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Politiker entdecken Klagen als Einkommensquelle

Unsere Volksvertreter sind hypersensibel und empfindlicher als kleine Kinder. Jetzt haben sie einen Weg gefunden, aus diesem Charakterfehler ein Geschäft zu machen: Sie werden absichtlich politisch übergriffig – und wer sich ein bisschen zu sehr darüber aufregt, wird verklagt und muss blechen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Michael Probst

Politik ist ein schmutziges Geschäft. Und ein einträgliches. Und die Zeche zahlt immer der Bürger: Er alimentiert nicht nur erst den komfortablen Lebensunterhalt und die üppige Altersvorsorge der Volksvertreter, sondern blecht dann auch noch für die nicht selten schlimmen und immer teuren Folgen aller falschen Entscheidungen.

So ärgerlich ahnungslos unsere politische Klasse oft in alltäglichen Fragen des wirklichen Lebens ist, so unerwartet einfallsreich wird sie, wenn es darum geht, für sich selbst neue Einnahmequellen zu erschließen. Die jüngste Masche ist, mit Verlaub, besonders infam:

Man verbietet dem Bürger den Mund und greift ihm gleichzeitig in die Tasche.

Vorreiterin dieses erstaunlichen Tricks ist die FDP-Spitzenkandidatin zur EU-Wahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Aus nachvollziehbaren Gründen der Zeitökonomie nennt man sie in Berlin allgemein nur MASZ. Das wollen wir hier auch so handhaben.

Die 66-Jährige ist im persönlichen Umgang außerordentlich rüde. Gleichzeitig ist sie aber auch sehr eitel und extrem empfindlich gegenüber jedweder Kritik. Wie es sich für eine Lindner-Liberale gehört, ist es ihr gelungen, aus der Kombination dieser ja doch eher zweifelhaften Persönlichkeitsmerkmale ein Geschäftsmodell zu machen.

Man könnte es die Merkantalisierung der Meinungsunterdrückung nennen. Und das geht so:

Erstens vertritt MASZ bei in Teilen der Bevölkerung umstrittene Positionen. Die Düsseldorferin ist mit Abstand die schärfste Verfechterin einer extrem weitgehenden Unterstützung der Ukraine durch den Westen, auch durch Deutschland. Bestes Beispiel: Als Erste forderte sie – und fordert immer noch – die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an Kiew. Da sind selbst ansonsten Ukraine-freundliche Militärs skeptisch, weil das recht eindeutig die Gefahr birgt, dass Deutschland dadurch in dem russisch-ukrainischen Konflikt zur Kriegspartei wird.

Zweitens vertritt MASZ ihre Positionen besonders aggressiv, was offenbar auch einem gewissen Grundtemperament dazu entspringt. Und weil sie bisher Vorsitzende im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages ist, hat sie (gerade zum Thema Ukraine) auch einen absolut privilegierten Zugang zu den Medien. Den nutzt sie dazu auch ausgiebig. Aus allen Rohren und auf allen Kanälen feuert die FDP-Frau ihre Extremforderungen in die Welt. Dabei macht sie keine Gefangenen. Als der Papst für Friedensgespräche in der Ukraine warb, erklärte sie wenig zimperlich, als Katholikin schäme sie sich für ihr Kirchenoberhaupt.

Mit dieser Art hat MASZ einige Fans gefunden, geht auf der anderen Seite aber auch schon seit geraumer Zeit ungleich mehr gehörig auf die Nerven – auch und gerade ihren eigenen Parteifreunden. Nicht wenige wollen sie deshalb schon länger am liebsten aus der Partei verabschieden. Nur ist das gar nicht so einfach, denn die Dame hat sich im Verlauf des Ukraine-Kriegs gar nicht ungeschickt als Kiews vorderste Lobbyistin in Deutschland positioniert. Sie einfach in die vierte Reihe abzustellen, hätte politisch ein ungünstiges Bild abgegeben, so dachte man in der FDP. Also macht man mit MASZ jetzt das, was einem parteilichen Begräbnis am nächsten kommt: Man schickt sie ins EU-Parlament nach Brüssel. Dem Vernehmen nach hält sich dort bei der liberalen ALDE-Fraktion die Freude über den Personalzuwachs aus Berlin in ziemlich engen Grenzen.

Wie dem auch sei: MASZ nervt jedenfalls nicht nur viele ihrer Politikerkollegen, sondern sorgt auch bei Bürgern für Widerspruch und oft auch für scharfe Kritik. Man kann getrost davon ausgehen, dass die FDP-Frau das kühl einkalkuliert: Denn für den dritten Teil ihres Konzepts braucht sie diesen Widerspruch aus dem Volk – je heftiger, desto besser.

Otto Normalverbraucher – anders als Berufspolitiker – lebt in der Regel ja nicht von schönen Worten, sondern von echter Arbeit. Mit Sprache geht der Durchschnittsmensch nicht so berechnend und kontrolliert um wie ein hauptamtlicher Volksvertreter. Gerade in wütender Verfassung kann da schon mal ein Wort verrutschen. Es ist halt nur ein schmaler Grat zwischen zünftiger Verbalattacke und strafbewehrter Beleidigung.

Und genau auf dieser feinen Linie hat MASZ eine Registrierkasse aufgestellt.

Systematisch lässt die ohnehin schon auch vom Geld des Steuerzahlers lebende Berufspolitikerin von ihrem Stab jeden juristisch verfolgen, der auf ihre radikalen und aggressiv verbreiteten politischen Positionen ebenso radikal und aggressiv reagiert, sich dabei aber etwas zu sehr im Ton vergreift. Es werden geradezu massenweise Unterlassungserklärungen verschickt – und es wird konsequent Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld wegen Beleidigung eingefordert.

„Frau Strack-Zimmermann hat aus der Verfolgung missliebiger Äußerungen ein Geschäftsmodell gemacht.“ Das sagt der Medienanwalt Joachim Steinhöfel. Er hat ein paar dieser Vorgänge gesehen, bei denen die Anwälte von MASZ von Bürgern, die verbal ein bisschen über die Stränge geschlagen haben, saftige Geldentschädigungen fordern: zwischen 500 und 1.000 Euro – pro Fall. „Das wird hundertfach gemacht“, sagt Steinhöfel. „Sie verdient dadurch vermutlich mehr als durch ihre Abgeordnetendiäten.“

Natürlich gibt es strafbare Äußerungen. Die Frage darf aber schon erlaubt sein, ob eine Berufspolitikerin wirklich jede möglicherweise strafbewehrte Geschmacklosigkeit juristisch verfolgen muss. Bei MASZ sieht das doch sehr nach systematischer Geldschneiderei aus: Wer etwas (auch nur möglicherweise) Strafbewehrtes gegen sie vorbringt, wird abgemahnt und soll eine hohe Geldentschädigung zahlen. Auch Personen, die rechtlich gar nicht zahlen müssten, werden oft so eingeschüchtert, dass sie die geforderte Summe überweisen. Zusätzlich werden die Betroffenen dann auch noch standardmäßig angezeigt.

„Sie hat eine Verfolgungsmaschinerie in Gang gesetzt, dass einem nur Angst und Bange werden kann“, sagt Steinhöfel. Das ganze Interview:

 

Als Franz-Josef Strauß, Gott hab’ ihn selig, einmal von einem seiner zahlreichen Kritiker als „Arschloch“ bezeichnet worden war, zuckte das bajuwarische Mannsbild nur mit den Schultern und sagte: „Was stört’s die deutsche Eiche …?“ Diese Souveränität im Umgang mit Kritikern und Gegnern geht der aktuellen Politikergeneration völlig ab. Man hat den Eindruck, wir werden von Schneeflöckchen regiert.

Der heutige Wirtschaftsminister Robert Habeck ließ sich noch als Grünen-Vorsitzender vermeintlich werbewirksam dabei fotografieren, wie er unrasiert, in Socken und mit offenem Hemd an einen Pfeiler gelehnt auf einem Bahnsteig auf dem Boden sitzt und auf einen Laptop schaut. Das eigenartige Bild veranlasste den Journalisten Don Alphonso zu der süffisanten (und objektiv nicht ganz von der Hand zu weisenden) Bemerkung, der Wirtschaftsminister würde mit seiner äußeren Erscheinung in einer Ansammlung von Bahnhofsalkoholikern nicht negativ auffallen.

Das ist nun natürlich nicht nett. Aber der Vizekanzler der viertgrößten Industrienation der Welt sollte so etwas schon ertragen können. Sollte man meinen. Kann er aber nicht. Habeck verklagte den Journalisten – und verlor.

Wo Robert Habeck aktiv wird, darf Annalena Baerbock nicht nachstehen. Ein mit der Ampel-Politik unzufriedener Unternehmer in Miesbach am Tegernsee hatte vor seiner Firma ein Plakat aufgehängt, auf dem die Außenministerin als trotzige Göre persifliert war. Es folgte eine Anzeige, auch die war letztlich erfolglos.

Man stellt sich einigermaßen entgeistert vor, wie diese offenbar absurd dünnhäutigen Menschen Deutschlands Interessen in der Welt vertreten sollen. Was machen die in einem Raum mit Wladimir Putin, Xi Jinping oder Donald Trump? Heulen? Oder sich über die Tonart beschweren?

Die Anführer fremder Großmächte können unsere Regierenden natürlich nicht kontrollieren. Bei uns kleinen Bürgern versuchen sie es dafür umso massiver. Das Stichwort hier lautet: § 188 StGB. Diesen Paragrafen im Strafgesetzbuch hat sich unsere politische Klasse einfallen lassen, um Kritik zu kriminalisieren. Denn die Beleidigung eines Politikers wird über diesen Paragrafen noch einmal besonders bestraft – wenn die Tat dazu geeignet ist, „sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren“.

Oder anders: Beleidigungen gegen Politiker sind schlimmer als Beleidigungen gegen Normalbürger.

Irgendwie fühlt man sich in die Zeit des deutschen Kaiserreichs zurückversetzt. Das ist natürlich ein vordemokratisches Gesetz. Aber unsere aktuelle politische Klasse beruft sich darauf und zeigt Menschen allen Ernstes deswegen an.

Glauben Sie nicht? Falsch geglaubt. Ein pensionierter Richter hat kürzlich Robert Habeck einen „Idioten“ genannt. Nicht persönlich, nein, nein, nur irgendwie öffentlich. Es folgte eine Anzeige. Am Ende stand eine Geldstrafe von über 7.000 Euro – nicht wegen einfacher Beleidigung, sondern weil die Bezeichnung „das öffentliche Wirken des Bundeswirtschaftsministers beeinträchtigt“ habe. Hat ein deutsches Gericht so entschieden. In diesem Jahrhundert.

Anwalt Steinhöfel kommt da aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus. Nicht nur wegen des Richterspruchs, sondern vor allem deswegen, weil Habeck die Angelegenheit überhaupt verfolgen ließ. „Wie kann man sich als Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister mit so etwas befassen?“

Ja, das fragt man sich.

Freilich: Wo es eine Nachfrage gibt, da entsteht auch ein Angebot. Wo es die Möglichkeit gibt, mit dem Abwehren von Kritik auch noch Geld zu machen, entsteht eine entsprechende Industrie. Ein Wiener Prozessfinanzierer spezialisiert sich jetzt darauf, Entschädigungen für Politiker einzutreiben. Mit Künstlicher Intelligenz lässt er das Internet nach möglicherweise unzulässigen Bemerkungen durchforsten. Dann folgt das bekannte Programm: Abmahnungen, Unterlassungserklärungen, Geldentschädigungen.

Den deutschen „Anzeigenhauptmeister“ hat der Wiener schon unter Vertrag genommen – und glaubt, den schrägen Parksündersammler „mit 2.000 bis 3.000 erfolgreichen Beleidigungsverfahren“ zum Millionär machen zu können.

Noch ist nicht bekannt, ob Robert Habeck, Annalena Baerbock oder Marie-Agnes Strack-Zimmermann die Verfolgung von sprachlich ungeschickten Kritikern auch schon von Wien aus betreiben lassen. Falls nicht, kann es bestimmt nicht mehr lange dauern.



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