Tichys Einblick
Achtung, Glosse

Retrowelle im Bundestag: Christine Lambrecht führt Panzer-Dingsda auf

Christine Lambrecht ist das kinderfreundlichste Mitglied im Bundeskabinett. Erst sorgte sie für Urlaubsflüge nach Sylt, jetzt führt sie im Bundestag die Kultsendung „Dingsda“ wieder auf – er hat dieses Rohr, mit dem er dann in die Luft schießt.

IMAGO/photothek

Schon Heinz Rühmann hat den Charme von Naivität erkannt und in „Die Feuerzangenbowle“ Paul Henckels sagen lassen: „Jetzt stelle mer uns mal ganz dumm und frage uns: Wat is dat? Enn Dampfmaschin?“ Fritz Egner hat in den 80ern diese Grundidee aufgegriffen und daraus ein Fernseh-Format entwickelt: „Dingsda“. Erwachsene lachten über Kinder, die Begriffe erklären sollten und dabei unbeholfen wirkten.

Die Kinder gestikulierten wild, um so ihre Suche nach Worten zu unterstützen: „Dadurch dass er mit diesem Rohr dann in die Luft schießt und dann dort sehr weit entfernte Objekte eben auch erfassen kann …“, näherten sie sich dem Begriff „Gepard“ und erklärten, warum der Gepard-Panzer kein Panzer ist: „Natürlich ist es beides schwer, beides große Rohre, aber es ist eben kein Panzer.“

Gut, es waren jetzt nicht direkt Vorschulkinder, die so unbeholfen den „Gepard“ erklärten. Sondern Christine Lambrecht (SPD). Und als deutsche Verteidigungsministerin hat sie ja sonst weniger mit Waffen zu tun. Zumindest nicht mit funktionierenden. Sondern eher mit Umstandskleidung für Soldaten oder mit der Auflage, dass die Feinstaubwerte im Panzer nicht so hoch sein dürfen, dass sie zur Belastung für Schwangere werden können. Okay, ja. Das hat dann irgendwie auch mit Panzern zu tun. Aber nicht beim Geparden. Der hat zwar dieses Rohr, das in die Luft schießt. Allerdings nur, um „kritische Infrastruktur“ zu schützen. Das macht ja keinen tot. Deswegen ist der Gepard halt kein Panzer.

Okay. Ja. Der Hersteller hat ihn „Flugabwehrkanonenpanzer Gepard“ genannt. Aber das sind „Fake News“, denn der Gepard ist eben kein Panzer, sondern ein Mit-einem-schweren-Rohr-in-die-Luft-schießender-Infrastrukturschützer. Das ist was ganz anderes. Und wenn man den Mit-einem-schweren-Rohr-in-die-Luft-schießender-Infrastrukturschützer jetzt Panzer nennt, dann erweckt man böswillig den Eindruck, Christine Lambrecht würde Panzer in die Ukraine schicken – und mit Waffen will die Verteidigungsministerin nichts zu tun haben.

Wer Lambrecht das unterschiebt, der will sie delegitimieren. Mit Fake News. Davor schützt sie jetzt Innenministerin Nancy Faeser (SPD, was auch sonst). Die Verbreitung des Wortes Panzer für den Mit-einem-schweren-Rohr-in-die-Luft-schießenden-Infrastrukturschützer hat sie auf die Verdachtsliste für Delegitimierung des Staates gesetzt. Es ist dort der 237-millionste Fall. Denn eins hat sich diese Bundesregierung vorgenommen: die (für sie) passenden Begriffe durchzusetzen.

Deswegen heißen Schulden jetzt „Sondervermögen“ und Pleiteregionen „Klimaneutrales Industrieland“. Lambrecht könnte bei dieser Begriffsumdeutung eine zentrale Rolle spielen – mit ihrem wuchtigen Talent für Regierungs-Dingsda: U-Boote sind wie Quietscheenten, nur dass sie ein Loch haben, aus denen was rauskommt, was wumms macht. Energienotstand ist, wenn man im Winter so tut, als ob es auch ohne Heizung warm sei, während die Rohre kaputtgehen und die Wohnungen verschimmeln. Atomkraftwerke im Energienotstand abschalten, das ist, wie wenn man etwas tun will, weil man es halt tun will, aber dann sagt, Russland sei schuld. Und Corona.

Wer beim Regierungs-Dingsda gewinnen will, darf bei den Erklärungen nicht lachen. Und nicht widersprechen. Als Preis winkt das befriedigende Gefühl, im Winter auf die Heizung aus Vernunft und Solidarität zu verzichten – und nicht, weil es eh keinen Strom mehr gibt. Spielen wir das Regierungs-Dingsda mal durch: Wie nennt man das, wenn die Ministerin ihren Sohn mit dem Bundeswehr-Hubschrauber in Urlaub fliegen lässt? Wer hat hier Bereicherung geantwortet?!? Bereicherung? Fake News! Delegitimierung des Staates! Verdachtsfall Nummer 237 Millionen und eins. Richtig muss es heißen: Der Hubschrauber-Flug ist eine „Unterstützung allein erziehender Mütter von minderjährigen 21 Jahre alten Kindern“. „Dat is enn Dampfmaschin“ wäre als Joker aber auch gegangen.

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