Tichys Einblick
Achtung Glosse!

Lauterbach, die Kirche und das tote Faultier

Schwerter zu Pflugscharen, Kirchen zu Kühlräumen – so soll es geschehen, wenn es nach Karl Lauterbach geht. Zugleich stirbt ein Zoo-Faultier an Überhitzung, was die klimahysterische Republik in noch größeren Aufruhr versetzt.

Ein Zweifingerfaultier, quicklebendig, aber vom Hitzetod in Deutschland bedroht. Nicht Karl Lauterbach.

IMAGO / imagebroker

Karl Lauterbach ist auf Extremurlaub im Inferno. Das ist wörtlich zu verstehen, denn neben dem Kick, den so ein Trip in das Rekordhitzeland Italien mit sich bringt, verweilt er im grün-roten Arkadien namens Toskana. Bekanntlich die Heimat des größten Dichters Dante Alighieri. Und ebenso wie Dante verirrt sich Lauterbach – nicht mehr ganz so in der Lebensmitte stehend – an einen dunklen Ort. Allerdings nicht einem Wald, sondern einer Kirche.

Gepackt von der touristischen Exkursion nach San Francesco in Siena erfasst Lauterbach eine gesundheitspolitische Vision: Kirchen als Kühlräume im Sommer! Verblüffend. Zwar folgen Katholiken diesem Konzept bereits seit Jahrhunderten, sich zur Abkühlung in einem Gotteshaus niederzulassen – der Autor hat von dieser Methode mehrfach Gebrauch gemacht –, doch für den Rheinländer Lauterbach ist es offenbar eine ganz neue Erfahrung. Entweder, weil er nicht so oft in der Kirche war, oder weil schlicht die Hitze fehlte.

Fleißig nahmen nicht nur die Medienschaffenden des Landes diese phänomenale Idee auf. Auch aus der klimabewegten Kirche gab es positive Resonanz. Man würde dafür sorgen, dass die Kirchen jederzeit offen stünden. Das ist zwar überraschend, denn anders als in Italien stehen in Deutschland zumindest die meisten Kirchen rund um die Uhr offen. Dann wiederum nicht, weil man sich ja erst jüngst ganz dem Klimaschutz verschrieben hat. Ironie am Rande: Bei der letzten gesundheitspolitischen Herausforderung ging es den Kirchen vor allem darum, die Gotteshäuser möglichst zu schließen, weil das der Staat so wollte. Auf dieselbe Weise überbietet der Klerus sich nun neuerlich.

Noch einmal zurück zu den geschlossenen Kirchen in Italien. Diese sind tatsächlich häufig zur Mittagsruhe geschlossen, weil auch der Pfarrer Pause macht. Das Konzept der mediterranen Siesta soll bald auch in Deutschland eingeführt werden. Das fordern zumindest die Amtsärzte für die Sommerzeit.

„Wir sollten uns bei Hitze an den Arbeitsweisen südlicher Länder orientieren: Früh aufstehen, morgens produktiv arbeiten und mittags Siesta machen, ist ein Konzept, das wir in den Sommermonaten übernehmen sollten“, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Johannes Nießen, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Das hat natürlich einen Schönheitsfehler, wenn man jetzt lieber Kirchen offenhalten will zur Mittagszeit. Der Kollege Alexander Wendt hat bereits zu denken gegeben, dass die Übernahme der Siesta als kulturelle Appropriation zu werten und deswegen in Deutschland höchst problematisch sei. Der Kollege Mario Thurnes wehrte dagegen ab: Siesta sei erlaubt, wenn in Deutschland zugleich Tennissocken in braunen Sandalen vorgeschrieben seien. In diesem Sinne wäre es dann eine spezifisch deutsche Errungenschaft.

Doch nicht nur die Menschheit ist vom Rekord-Rekordsommer bedroht. Auch die Tierwelt ächzt unter den Temperaturen. Die Berliner Morgenpost warnt vor dem Fischsterben, basierend – mal wieder – auf einer dpa-Meldung. Die Deutsche Presse-Agentur hatte sich erst kürzlich mit einer Hysteriemeldung verhoben, in der sie die Bodentemperaturen als Richtwert verwendete und vor 46 Grad auf Sizilien warnte.

Nun also droht der Goldfischtod im Fischteich. Es könne wie auch im vergangenen Sommer zu lokalen Fischsterben kommen, sagte der Geschäftsführer des Landesfischereiverbandes, Lars Dettmann. „Vor allem kleine und flache Teiche, denen Wasser fehlt und die einen hohen Nährstoffgehalt aufweisen, können in Schwierigkeiten kommen mit dem Sauerstoff.“ Zu viel Futter könnte für Zierfische gefährlich werden. Ungekannte Herausforderungen für Teichbesitzer. Da räumt auch Dettmann ein: „Es ist in gewissen Grenzen auch ein normales Geschehen.“ Aber das geht in der neuen Fischtodkatastrophe eher unter.

Noch ein anderer Fall aus der Tierwelt sorgte für Entsetzen. Pauli, das Faultier, ist tot. Das Tier aus dem Allwetter-Zoo (sic!) Münster starb an Überhitzung, wie der WDR berichtet. Der Unbedarfte denkt sich bei der Schlagzeile: klarer Fall von Klimawandel! Das arme Faultier! Wird aus dem Regenwald verschleppt und findet sein Ende in der Hitzewüste Deutschland. Moment mal … ein Faultier, dass ausgerechnet in Deutschland an Überhitzung stirbt?

Pauli starb am 10. Juli 2023. Ein investigativer Blick auf die Temperaturen in Münster zwischen dem 3. Juli und dem 10. Juli offenbart: In Münster herrschten zu diesem Zeitpunkt tropische Zustände von 22 Grad. Auffällig, dass der Tod durch Hitze erst jetzt ausgebreitet wird. Der Artikel spart auch nicht an Dramatik, wenn geschockte Zoobesucher davon sprechen, das Faultier dabei beobachtet zu haben, wie es seinen Kopf wiederholt in eine Schale Wasser gekippt hätte.

Schnell entpuppt sich die WDR-Schlagzeile als Aufreger der Kategorie „Mann beißt Hund“. Wo die Schlagzeile den Tod durch Hitzesommer suggeriert, stellt sich erst beim Durchlesen das Artikels heraus, dass es eher mit Vernachlässigung durch die Zooleitung zu tun hatte. Offenbar funktionierte die Klimaanlage im Tropenhaus nicht – sie war noch nicht eingeschaltet. Es handelt sich um eine Fehleinschätzung des Personals, das die Luftversorgung als ausreichend einschätzte.

Das steht zwar alles so im Artikel. Doch der Titel und die Unterzeile sind mindestens irreführend. Schwerwiegend erscheint, dass schon zuvor Störche aufgrund von Fehlern der Zooleitung ums Leben kamen. Das Faultier ist damit nicht so sehr an Überhitzung, sondern an der fahrlässigen Haltung gestorben. Allerdings arbeiten auch Schlagzeilen zu Messerattacken nach diesem Muster. Die Lancierung dieser Meldung erscheint damit lediglich als Auftakt. Denn wer putzige Faultiere für das Pushen der eigenen Agenda missbraucht, dem ist einiges zuzutrauen.

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