in den Koalitionsgesprächen mit der SPD. Aber irgendwie hilft es nichts. Man lacht beim lesen, etwa wenn da der Sprecher für Kultur und Medien, Marco Wanderwitzda „Gute Nachrichten für alle Kulturschaffenden“ verkündet, weil ein ‚Zukunftsprogramm Kino‘ als Förderprogramm für Kinos“ aufgelegt wird; man wundert sich nur, wie tief die Agitprop-Formel der DDR von den „Kulturschaffenden“ in den CDU-Sprachgebrauch eingedrungen ist.

Kamelle, Kamelle, Kamelle
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Der verkehrspolitische Sprecher Ulrich Lange wiederum verkündet – auch im Stil der DDR-Versprechungen – „bis 2020 mindestens 100.000 zusätzliche Ladepunkte“ für E-Autos; ist das nicht eigentlich Aufgabe der Tankstellen und Stromversorger, Steckdosen zu verlegen? Egal, der Staat liefert, und wie, punktgenau. Deshalb verspricht der verteidigungspolitische Sprecher Henning Otte: „Wir werden dafür sorgen, dass die geplanten Beschaffungen noch schneller umgesetzt werden und das Material in der Truppe ankommt.“. Immerhin. Die Patrone kommt zum Gewehr; schon in der nächsten Legislaturperiode. Und so geht es in einer Tour weiter: „Weiter Tempo“ in der Klimapolitik wird gemacht, „zukunftsfeste Beine“ für das Gesundheitssystem kommen.

Was den vielen Sprecherinnen und Sprechern nicht auffällt: Wie sehr sie einem DDR-Jargon verfallen sind, in dem der Staat Erfolge und Geschenke und ständige Fortschritte verspricht wie früher nur die Planbürokraten. Der Staat ist der Big Spender, der Gewährer, der Ermöglicher, der Macher – kein Wort über den großen Abkassierer. Parlamentarische Beamte versprechen großmäulig und an der Grenze zur eigenen Lächerlichkeit Zukunft, die im geförderten Kino kommt, selbstverständlich auch auf dem flachen Land und überall, liebe Kulturschaffende.

Wie Sisyphos bemüht sich der Staat um seine immer gierigen Bürger, will sie erfreuen – statt sie Kinos besuchen zu lassen, wann, wo, wie oft sie wollen, ganz ohne Politik. Die Bürger sind undankbar. Sisyphos Fels rollt zu Tal.

Sprache ist verräterisch. In Dutzenden von solchen DDR-Floskeln wird das Blaue vom Himmel versprochen. Dabei: Es sind die Bürger, die all dies selbst möglich machen; die die steigenden Kosten für „unsere Offensive für mehr Pflegepersonal“ tragen, die sinkenden Krankenkassenbeiträge finanzieren, die Kinos subventionieren, in denen sie sich niemals einen Film anschauen werden. Die Steuer- und Beitragszahler sind Sisyphos; denn immer sind sie es, die den Fels den Berg hochrollen.

Nur: Der Wirtschaftsbürger kommt nicht vor, ihn gibt es nicht mehr.

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Alles Gute kommt vom Staat und seiner parlamentarischen Planbürokratie im Gewand der Großen Koalition. Militärischer Sprachgebrauch bei der Erfüllung des großen Plans greift Platz – und Albernheiten werden nicht mehr als solche erkannt: „der wachsenden Bedeutung der E-Sport-Landschaft in Deutschland werde man Rechnung tragen und uns für eine Anerkennung als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht einsetzen. E-Sport schult – wie das Schachspiel auch – nachweislich wichtige Fähigkeiten, die in Schule und im späteren Berufsleben von Bedeutung sind.“

In Zukunft also staatlich geförderte Computerspiele; Kinder, Kinder, Kinder, habt ihr sie noch im Schrank, wenigstens die eine oder andere Tasse? Die Universität in Berkeley (Kalifornien) forscht erfolgreich an Kleinstantrieben, die im Nanometerbereich arbeiten. Eine Amerikanerin und eine Französin erfinden die Gentechnik-Schere CRISPR, die völlig neue medizinische Horizonte eröffnet. Die Amerikaner lassen Raketenstufen nach dem Start wieder landen. Die Russen haben den Schnellen Brüter praxistauglich gemacht.

Die Deutschen verlegen Glasfaserkabel bis 2025, um E-Sport auf Vereinsebene olympiareif zu betreiben. Sisyphos ist ein Hauptstadt-Berliner.

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