Tichys Einblick
Verkehrte Welt im ZDF

Glosse: Reinhold, der Rauschgifthändler

Das Zweite macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt: Im „Kleinen Fernsehspiel“ wird ein aufrechter afrikanischer Flüchtling von einem düsteren deutschen Dealer zum Drogenhandel verführt. Im echten Leben ist das eher umgekehrt.

Screenprint: ZDF - Collage: TE

Es gibt ja so Sachen, die kann ein normaler Mensch ohne Humor einfach nicht ertragen.

Das „Kleine Fernsehspiel“ im ZDF gehört dazu. Laut Mainzer Eigenwerbung ist das „die Sendereihe und Redaktion für neue Talente im ZDF. Zusammen mit uns realisieren Film- und Fernsehmacher*innen von morgen ihre ersten Projekte.“

Das klingt so verkopft und politisch überkorrekt, wie es ist. Unser Bundespräsident sagt ja immer: „Seien Sie versichert…“. Also, seien Sie versichert: Auch ich gucke das Zeug nur, damit Sie es nicht müssen.

Im „Kleinen Fernsehspiel“ läuft eher keine heitere und schon gar keine massentaugliche Ware. Dafür wird die schwer verdauliche Kost auf verschiedene Rubriken verteilt. „Große Freiheit für neue Talente“ zum Beispiel. Das ist die „Shooting-Stars-Sommerreihe: 8 Filme junger Regisseur*innen“.

Weshalb das „Kleine Fernsehspiel“, das sich selbst ja sowieso schon als Sendereihe für neue Talente definiert, noch eine Unterabteilung „Große Freiheit für neue Talente“ braucht, bleibt auch nach längerem Nachdenken und einiger Recherche im öffentlich-rechtlichen Dunkeln. Die Wege des Mainzelmännchens sind unergründlich.

Immerhin wissen die Zipfelmützen, wie man den Titel eines Klassikers dazu nutzt, Blech als Gold zu verkaufen. Das geht so: Man nennt ein besonders misslungenes „Kleines Fernsehspiel“ einfach wie ein wirklich großes Werk der Literatur, nämlich „Berlin Alexanderplatz“.

Alles, was man über die Handlung des Films wissen muss, schreibt das ZDF auf seine Internetseite „Der Geflüchtete Francis strandet in Berlin. Dort will er ein neues Leben beginnen. Er hat sich geschworen, anständig zu sein, dann begegnet er dem zwielichtigen Drogendealer Reinhold.“

Hier nun setzt der oben schon erwähnte Humorbedarf ein. Denn wer kennt ihn nicht: Reinhold, den ruchlosen Rauschgifthändler vom Görlitzer Park. Jeden Tag sind die Zeitungen doch voll von Erfahrungsberichten unschuldiger junger Migranten-Männer, die an einem von Berlins zahlreichen Drogen-Hotspots vorzugsweise von Bio-Deutschen mit klassisch germanischen Vornamen zum Dealen genötigt werden.

Die polizeiliche Kriminalstatistik der Hauptstadt vermerkt für das Jahr 2022 als ermittelte Tatverdächtige bei Drogendelikten übrigens 44 % „Nichtdeutsche“. Mindestens die Hälfte der Berliner Rauschgifthändler dürfte also recht sicher nicht Reinhold heißen. Wer einmal mit real existierenden Berliner Drogenfahndern spricht, wird von einem Markt hören, den fast ausschließlich arabische Clans und afrikanische Asylbewerber beherrschen.

Weiße oder Deutsche, oder auch weiße Deutsche, kommen in der hauptstädtischen Rauschgiftszene natürlich vor. Nur eben eher als Kunden.

Mit knapp drei Stunden ist „Berlin Alexanderplatz“ mit weitem Abstand das längste Machwerk in der „Shooting-Stars-Sommerreihe“ – fast eine ganze Stunde länger als der zweitlängste Film. Und mit jeder schmerzhaft zäh aus der Uhr fließenden Minute fragt man sich mehr: warum nur, warum?

Nein, mit dem Zweiten sieht man nicht besser. Sondern 180 Minuten monumentaler Langeweile mit jederzeit absolut vorhersehbarer Handlung in einer woken Fantasiewelt, die ziemlich genau das Gegenteil von dem ist, was die Zuschauer als ihre Lebenswirklichkeit kennen.

Wenn das wirklich von den besten Talenten gemacht wird, die das ZDF mit seinen ja nahezu unerschöpflichen Ressourcen auftreiben kann – dann liest man doch besser ein Buch.

Alfred Döblin hat ein paar gute geschrieben.

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