Tichys Einblick
Glosse

Robert Habeck, der Schweinswal und die DUH-Klage gegen das LNG-Terminal

Ausgerechnet die Deutsche Umwelthilfe will gegen die geplanten LNG-Terminals klagen – wegen bedrohter Schweinswale. Für Wirtschaftsminister Habeck eine harte Nuss: Umweltschutz wird als Feigenblatt enttarnt, das Energiedesaster offenbart, und ganz nebenbei droht der grüne Bürgerkrieg.

IMAGO / Chris Emil Janßen

Fantastisch, was alles möglich ist, wenn die Grünen erst einmal in der Regierung sind. Dass Wälder zum Wohle der Windkraft geopfert werden, daran haben sich die Deutschen schon gewöhnt. Die Notiz, dass im brandenburgischen Hohensaaten 370 Hektar Wald einem Solarpark weichen sollen, quittiert man hierzulande nur noch mit Schulterzucken. „Ökostrom“, mitten aus dem Wald, erzeugt von der Lindhorst-Gruppe – hört sich doch super an.

Doch während hier noch das Geld sprudelt, weil die Nutznießer der Energiewende auf ihre Kosten kommen, kommt es für die Grünen anderswo in der Energiepolitik knüppeldick: Die Rede ist von den geplanten Flüssiggasterminals an der Nordsee.

Die DUH will den Baustopp der LNG-Terminals erzwingen

Ausgerechnet die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will dem Notausgang der Ampel-Regierung aus der russischen Gasabhängigkeit einen Riegel vorschieben. Denn der Verein will gegen den Bau der LNG-Terminals klagen. Grund: Mit dem Bau stünde die „unumkehrbare Zerstörung eines Unterwasser-Biotops“ bevor, unter dem insbesondere der gefährdete Schweinswal zu leiden hätte.

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Die DUH strebt deswegen einen Baustopp an – und hat Widerspruch gegen den Bescheid des Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) eingelegt. Der Baustart sei ohne Offenlegung der Unterlagen und Beteiligung von Umweltverbänden genehmigt worden. Der klagefreudige Verein steht auf dem Standpunkt, dass gerade in Krisenzeiten die Prinzipien des Rechtsstaates gewahrt werden müssten, das gelte auch für den Klima- und Umweltschutz. In Wilhelmshafen soll eigentlich schon diese Woche mit den ersten Bauarbeiten begonnen werden.

Die Geister, die die Grünen einst riefen – sie werden sie nun nicht mehr los. Für Wirtschaftsminister Robert Habeck steht der Alptraum eines unmöglichen Spagats bevor. Ausgerechnet die DUH, die bei jedem möglichen Anlass über Bande spielte, um dem grünen Partner zu helfen, könnte seinen Notfallplan durchkreuzen. Die Grünen ständen mit heruntergelassenen Hosen da, weil das Feigenblatt Flüssiggas nicht mehr die jahrelange Traumtänzerpolitik in Energiefragen bedecken könnte. Dass die nationale Energiesicherheit hier der ausschlaggebende Punkt sein könnte, erscheint abwegig – schließlich haben die Grünen bisher alles dafür getan, genau diese fundamental zu zerstören.

Habeck: DUH hat „viel für Deutschland getan“

Dennoch wendet sich Habeck in bekannter Weinerlichkeit des neuen Politiktypus an die einstigen Verbündeten. Wie knifflig die Angelegenheit ist, erkennt man daran, dass der Grüne zuerst von einem „wichtigen Verein“ spricht, der „viel für Deutschland getan“ habe. Doch Habeck warnte ausdrücklich vor der Klage. „Sollten wir die LNG-Terminals nicht haben, und sollte das Gas nicht aus Russland kommen, ist die Versorgungssicherheit in Deutschland nicht gewährleistet“, erklärte der Wirtschaftsminister. Deutschland habe auf dem Weltmarkt vier Schiffe gekauft, auf denen flüssiges Gas in Gas umgewandelt werde. „Hätten wir sie nicht, wären wir wirklich noch wehrloser in dieser Situation.“

Dabei hat die DUH einen Punkt. Sie lesen richtig. Denn warum ausgerechnet die Schweinswale die Zeche für den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und das rot-schwarz-grüne Energiedesaster zahlen sollen, bleibt unverständlich. Anders als die Grünen haben die Schweinswale niemals die Abschaltung der Kernkraftwerke gefordert. Schweinswale haben auch nicht das ganze Land mit Windrädern zugemüllt und sich gewundert, dass man bei Windflauten keinen Strom generiert. Schweinswale wollten weder den Kohleausstieg noch haben sie uns in die Abhängigkeit von russischem Gas eingebracht oder Posten bei Gazprom übernommen.

Wir sollten uns mit der Realität anfreunden: Mehr Schweinswale in der Bundesregierung hätten diesem Land weniger Probleme beschert als die letzten 24 Jahre Energiepolitik. Womöglich hätten wir – aus nachvollziehbaren Gründen – eine bundesrepublikanisch größere Fangquote bei Dorschen und Heringen, weil Korruption auch unter Schweinswalen ihre Blüten treibt. Aber Schweinswale machen keine energiepolitischen Versprechungen von Stromkosten, die nur eine Eiskugel mehr im Monat ausmachen. Es entspricht der Überzeugung dieses Autors, dass, würde bei der kommenden Bundestagswahl ein Schweinswal gegen sämtliche Kandidaten und Parteien des Establishments antreten, einzig der Schweinswal wählbar wäre.

Habeck: „Ich liebe Schweinswale!“

Das hindert Habeck nicht daran, öffentlich zu behaupten, er sei „der größte Schweinswal-Fan in der Bundesregierung“. Und weiter: „Ich liebe Schweinswale, ich komme von der Küste.“ Das hat schon fast die Qualität des berüchtigten Zitats von Erich Mielke: „Ich liebe doch alle Menschen!“ Nicht im Sinne dessen, dass sich die Persönlichkeiten oder ihre Funktionen ähnelten, aber der Sinn der Aussagen. Sie sind offensichtlich heuchlerisch und durchschaubar. Während Mielke zum Wohle der Staatssicherheit Menschen über die Klinge springen ließ, muss zum Wohle der Energiewende der Schweinswal dran glauben.

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Aber warum eigentlich? Sind wir wirklich so wehr- und schutzlos, wie Habeck behauptet? Was ist mit den beiden Elefanten im Raum – der Kohle und der Kernkraft? Was Habeck betreibt, ist ein rhetorisches Spiel der Marke Merkel, in der Alternativlosigkeiten aufgetürmt werden, die in Wirklichkeiten nicht bestehen. Es gibt Alternativen zu Flüssiggas, wie es sie schon zum russischen Gas gegeben hat. In ihrer Rolle als Koalitionspartner müssen die Grünen Farbe bekennen. Unter dem kaputten grünen Lack kommt jene dunkelrote Farbe hervor, die wir schon immer vermuteten. Umweltschutz ist ein Wohlfühlthema, um beinharte Ideologie zu verstecken.
DUH versus Grüne: Jakobiner gegen Jakobiner

Ähnlich wie auf der Weltklimakonferenz zeichnet sich der Graben zwischen den Ideologen ab. In der Opposition lassen sich widersprechende Forderungen stellen. In der Realpolitik diktiert das Weltgeschehen die Grenzen. Die Prioritäten, mit denen die Grünen ihre Grundsätze verraten, sind dabei augenfällig: Lieber will Habeck als Schweinswalschlächter in die Geschichte eingehen als als der Pragmatiker, der die Ausstiegsirrwege korrigiert. Der marxistische Geist triumphiert zuletzt: kein Opfer zu klein, wenn es der großen Idee vom Umbau dient. Gestern die Wälder, heute die Schweinswale – und morgen?

Es bleibt die Erkenntnis, dass die Grünen keine Romantiker, sondern Jakobiner sind. Dabei könnte Habeck bald schon selbst die jakobinische Medizin einstiger Weggefährten schmecken, wenn sich Grüne und DUH um den „wahren Weg“ streiten. Es wäre ein unterhaltsamer Bürgerkrieg im grünen Lager – ginge er nicht darum, ob bei uns die Wohnung warm und das Licht angeschaltet bleibt. Da hilft auch kein grünes Dolphin Shaming weiter.

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