Tichys Einblick
Achtung, Glosse

Friedrich Merz wohnt jetzt im Grünen – und muss den Ossis das erklären

Merz sagte in den Tagesthemen, man müsse im Osten mehr erklären als im Westen. Aber er tue es gern. Auf dem CDU-Parteitag hat er geduldig erklärt, sodass auch Ossis das verstehen, dass wer Schwarz wählt, Grün bekommt. Die Ossis danken ihm dafür – schließlich dürfen sie ja im Herbst wählen, das haben sie sich damals erkämpft.

Screenprint: ARD / Tagesthemen

Ich gebe zu, ich kann es ja doch nicht verheimlichen, ich komme aus dem Osten. Man merkt es mir schon von weitem an, begriffsstutzig, wie ich bin. Deshalb bin ich auch dem Friedrich Merz so sehr dankbar, der in den Tagesthemen, die für uns im Osten viel zu hoch ist, den bejammernswerten Zustand in die Worte fasste: „Man muss im Osten mehr erklären als im Westen, das ist wahr.“ Doch existiert für uns, die Doofen aus dem Osten, Hoffnung. Denn Friedrich Merz, der Gute, der spart zwar Anmut, nicht aber Mühe, wenn er sich den Doofen aus dem Osten annimmt.

„Man muss im Osten mehr erklären als im Westen, das ist wahr.“ „Aber“, so der Tausendsassa aus dem Sauerland weiter, „ich tue es gern.“ Hosianna! Er tut es gern! Er tut es wirklich gern. Was für ein Glück! Der Friedrich Merz kommt – und er kommt mit eigenem Flugzeug, um denen aus dem Osten, die eben schwer von Begriff sind wie ich, die weite, weite Friedrich-Merz-Welt zu erklären. Darauf eine Peter Stuyvesant. Okay, ein bisschen muss er das auch als CDU-Vorsitzender, denn CDU heißt ja auch: Caritas für die Doofen unter uns.

Was mir jetzt Friedrich Merz auf dem CDU-Parteitag geduldig, sodass auch ich das verstehe, erklärt hat, ist, dass wenn ich den Friedrich Merz wähle, ich die Ricarda Lang und den Robert Habeck, die Annalena Baerbock und den Omid Nouripour, die Lisa Paus und die Steffi Lemke – und die allerhellste Kerze auf der ostdeutschen Torte Katrin Göring-Eckardt gleich mitbekomme. Obwohl die inzwischen ein Windbeutel ist.

Hatte Friedrich Merz nicht Anfang 2023 die Grünen noch als Hauptgegner der CDU bezeichnet? Doch daran, diese Frage zu stellen, sich daran zu erinnern, erkennt man, wie schwer von Kapee ich bin, wie viel man mir erklären muss. Und das macht der Friedrich Merz aus dem Sauerland sehr gern, denn, so erklärt er diese Äußerung wenig später damit, dass die Hauptgegner die „20-jährigen Studienabbrecher in der grünen Bundestagsfraktion, die uns von morgens bis abends die Welt erklären“ seien. Doch der arme Friedrich Merz muss weiter denen im Osten mehr erklären als im Westen, was er übrigens gern tut, denn Hauptgegner meint ja nur, dass der Omid Nouripour und die Ricarda Lang hautsächlich zugegen sind, wenn sich Friedrich Merz wieder einmal von den beiden Studienabbrechern die Welt im Allgemeinen, die deckungsgleich mit der Welt der Grünen ist, weshalb es keines Attributes bedarf, erklären lassen will.

Und weil meine eigene, ossihafte Begriffsstutzigkeit die eines durchschnittlichen Ossis – also schier unüberwindlich, verstockt von Suhl bis Rostock und von Marienborn bis Frankfurt an der Oder – ist, kommt Peter Carstens von der grünen Gartenlaube FAZ hinzu, der dem Friedrich Merz beim Erklären unter die Arme greift: „Merz hält von dieser Verengung nichts oder jedenfalls nichts mehr. Sein Verhältnis zu den grünen Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang wird als „entspannt“ beschrieben. Es gibt gemeinsame Interviews, Treffen, Gespräche.“ Is det nich schlau? Die relaxen miteinander wie wild, der Friedrich, die Ricarda und der Omid. Wenn die jetzt noch eine gemeinsame Regierung bilden, hat der Friedrich geschafft, was der Angela versagt blieb – trotz aller Mühe, auch ohne Anmut übrigens. Eine Bergbesteigung ohne Berg, ein Tiefseetauchen ohne Tiefsee. Mann, Mann, Mann, der Friedrich, der stellt die Angela Merkel noch in den Schatten. Mit den Grünen zusammen wird er das Land transformieren, bis wir alle Kopftuch tragen – in Regenbogenfarben versteht sich.

Doch, wo sich traulich Herz zu Herz gesellt, stellen sich auch Neider ein. Aber die FAZ passt auf: Die SPD, verrät Peter Carstens nun sechs ausgewählten Bürgern, also allen Lesern der FAZ, plant eine Schmutzkampagne gegen den Friedrich, der sich so viel Mühe mit mir begriffsstutzigen Ossis gibt. Na, Mensch, also wirklich die SPD, wirklich, nee, also… Das gehört sich wirklich nicht. Der Friedrich war doch gar nicht dabei, musste bei Blackrock schuften, als die SPD mit der CDU gemeinsam im Bund regiert und kräftig gemeinsam die Weichen gestellt hat für die Katastrophe, auf die Deutschland zurast, jetzt davon aber nichts mehr wissen will, obwohl sie diese Politik nun mit den Grünen und den Gelben schneller und konsequenter vorantreibt, also das Tempo des Zuges erhöht, über dem Friedrich Merz mit eigenem Flugzeug kreist, in dem ganz entspannt die beiden Studienabbrecher von den Grünen Platz genommen haben, um von ganz weit oben auf Deutschland herabzublicken. Das ist ohnehin ihre Lieblingsperspektive, weit weg von den Problemen, von oben herab alles beurteilen. Von dort oben sieht Friedrich Merz auch den Ossi, dem er, wenn er nicht gerade fliegt, sehr viel erklären muss, mehr als im Westen, weil es im Westen mehr Leute gibt, die sich wie er ein Privatflugzeug leisten können. Denen muss er das Fliegen mit einer solchen Kiste nicht erklären.

Wenn man also nach oben blickt, weil sich kurz ein Schatten vor die Sonne geschoben hat, sieht man Fritze Merz mit der Ricarda und dem Omid im Flugzeug ganz entspannt über der deutschen Misere kreisen und einen Joint rauchen, darf er ja jetzt, ist jetzt legal. Man kann das zwar von so weit unten, aus der Ossi-Pesrpektive nicht sehen, aber dafür haben wir Peter Carstens von der Gartenlaube für Alt- und Neugrüne, der mir begriffsstutzigem Ossi erklärt: „Ginge es nach Sympathien, hätten Merz und die Grünen wohl keine Probleme.“

Na, dann habe ich als begriffsstutziger Ossi jetzt begriffen, dass der Friedrich sehr gern grüne Unterhosen trägt oder anders: dass ich grün bekomme, wenn ich schwarz wähle. Ich danke deshalb sehr Friedrich Merz und Peter Carstens für die geduldigen Erklärungen, schließlich darf ich ja im Herbst wählen, habe ich mir erkämpft, auch im Herbst, aber 1989.

Anzeige
Die mobile Version verlassen