Tichys Einblick
Achtung, Glosse

Habeck, der Zauberer mit den zwei Kaninchen

Die Ampel erhöht die CO2-Steuer drastisch, um Löcher zu stopfen. Eigentlich sollte diese Abgabe wieder an die Bürger zurückfließen – ein Versprechen, das die Koalition nie hielt. Der Wirtschaftsminister erklärt nun, die Bürger würden die Kompensation längst bekommen – und hätten es nur nicht gemerkt. Nur eine Spitzen-Grüne stört die brillante Argumentation.

IMAGO / dts Nachrichtenagentur

„Den CO2-Preis wollen wir sozial gerecht gestalten, um damit klimagerechten Wohlstand für alle zu schaffen und Belastungen abzufedern. Alle Einnahmen fließen in Form eines Energiegelds pro Kopf an die Menschen zurück.“ So hieß es 2021 im Bundestags-Wahlprogramm der Grünen. Und weiter: „Je höher der CO2-Preis, desto höher das Energiegeld. Wenn also der CO2-Preis steigt, bekommt jede und jeder auch mehr Geld durch das Energiegeld zurück. Familien und Menschen mit geringen Einkommen haben so unterm Strich mehr in der Tasche.“

Die anderen Ampel-Parteien versprachen im Wahlkampf sinngemäß das Gleiche: An dem CO2-Preis werde der Staat nicht profitieren – alles oder fast alles werde zurück an die Bürger fließen, zwischendurch würde nur ein bisschen gerecht umverteilt. Bekanntlich stieg der CO2-Preis dann – das versprochene „Energiegeld“ kam allerdings nie. Die originelle Begründung lautete, es sei technisch so kompliziert, das Geld zurückzugeben. Dazu brauche der Staat nämlich die Bankverbindungen der Bürger.

Wie immer, wenn Regierungspolitiker etwas nicht wollen, tauchen Schwierigkeiten über Schwierigkeiten auf. Jetzt liegt das Problem der zugesagten, aber nie verwirklichten Energiegeld-Kompensation wieder ganz aktuell auf dem Tisch. Denn die Ampel, die im kommenden Jahr wegen des geplatzten Haushaltstricks rasch ein Loch von 17 Milliarden Euro stopfen muss, will die CO2-Abgabe von 30 auf 45 Euro erhöhen – was so gut wie alle Produkte und Dienstleistungen verteuern dürfte. Nach der Logik des grünen Wahlprogramms von 2021 müsste jetzt, da die CO2-Abgabe auf ein Rekordhoch steigt, auch die Entlastung für die Bürger hoch wie nie liegen. Stattdessen erinnern sich die Bewohner von Ampelland dunkel, dass sie bis heute exakt Nullkommanichts beträgt.

Robert Habeck wäre aber nicht der begnadete Formulierungskünstler, der er ist, wenn er das Ganze nicht erklären könnte. Der Plattform T-Online erzählte er, alles habe schon seine Richtigkeit: Schließlich hätte die Regierung ja die EEG-Umlage abgeschafft, also den Betrag, den jeder Stromkunde zur Finanzierung der festen Einspeisegebühren für Solar- und Windstrom früher über die Energierechnung zu begleichen hatte. In Wirklichkeit wurde die EEG-Umlage überhaupt nicht abgeschafft – sondern nur in den Bundeshaushalt verlegt. Man zahlt also nicht mehr als Stromkunde, sondern als Steuerbürger.

Diese Umbuchung, die schon beim ersten Mal keine Entlastung darstellte, rechnet Habeck jetzt einfach ein zweites Mal ab. Angeblich ist die verschobene EEG-Umlage also gleichzeitig das Klimageld, von dem die Deutschen bisher nichts merken. „Es gibt einen sozialen Ausgleich“, so der Minister: „Das ist ein Klimageld über den Strompreis.“ Auf diese Idee muss jemand erst einmal kommen. Der führende Grüne erinnert immer mehr an den Chefpropagandisten Schwatzwutz (im Original: Squealer) in dem Roman „Farm der Tiere“, der mühelos schwarz zu weiß erklären konnte. Also: Die frühere EEG-Umlage, die Sie jetzt per Steuer finanzieren, ist eigentlich Ihr Energiegeld. Verstanden? Robert Habeck ist der einzige Zauberer, der es schafft, ein nicht vorhandenes Kaninchen gleich zweimal aus dem Zylinder zu ziehen.

Eine Spitzengrüne versteht es jedenfalls nicht ganz, nämlich Katrin Göring-Eckardt. Denn sie forderte jetzt im Interview mit dpa: „Das Energiegeld muss 2024 kommen.“ Da gab es offenkundig ein Problem beim Abstimmen des Wording, wie es heute heißt: Während der eine mit Schmackes beweist, das Energiegeld wäre längst da, nur anders als gedacht, erinnert die andere daran, dass es noch uneingelöst auf dem Programm steht. Aber auch Göring-Eckardt vollführt eine hoch dialektische Volte: Sie plädiert nicht etwa dafür, die CO2-Abgabe wie versprochen wieder an die Bürger zurückzugeben. Das wäre ja viel zu einfach, ja geradezu populistisch. Um das Energiegeld doch noch zu zahlen, schlägt sie stattdessen eine Steuererhöhung vor: „Es gibt eine Finanzierungsquelle, an die wir noch nicht rangegangen sind, und das sind die Extremreichen mit den Supervermögen und den Supereinkommen.“

Die extrem Reichen ziehen es allerdings jetzt schon vor, nicht in Deutschland zu wohnen. Und die, die es noch tun, würden spätestens nach Einführung des Göring-Klima-Opfers fliehen. Weshalb die Sondersteuer dann eben von den nicht ganz so extrem Reichen gezahlt würde, damit Deutschland weiter Bürgergeld auch an Millionen Nichtbürger, Sonderdiäten an Bundestagsvizepräsidentinnen, alle möglichen Meldestellen, Radwege in Peru und möglicherweise auch ein bisschen Klimageld zahlen kann.

Sollten die betuppten Bürger irgendwann aus Protest die Geldüberweisungen an das Finanzamt einstellen, wäre das übrigens kein Steuerstreik. Sie würden nur vorübergehend das Steuerzahlen einstellen, um es später eventuell wieder aufzunehmen. Von Habeck lernen heißt nämlich argumentieren lernen.

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