Schon seit dem ersten Tag seines Amtsantritts setzte der linke Feuilleton riesengroße Hoffnungen auf Papst Franziskus. Sein Ruf der Null-Toleranz-Politik gegenüber Traditionalisten eilte ihm bereits damals voraus, nach Benedikt XVI. waren die in den Argentinier gesetzten Hoffnungen bei Nicht-Christen enorm. Frauenweihe war da noch das absolute Minimum, im Stillen hoffte wohl mancher, dass Franziskus den Petersdom zum Flüchtlingslager umfunktionieren würde.
In vielerlei Hinsicht bekam die „Ich bin ja kein Christ, aber DEN Papst mag ich“-Fraktion einiges geboten. Schon früh stellte Franziskus die rhetorische Frage, wer er denn sei, um über Homosexuelle zu urteilen. Gut, gut. Zwar nicht gut genug, natürlich, denn das ist es nie. Aber ein erster Schritt, dem viele weitere folgen sollten.
Seine demonstrative Bescheidenheit nährte den traditionellen Neid auf die Pracht der Kirche, seine offen autoritäre Ader wurde ihm hingegen oft verziehen, da sie sich ja vor allem gegen Traditionalisten wandte. Die verdienen es ja auch nicht besser.
Ja, selbst den Klimawandel bekämpft der Argentinier, er schrieb gleich zwei Enzykliken zu der Thematik und lud selbst Langstrecken-Luisa in den Vatikan zur Präsentation ein, nur um dort festzustellen: „The future belongs to diese junge Leute.“ Ein Papst, der nicht nur nach der politischen Pfeife der Klimalobby tanzt, sondern sich dabei auch noch radebrechend zum August macht? Was könnte sich die Süddeutsche mehr wünschen?
Erst keine Frauenweihe, jetzt auch noch zu viel Verschwuchtelung
Und wenn Franziskus nicht gerade das Weltklima rettete, dann veröffentlichte er ein Motu proprio, mit dem er der Alten Messe den Garaus machte. Einzig dem synodalen Weg Deutschlands kam er bislang noch nicht in dem Ausmaß entgegen, wie Gemeindehelferinnen mit Kurzhaarschnitt und Ambitionen es sich ausmalten. Und natürlich die Frauenweihe, auch da hatte er es bislang nicht weitergebracht, als missverständliche Interviews zu geben, die tags darauf vom Vatikan wieder zurechtgebogen wurden. Zu wenig für einen Papst, in den viele Atheisten ihre revolutionären Hoffnungen gesetzt hatten.
Jetzt aber dürfte das Maß voll sein und der linke Feuilleton könnte schon bald den Schulterschluss mit katholischen Traditionalisten wagen, denn in einem sind sich beide nun wohl einig: Sollte Franziskus nicht bald zurücktreten?
Aber während es den Traditionalisten darum geht, dass nicht noch mehr 2000-jähriges Porzellan apostolischer Tradition zerschlagen wird, dürfte die Linke nun endgültig desillusioniert sein, was den spleenigen Argentinier angeht. Denn bei einem Treffen mit rund 200 italienischen Bischöfen im Vatikan sprach der Papst sich gegen die Aufnahme homosexueller Männer in die Priesterseminare aus.
Als wäre dies noch nicht genug des zeitgeistigen Affronts, garnierte Franziskus seine Position mit der Einschätzung, dass es an den Seminaren ohnehin schon „zu viel Verschwuchtelung“ gebe. Prompt begann auch hier – wie Anne Spiegel es einst nannte – das „Frame Game“ und der vom Papst gewählte Ausdruck wurde verschiedentlich eingeordnet. Zwar gilt der Begriff „froci“ auch in Italien als abwertend, allerdings machten einige sich noch Hoffnungen, dass der Papst den Begriff eher auf römische Manier verwendete, da der Begriff in Rom – laut Tagesspiegel – auch „oft umgangssprachlich und nicht zwingend pejorativ“ verwendet würde. Zu Hilfe eilten auch die Bischöfe, die die Nachricht überhaupt erst publik gemacht hatten. Angeblich habe der Papst nicht gewusst, wie beleidigend das italienische Wort sei.
Die Übersetzung der Aussage des Papstes, der in deutschen Medien oftmals fehlerhaft wiedergegeben wird, wurde dem Autor dieser Zeilen übrigens von TEs hauseigenem Italien-Korrespondenten Marco Gallina bestätigt. „’Verschwuchtelung‘ ist tatsächlich exakt die richtige Übersetzung“, so Gallina.
Papst nun doch katholisch? Zumindest bis zum nächsten Interview
Doch der Schaden ist schon längst entstanden. Sollte der Papst also nun auf seine alten Tage doch zu den Grundsätzen der katholischen Sexualmoral zurückkehren? Während linke Medien seit Jahren jeden Missbrauchsskandal innerhalb der Kirche genüsslich ausweiten, wird die Tatsache, dass es sich dabei oftmals um homosexuellen Missbrauch handelt, der durch die Überrepräsentanz Homosexueller in Seminaren zumindest nicht eingedämmt wird, geflissentlich ignoriert. Nun aber legte der Papst den Finger in genau diese Wunde.
In den letzten Jahren hatte die Redewendung „katholischer als der Papst sein“ viel von seiner ursprünglichen Schlagkraft eingebüßt. Könnte diesem Hyperlativ nun eine Renaissance bevorstehen? Könnte der Papst sich nun doch wieder als katholisch entpuppen?
Es wäre eine Sensation. Doch andererseits kann man bei Franziskus wohl davon ausgehen, dass er spätestens in einer Woche wieder irgendwas zum Klimawandel von sich gibt, das ihm wieder einige wertvolle Minuten der Unterstützung von seinen medialen Steigbügelhaltern einbringt.