Tichys Einblick
Es ist nicht, was ist, sondern wie es heißt

Newspeak nach Stuttgarter Krawallen

Brutale Krawalle in Stuttgart haben zu einer Bereicherung unserer Begrifflichkeit geführt. Sprachschöpfer haben Hervorragendes geleistet, Medien die neuen Sprachregelungen sofort übernommen.

imago images / Arnulf Hettrich

Bleiben wir ruhig und sachlich, bilden wir unsere Meinung: Zunächst die nüchternen Fakten. Sie sprechen für sich. Aber bekanntlich zählt immer weniger, was ist oder war, sondern wie wir es nennen. Glasscheiben sind zersplittert, doch die Worthülsenproduktion wird Abhilfe verschaffen, damit die Wirklichkeit nicht zu hässlich wird. Newspeak, die neue, halboffizielle Sprache zur Beschönigung unangenehmer Wahrheiten und zur Leugnung von Tatsachen hat viele neue Begriffe gefunden

Die Fakten zur Erinnerung

In der Nacht von Samstag auf Sonntag haben in Stuttgart aggressive Schläger und Plünderer eine Schneise der Verwüstung geschlagen, schlimmer noch: Sie sind aggressiv auf Polizisten losgegangen, haben Pflastersteine herausgebrochen und als Wurfgeschossen benutzt und haben deren Tod zumindest in Kauf genommen. Ein schockierendes Video zeigt einen jungen Mann, der mit durchgestreckten Beinen auf einen knienden Polizisten springt beim offensichtlichen Versuch, ihm den Rücken zu brechen.

Der Stuttgarter Polizeipräsident erklärte dazu auf einer Pressekonferenz, nach der versuchten Festnahme eines deutschen Jugendlichen sei es zu dieser Gewaltorgie gekommen, an der sich 200 bis 300 meist junge Männer beteiligt haben. Andere Quellen sprechen von 500 Randalierern. Insgesamt waren 280 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz. 19 Polizeibeamte seien bei den Ausschreitungen verletzt worden, ein Beamter sei nach dem Einsatz sogar dienstunfähig gemeldet worden.  Die Polizei war gezwungen, aus ganz Baden-Württemberg Kräfte zusammenzuziehen.

Der Polizeipräsident schließt politische Hintergründe aus, insbesondere linke Zusammenhänge seien nicht erkennbar gewesen. „Wir können aus der momentanen Sicht der Dinge eine linkspolitische oder überhaupt eine politische Motivation für diese Gewalttaten ausschließen“, so Stuttgarts Polizeipräsident Frantz Lutz. Es sei die „Party.- und Eventszene“ verantwortlich. Auf Videoszenen beobachtet man eine Gruppe „südländisch“ aussehender Randalierer. Vize-Polizeipräsident Thomas Berger: »Von 24 Festgenommenen seien 12 Deutsche, drei mit Migrationshintergrund. Die andere Hälfte stammte u. a. aus Bosnien, Portugal, Iran, Irak, Afghanistan. Sie seien aus der „Partyszene“, die sich seit Wochen in sozialen Medien mit aggressivem Verhalten gegen die Polizei brüste.« Und Hans-Jürgen Kirstein, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei Baden-Württemberg: „Es sieht danach aus, dass vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund vorn bei den Randalen mit dabei waren.“

Die Polizei legt Wert auf die Feststellung, dass von den 24 Festgenommen genau die Hälfte „Deutsche“ seien. Bei dem kontrollierten 17-Jährigen, nach dessen Ansprache es zu dem Gewaltausbruch kam, habe es sich um einen „deutschen Staatsbürger mit weißer Hautfarbe gehandelt.“

Newspeak 1: Kleingruppen

Kleingruppen, das klingt nach Kleinkindern, allerdings wildgewordenen Kindergartenkindern, die in den städtischen Blumenbeeten eine Tulpe ausrupfen. Kleingruppen ist die neue Verharmlosung für schwarzbekleidete Straßenkämpfer, die sehr gezielt vorgingen.

Newspeak 2: Partyszene

Häufig verwandt wird auch der Begriff Partyszene. Nach „Großfamilie“ und „Hochzeitsgesellschaft“ gibt es jetzt Dank Stuttgart die nächste Umschreibung dafür, wenn sich bestimmte Gruppen kriminell und asozial verhalten, man aber diese Gruppen nicht beim Namen nennen will. Wir werden in den nächsten Wochen viele Exzesse von diversen Partyszenen erleben.

Newspeak 3: Spontane Zusammenrottung

In Stuttgart gibt es wegen der strengen Coronaregeln eine Szene von Jugendlichen, die sich im Freien trifft, da Clubs und Bars geschlossen sind. Teilnehmer tragen Sturmhauben offensichtlich in der Tasche, um sich jederzeit „spontan“ gegen die Polizei zusammenzufinden. 40 Geschäfte wurden „angegangen“, wie die Polizei mitteilt, so nebenbei eine Beschönigung für das Einschlagen von Schaufensterscheiben und Plünderungen, was bisher verharmlosend in der rotgrünen Presse unter „Entglasung“ lief . Nun ist nach vorliegenden Berichten der Ausgangspunkt tatsächlich die Party- und Drogenszene, mit ihren Überlappungen ins linke Milieu. Aber macht es das besser?

„Wenn eine Rauschgiftkontrolle der Polizei ausreicht, um Plünderungen und Gewaltexzesse durch hunderte Jugendliche auszulösen, dann zeigt das, auf welchem Pulverfass wir sitzen. Der Staat darf den öffentlichen Raum nicht an Gangs verlieren“, schreibt dazu der bayerische Wirtschaftsminister und Vorsitzende der Freien Wähler, Huber Aiwanger. Es ist also die Folge der sich zuspitzenden Verächtlichungsmache der Polizei; die jüngsten Vorgänge sind das neue Berliner Polizeigesetz, das den Beamten generell Diskriminierungsabsichten unterstellt und deshalb die Beweislast umkehrt, so dass Polizisten beweisen müssen, dass sie nicht „diskriminieren“. Dazu gehört auch der ursprünglich von der taz stammende Satz, dass Polizisten Müll seien, und auf den Müll gehörten, weil sie keiner weiteren sozialen Verwendung fähig seien; auch Blätter wie Welt und FAZ schließen sich dem an. Ralf Fücks, lange Vorsitzender der Grünen „Heinrich-Böll-Stiftung schreibt dazu:

„Nein, der Müll-Kommentar in der #taz ist nicht für diese Gewaltorgie verantwortlich. Aber Stuttgart ist die Praxis des verächtlichen Geredes über die Polizei. Worte sind nicht belanglos, und Gewalt ist die rote Linie, die der Rechtsstaat verteidigen muss, egal gegen wen.“

Der Staat gegen eine Partyszene – das ist keine beruhigende Nachricht, auch wenn sie uns als solche verabreicht wird.

Newspeak 4: Corona ist nicht für alle

Nach der neuen als verbindlich anzusehenden Begrifflichkeit sind Randalierende und zuschlagende Horden harmlose Teilnehmer der Eventszene. Bürger hingegen, die friedlich gegen Corona-Beschränkungen demonstrieren, sind als Rechte und Verschwörungstheoretiker zu bezeichnen.

Newspeak 5: Deutsche mit weißer Hautfarbe

Die Berichterstattung ist nur noch präzise, wenn es sich um „deutsche Staatsbürger mit weißer Hautfarbe“ handelt. Bekanntich wäre „Asylbewerber mit dunkler Hautfarbe“ Rassismus, den es per definitionem nur gegen Zuwanderer gibt, aber nicht gegen Einheimische. Ähnlich ging die Polizei auch nach einem tödlichen Angriff auf einen Feuerwehrmann in Augsburg vor. Es stellte sich aber heraus, dass es bei den an dem Angriff beteiligten sieben Jugendlichen um Deutsche mit libanesischem und hauptsächlich türkischen Migrationshintergrund handelte.

Auf Videos der Krawallnacht fällt auf, dass häufig „Allahu Akbar“ gerufen wird, ein Gruß, den sich bekanntlich Ureinwohner Stuttgarts häufig gegenseitig zurufen, wenn sie sich beim Nachhauseweg treffen. Es ist eine verballhornte Form des Schwäbischen Grußes „A Du gehst aa Heim“, der nach ethymologischer Untersuchung der Stuttgarter Innenministers häufig verwechselt wird. Wir werden demnächst darüber berichten, dass unter den Randalierern „auch Deutsche“ waren, wie mittlerweile die Polizei zugibt.

Newspeak 6: Verurteilung der Gewalt

Nach der Stuttgarter Gewaltorgie will Bundesinnenminister Horst Seehofer nun doch Strafanzeige gegen die taz stellen, die Polizisten generell als „Müll“ betrachtet, die auf Müllkippen leben sollten, weil sie sonst zu keiner Tätigkeit zu gebrauchen seien. Das ist ihm etwas spät eingefallen, zunächst hat er vermieden, sich vor die Polizei zu stellen, für die er als Innenminister Verantwortung trägt. „Der Beitrag in der taz gibt die persönliche Einzelmeinung der Autorin wieder“, ließ er seinen Sprecher mitteilen.  Nach Stuttgart ist ihm eingefallen: „Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung der Taten und zu Gewaltexzessen“.

Die taz allerdings kommentierte ein Foto, das auf der Straße verstreute Gegenstände aus einem geplünderten Laden in Stuttgart zeigt, wie folgt: «Nächtliche Ausdehnung eines Ein-Euro-Shops». Gewalt ist eben „lustig“, wenn sie von links kommt, was allerdings so nicht benannt werden darf.

Newspeak 7: Gewalt ist keine Antwort

Kaum ein nennenswerter grüner Politiker, der nicht nach der CSU unter Franz-Josef Strauß klingt in diesen Tagen. Besonders daneben die frühere Parteivorsitzende Katrin Göring-Eckardt im O-Ton: „Gewalt kann niemals die Antwort sein. Es ist wichtig, dass jetzt schnell aufgeklärt und allen Geschädigten geholfen wird.“

Worauf die Krawallmacher und Randalierer Antworten gesucht haben, lässt Göring-Eckardt bedauerlicherweise offen. Man ahnt, was kommt: Sie wird demnächst die rassistische Verfolgung der Täter beklagen, die sie zur Tat geradezu gezwungen hat, wobei sie im nächsten Satz erklären wird, dass es natürlich rassistisch ist, einzelne Gruppen zu benennen, die zwar Täter waren, aber eigentlich Opfer sind, wobei man sie nur in der Opferrolle, aber nicht in der Täterrolle benennen darf.

Newsspeak 8: Rassismus

In unzähligen Demonstrationen und Medienberichten wird angeblicher Rassismus der Polizei als Ursache genannt. Dazu der Tübinger OB Boris Palmer:

„Aus der Tatsache, dass es Rassismus und Polizeigewalt gibt, folgt eben nicht, dass jede polizeiliche Maßnahme gegen Schwarze Polizeigewalt und Rassismus ist …

Ja, es gibt Probleme mit Rassismus auch bei der Polizei. Aber größer ist in unserem Land mittlerweile das umgekehrte Problem: Junge Männer mit Migrationsvordergrund, die sich von „Bullen“ nichts mehr sagen lassen wollen, weil sie sich angewöhnt haben, jede Forderung nach Normakzeptanz als rassistisch anzusehen und darin regelmäßig bestärkt werden. Sie sehen sich also im Recht, wenn sie gegen die Polizei vorgehen.

Newspeak 9, auf die wir noch warten: „Tragischer Vorfall“

Der genannte Augsburger Totschlag war keine Tat, sondern ein „tragischer Vorfall“, wie der dortige Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl (CSU) erklärte. Wir empfehlen dem Stuttgarter OB Kuhn, die Krawallnacht als solchen Vorfall zu den Akten zu legen. Da kann man nichts machen. Nun sind sie halt da.

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