Tichys Einblick
Achtung Glosse!

Friedrich Merz ante portas

In Berlin erlebt so manches Schräge, wer mit einem Hund unterwegs ist. Etwa auf der Wiese vor dem Kanzleramt. Ein Mann in Unterhosen ist dort nur das Zweitmerkwürdigste.

IMAGO / Uwe Steinert

Die Wiese vor dem Kanzleramt ist unter Hundehaltern beliebt. Das Berliner Ordnungsamt lässt sich im Revier der Bundespolizei nicht blicken – und die hat wiederum nichts dagegen, wenn Hunde frei herumlaufen. Nur als jüngst ein Mann den ganzen Tag in Unterhose umherstreifte und Frauen ansprach, griff sie ein und verwies ihn darauf, dass es doch so was wie eine Kleiderordnung gebe.

Das ist in Berlin zwar eine gewagte These. Man kann in der Hauptstadt sich ein gesamtes Glas Weizenbier über die Hose schütten, damit in die S-Bahn einsteigen und ist dort immer noch nicht der am schlechtesten angezogene Mann. Ja nicht einmal im hinteren Drittel. Doch der Mann in der Unterhose sah ein, was die Bundespolizisten meinten.

Trotzdem treffen die Hundehalter vor dem Kanzleramt auf viele schräge Figuren. Am Ende ist es halt immer noch Berlin. Dons Herrchen hatte jüngst das Vergnügen mit einem Mann – schlaksig, eher kahl als haarig und recht deutlich in der Aussprache, trotz sauerländischem Dialekt, aber dafür mangelhaft in der Intention.

Man müsse ja mal die lokale Ebene genau betrachten. Da gebe es ganz natürliche Kommunikations-Momente. Ein Bürgermeister müsse ja ans Telefon gehen, wenn der Landrat anrufe. Schließlich erwachse ihm eine lokale Verantwortung. Für die Stadt oder die Gemeinde, also die Kommune, sei das eine Frage der Verantwortung. Hätte der Mann nur eine Unterhose getragen, Dons Herrchen wäre nicht weniger irritiert gewesen.

Der Mann verschwand bald im nahe gelegenen Tiergarten und tauchte über Moabit wieder auf der Wiese auf. Umstreifte das Kanzleramt. Wägte ab. Schätzte Umrisse ein. Machte Bilder und sprach Passanten an. Weil Don ein Schnüffler ist, kam sein Herrchen nicht schnell genug weg und musste den nächsten Vortrag über sich ergehen lassen.

Er habe ja nicht die Brandmauer in Frage gestellt. Natürlich sei seine Partei klar gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD. Das habe niemand so deutlich – und ohne Einschränkungen oder andere Halbsätze, die nur vom Hauptverb ablenken würden, was ja die Botschaft nur verwässere, und letztlich gehe es ja darum, dass die unmissverständlich sei, weil es sich um eine wichtige Botschaft handele, die den Kern seiner Arbeit ausmache – gesagt wie er. Nun gut. Berlin halt. Wo ist eigentlich die Bundespolizei, wenn man sie mal braucht?

Nachdem er einer Gruppe neuseeländischer Schüler versichert hatte, er stünde vollkommen hinter ihnen, und einem Radfahrer sein Bekenntnis zur Verkehrswende abgegeben hatte, ging der schlaksige Mann aufs Kanzleramt zu. Einen entschlossenen Schritt nach vorne und zwei zögerliche zurück. Da erkannte Dons Herrchen: Meine Fresse, das ist Friedrich Merz.

Er war auf dem Weg, am Tor zum Kanzleramt zu rütteln. Doch noch bevor er es anfasste, entschuldigte er sich bei ihm. Als er so auf die Gitterstäbe einredete, machten die den Eindruck, sie verstünden besser als die anderen auf dem Platz, was er meinte. Als der Mann zurückkam, floh Dons Herrchen. Man muss ja in Berlin schon viel Schräges ertragen – aber nicht noch eine Entschuldigung von Friedrich Merz. Künftig führt das Herrchen seinen Hund am Bahnhof Zoo aus – da sind die Leute einfach seriöser.

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