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Glosse: ISIS-Anführer nach Lauterbachs „Geiselhaft“-Zitat: „Sie verharmlosen uns, wir haben genug“

Im Exklusivinterview erzählt der ISIS-Anführer über die Sorgen der Terroristen. Die deutsche Politik treibe sie in Depressionen. Während sie alles für Allah geben, müssten andere nur spazieren gehen, um als Staatsfeinde zu gelten. Das sei nicht fair.

IMAGO / UIG

Achtung, Achtung – dies ist eine Glosse: Am Donnerstag, den 17. März, hat der Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit seiner Rede im Deutschen Bundestag zur allgemeinen Impfpflicht für reichlich Gesprächsstoff gesorgt. Besonders polarisierte ein Satz, der sich auf die Ungeimpften bezog: „Das ganze Land wird in der Geiselhaft dieser Menschen sein.“

Doch nicht nur im deutschsprachigen Raum sorgte diese Rhetorik für Aufregung. Wir sind vor Ort in einem Unterschlupf in Bagdad, wo wir mit Ahmed Saddam Omar Mohammed Mohammed Saad Al‘Said Raad, Anführer des ISIS, sprechen. Er ist auf uns zugekommen, um uns „seine Seite der Geschichte“ zu erzählen.

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Die terroristisch agierenden Milizen des ISIS sahen sich bis vor Kurzem noch als Erzfeind des freien Westens, doch nun müssen sie feststellen, dass sie von ihrem Thron verstoßen wurden. „Es würde nicht so wehtun, wenn der neue Feind eine angemessene Konkurrenz wäre“, so Ahmed. „Wir schauen uns das jetzt schon lange an. Bereits als Markus Söder die Corona-Todeszahlen mit täglichen Flugzeugabstürzen verglich, war das eine derbe Verletzung unserer Gefühle. Vor allem die unserer Brüder, die damals bei al-Qaida 9/11 mitgeplant haben, sie brauchten lange, um das zu verkraften.“ Weiter führt er aus: „Doch das war erst der Anfang. Das Virus selbst ist nicht das Problem. Mehr Sorgen macht uns diese Corona-Leugner-Bewegung. Wir wurden lange nicht mehr so gefürchtet.“

Mit „Corona-Leugner-Bewegung“ meint Ahmed die Bürger in Deutschland, die die Corona-Maßnahmen nicht weiter tragen wollen. Sie protestieren zweimal die Woche gegen die Grundrechtseinschränkungen, die der Ausnahmezustand, der nach Lauterbach jetzt zum Alltag werden wird, mit sich bringt. Ahmed klagt an: „Die Anerkennung, die die für ihre Arbeit bekommen, ist unglaublich. Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte, dass eine ungeimpfte Minderheit die Mehrheit terrorisieren würde, Niedersachens Ministerpräsident Weil rechnet ihnen gar an, eine ganze Gesellschaft in Angst und Schrecken zu versetzen. Es scheint, als hätten sie vergessen, dass es uns gibt.“

Das alles hätten sie noch zähneknirschend zur Kenntnis genommen, so Ahmed. Doch mit dem Zitat von Karl Lauterbach ist nun endgültig Schluss. „Als ob wir nicht schon unzählige Male bewiesen haben, wie Geiselhaft richtig gemacht wird. Sie verharmlosen uns, wir haben genug“, klagt Ahmed Saddam Omar Mohammed Mohammed Saad Al‘Said Raad an. In seiner Stimme: Wut und Verzweiflung.

„Esoteriker, die Hippiemusik machen und den Dalai Lama zitieren – keine einzige Hinrichtung, nichts!“

„Die laufen mit dem Grundgesetz rum und sollen vom Verfassungsschutz beobachtet werden, wir führen die Scharia aus, aber da interessiert es niemanden. Sie bezeichnen sich als Friedensbewegung, haben Sie mal eine von deren Demos gesehen? Esoteriker, die Hippiemusik machen, auf der Straße tanzen, den Dalai Lama zitieren. Keine einzige Hinrichtung, nichts. Es ist lächerlich. Und doch werden sie aktuell mehr gefürchtet als wir. Wir wissen nicht, wie sie es machen.“

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Diese Stimmung herrscht unter Ahmed und seinen Anhängern schon seit Längerem. „Für uns gelten mehr Grundrechte als für ihre eigenen Bürger. Sie schützen uns, als bräuchten wir den Schutz von diesen Ungläubigen.“ Ahmed spielt auf ein Gerichtsurteil des Bundesverfassungsgerichts an, das dem BND eine globale Überwachung verbietet, weil deutsche Grundrechte auch für Ausländer gelten sollen. Die Telegram-Nachrichten am anderen Ende der Welt sind somit gesichert, auch wenn es um Terrorismus geht. Bei Corona werden dann aber Ausgangssperren, Impfpflichten und Notstände toleriert.

Aber auch abseits von Corona fühlen die ISIS-Anhänger sich in ihrer Ehre verletzt. Die Wahl von Olaf Scholz nehmen sie sehr persönlich. „Er war Innensenator von Hamburg, als einer von uns in Hamburg 9/11 mitplante und jetzt ist er Bundeskanzler. Und die von ihm ernannte Innenministerin kämpft nach wie vor beinahe ausschließlich gegen Rechtsextremismus. Sie machen es uns zu leicht, das ist würdelos.“

So viel geopfert, so viel gekämpft – und jetzt das!

„Jeder, der was gegen FFP2-Masken hat, gilt als Terrorist. Wissen Sie, wie hart wir für diese Bezeichnung geschuftet haben? Sie werfen ihnen vor, dass sie ihnen die Freiheit gestohlen haben. Daran arbeiten wir seit 2003, aber bei uns hat das niemand anerkannt.“ Die Verzweiflung in Ahmeds Stimme wird stärker. Die Respektlosigkeit, die von der deutschen Politik ausgehe, bleibe nicht ohne Folge. „Die Moral unter unseren Männern sinkt stetig“, so Ahmed, „sie sehen nicht ein, weshalb sie so viel opfern müssen, wenn sie auch einfach spazieren gehen könnten.“

Ahmed selbst gibt sich anfangs noch gefasst, doch als er auf das Zitat von Stephan Weil zu sprechen kommt, verliert auch er die Fassung. Er stockt, hält inne, schaut Richtung Mekka, eine einzelne Träne läuft über sein Gesicht. „Auch ich habe so viel geopfert, so erbittert gekämpft.“ Ahmed ist 36 und Familienvater. Seine fünf Ehefrauen, keine davon volljährig, haben ihm bereits 23 Kinder geschenkt, schändlicherweise überwiegend Mädchen. „23 Kinder und die meisten sehen in keinster Weise aus wie ich, ich bin einfach so oft weg. Doch ich darf mir nichts anmerken lassen, keine Schwäche zeigen. Mein ältester Sohn ist mein ganzer Stolz, mein kleiner Osama Ali ist schon so groß geworden, und ich habe schon so viel verpasst. Ich bin selten zu Hause, ich arbeite hart in meinem Krieg gegen den freien Westen. Als mein kleiner Ali seinen ersten Schuss abgefeuert hat, war ich nicht da. Als er zum ersten Mal seine Schwester geschlagen hat, war ich nicht da, es ist so traurig.“

Seit Corona sind die Terroristen „völlig fertig“

Eine zweite Träne rollt über seine Wange. „Ich hatte auch Träume, wissen Sie?“ Er erzählt uns, dass er eigentlich ein Herz für Kunst und Ästhetik hat, am liebsten Fashion Merchandising an der Universität Kairo studiert hätte.

So wie Ahmed geht es vielen ISIS-Kämpfern. Der Weg des einzig wahren Gottes ist oftmals ein undankbarer. Die Opfer werden zum großen Teil erst nach dem Tod ausgeglichen, dem Weg Allahs fromm zu folgen, gleicht die meiste Zeit einer nationalen Kraftanstrengung. „Und gerade wenn man die völlig gleichgültige Reaktion des Westens sieht, verliert man schnell die Hoffnung. Meine Kinder sind in einer Welt ohne Twin Towers geboren, das ist das einzige was mich an solchen dunklen Tagen noch antreibt“, sagt Ahmed. „Die Ungläubigen machen mich völlig fertig“, stimmt sein Kamerade Abid Nasser Youssef Alhud ihm zu.

Karl Lauterbach und Co. haben wahrlich nicht nur in Deutschland ihre Spuren hinterlassen.

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