Die Deutschen wollen Fußball sehen. 9,6 Millionen schalteten RTL ein, als die das Finale der „Uefa Europa League“ zeigten. Eine Werbeinsel um 0.26 Uhr hatte immer noch 860.000 Zuschauer allein in der werberelevanten Gruppe der 14- bis 49-Jährigen. Mehr als die Tagesschau an dem Abend. Fußball zieht.
Allerdings, da Verwechslungsgefahr besteht: Es geht nicht um den Fußball, in dem ein Mann öffentlich seine Sexualität in Frage stellt, sondern um den, in dem er eine Platzwunde am Kopf verpasst bekommt, sich tapen lässt, aufsteht, weiterspielt, gewinnt und am nächsten Tag ein Foto postet, auf dem er lächelnd seine mehrere Zentimeter lange Narbe zeigt. Es geht um den Fußball, der gespielt wird. Für den eine Mannschaft kämpft, bis sie Krämpfe hat. Das Finale erreicht – und gewinnt.
Der letzte Satz war unklug. Dramaturgisch. Von Kämpfen, Finale erreichen und Gewinnen ist es ein arg weiter Weg zur „Mannschaft“, früher bekannt als „Nationalmannschaft“. Doch das „Nationale“ hat die Mannschaft so angewidert weggeworfen, wie Angela Merkel einst das schwarz-rot-goldene Fähnchen von Hermann Gröhe. Gut. Sie profitiert auch wie kein zweiter von der Überwindung des Nationalstaates. Die vielen Ex-Republiken Jugoslawiens und der Sowjetunion erlauben der Mannschaft, zwischen zwei Turnierpleiten Erfolge vorzugaukeln. Armenien und Nordmazedonien sind leicht genug für eine Siegesserie. Vor allem, wenn man sich zwischendrin noch mit dem Fußballgiganten Liechtenstein anlegt.
Solche Heldentaten lassen der Mannschaft zudem dafür Zeit, wofür Fußball da ist: Zeichen setzen. Tritt die Nationalma… – sorry, kommt nie wieder vor. Tritt die Mannschaft an, ähnelt das eher einem Parteitag der Grünen als der Partie Eintracht Frankfurt gegen Glasgow Rangers: Der Mittelkreis stellt das Friedenszeichen dar. Ein Fallschirmspringer gefährdet Menschen, um für Spendenschutz, Klimadienstwagen, nein Gehaltsrettung – also das wirbt, worum es Greenpeace geht. Die Spieler gehen aufs Knie, um gegen Polizeigewalt zu demonstrieren – nachdem sie sich im Bus von eben diesen Gewalttätern haben eskortieren lassen.
Und natürlich: am Allerwichtigsten. Um gegen Homophobie zu demonstrieren. Also die Regenbogenfahne zu zeigen. Geschätzt wird, dass jeder zehnte Mann homosexuell ist. Nimmt man die Ersatzspieler dazu, müssten das also in der Nat… in der Mannschaft zwei oder drei sein. Geoutet hat sich bisher kein Aktiver, sodass es mit dem „schwulen Stolz“ nicht weit her sein kann, für den die Nationalmillionäre jetzt wieder geworben haben. An einem der 53 Gedanktage im Jahr veröffentlichten sie Memes: Bilder, auf denen die Spieler zu sehen sind. Die Hochformat-Bilder sind quer gestellt – quer wie queer. Wie witzig. Ach so. Auf den Bildern steht „Wir stellen uns queer“. Witzig. Wahnsinnig. Quer wie queer.
Hoffentlich hat die Werbeagentur, die sich das ausgedacht hat, dafür ein mittleres Vermögen erhalten.
Und wie mutig. Edel und tapfer. Sich nicht zur eigenen, aber zur Homosexualität allgemein zu bekennen. In einem Land wie Deutschland, in dem Fußballer verprügelt werden, weil sie gegen Diskriminierung werben. Wo Radio und Fernsehen sie dafür für immer verbannen und keiner mehr einen Job findet, der sich so mutig bekannt hat. Ok. In Katar ist das so. Deswegen wird die Nat… – verdammt nochmal – die Mannschaft dort den Zinnober auch nicht veranstalten.
Engagement ist nur sinnvoll, wenn es sich finanziell auszahlt. Da ist die Mannschaft dann wieder ganz wie die Grünen. Schließlich teilt sie sich mit deren Parteitag fast die gleichen Sponsoren.