Tichys Einblick
Nach den Flut-Affären

Frauen in der Politik

Frauen haben einen anderen Politikstil, zeigen mehr Gefühl, sind einfach menschlicher, verständnisvoller, nicht so abgebrüht wie wir Männer. Die allerdings inzwischen auch Gefühle, sogar Tränen zeigen dürfen, ja müssen, um mithalten zu können. Anders ja, aber auch besser?

IMAGO / Sämmer

„Es war ein bemerkenswerter Auftritt,“ kommentiert die Tagesschau.
Ja, das stimmt. Doch nicht in dem Sinne, wie es dann interpretiert wird. Und ich erlaube mir, diesen Vorgang einmal grundsätzlich zu kommentieren, und bitte schon mal unsere Leserinnen um Nachsicht und Vergebung. Aber ich bin 9.000 Kilometer weg von Deutschland, da wird man(n) schon mal mutig(er).

Wir müssen uns also künftig wohl an solche „bemerkenswerten Auftritte“ gewöhnen. Wir wissen ja seit der Blütezeit des (durch Diversität allerdings längst überholten) Feminismus: Frauen haben einen anderen Politikstil, zeigen mehr Gefühl, sind einfach menschlicher, verständnisvoller, nicht so abgebrüht wie wir Männer. Die allerdings inzwischen auch Gefühle, sogar Tränen zeigen dürfen, ja müssen, um mithalten zu können.

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Vorbei die „gute alte Zeit“, als ein alter weißer Mann wie Konrad Adenauer sein neues Kabinett mit „Morjen, meine Herren!“ begrüßte. Elisabeth Schwarzhaupt begehrte auf: Die damals 60-jährige Juristin war die erste Ministerin, zuständig für Gesundheit, also „Gedöns“, um es mit Gerhard Schröder zu sagen. Adenauer gab zurück: „In diesem Kreis sind auch Sie ein Herr.“ Das war 1961. Heute könnte man angesichts mancher Kabinetts-Typen unisono sagen: „Morjen, meine Damen.“

Nun haben wir Frau Heinen-Esser von der CDU oder Frau Spiegel von den Grünen. Voller Gefühl. Beides Totalversagerinnen (entschuldigen Sie bitte diese Hassrede!) während der verheerenden Flut in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Längst nicht mehr Gedöns. Die Damen waren die Zuständigen in der Katastrophe, die mehr als 180 Opfer gefordert hat.

Aber wir haben ja brav mit Genderstern gelernt: Frauen sind die besseren Politiker*innen, egal, was passiert. Also müssen wir uns daran nun gewöhnen. An eine ganz neue Art von Kompetenz, Sachverstand, Zuständigkeit und vor allem Verantwortung. Denn darum geht es.

Während solche erbärmlichen Weicheier wie Möllemann, Späth, Özdemir, Gysi oder gar Strauß so mir nichts dir nichts zurücktraten, ohne Tränen und Gefühl, bleibt die Damenwelt wenigstens standhaft. Und inszeniert das in einer wirklich neuen, bisher unbekannten Art.

"Ich muss es noch irgendwie abbinden"
Anne Spiegel schiebt persönliche Gründe für Fehlverhalten in der Flutkatastrophe vor
Ja, das ist wirklich ein neuer Politikstil, ein anderer, ein besserer, einer mit Herz und Gefühl. Das Strickmuster (sorry) sollte man sich patentieren lassen: es geht um die Kinder, und der Mann ist schuld. Die Täterinnen von Ahr, Erft und anderen Flüssen lassen denn auch reichlich Tränen fließen, wenn sie ihren viel gepriesenen, zum Beispiel zur „feministischen Außenpolitik“ (Baerbock) hochgejazzten Stil praktizieren.

Rücktritt? Pustekuchen! Wo käme wir denn dahin, wir sind doch Frauen, haben einen neuen Politikstil. Frau Spiegel hat sich gestern abend selbst entschuldigt. Das muss ja wohl reichen. Diverses Persönliches hatte sie zu später Stunde vor der bass erstaunten Hauptstadtpresse zu bieten: Ihr Mann habe 2019 einen Schlaganfall erlitten, die vier Kinder seien nur schlecht „durch die Pandemie gekommen“ und mit der Spitzenkandidatur in Rheinland-Pfalz und dem Amt als Umweltministerin habe sie viel Arbeit gehabt: „Es war zu viel. Das hat uns als Familie über die Grenze gebracht. Wir haben Urlaub gebraucht, weil mein Mann nicht mehr konnte.“

Ich stelle mir plastisch vor, ein Mann hätte gesagt. „Weil meine Frau nicht mehr konnte“ ….

Kommentar in Bild heute: „Es war ein Auftritt, wie es selten einen gegeben hat! Anne Spiegel tritt kreideblass, offensichtlich verwirrt, kurz vor den Tränen vor die Presse. Eine Bundesministerin! Zahlreiche Entschuldigungen, Erklärungen: ihr Mann sei krank, ihre Kinder von der Pandemie gebeutelt. Man muss das ernst nehmen! Menschlich verdient Anne Spiegel Mitgefühl, Wärme, Verständnis. Als Politikerin ist sie heillos überfordert.“

Obwohl Christ, fehlt es mir leider an diesem Mitgefühl, an Wärme und erst recht an Verständnis. Das Ganze ist nun zehn Monate her. Zehn! Wer das bis dahin nicht sachlich und emotional auf die Reihe gebracht hat, ist völlig fehl am Platz für ein Amt, zu dem man den Eid abgibt, „Schaden vom Volk zu wenden.“ Oder ist das der neue Stil, an den wir uns gewöhnen sollen? Kann ja sein ….

Verzweifelte Eltern, die aus ebendiesen Gründen auf die Straße gingen und sich seit zwei Jahren zur Stimme der Opfer der „Pandemie“ machten, nämlich der Kinder und der Alten, wurden verhöhnt, verspottet, verachtet. Lesen Sie mal die vielen höchst gefühlvollen, warmherzigen, verständnisvollen Attribute nach, die die stilvollen Genoss*innen der Dame „über die Grenze“ für die wirklich gebeutelten Eltern hatten. Eltern ohne Chauffeure, Dienstlimousinen, Freiflüge, Mitarbeiterstäbe, Referenten, Sekretärinnen etc pp. In der Verleumdungs- und Hassrhetorik waren Frauen oft die schlimmsten, die unnachgiebigsten. Höchstens übertroffen von Söder und Kretschmer.

"Dreist gelogen"
Spiegel im Urlaub, Dreyer von nichts gewusst
Lügen, bis es nicht mehr geht. Ist das der neue Stil einer Politik, die immer weiblicher wird? Das andere Paradebeispiel heißt Heinen-Esser, Spiegels Kollegin von der anderen Feldpostnummer. Exakt das gleiche Muster: die Kinder, der Mann – dessen Jahrgang alters-diskriminierend sogar von der Dame selbst zur Debatte gestellt wurde. Nie und immer wäre sie zurückgetreten, wären in NRW nicht am 15. Mai entscheidende Landtagswahlen. Es droht der Untergang wie an der Saar. Deshalb ist das CDU-Geschrei zu Spiegel pure Heuchelei!

Es reicht ja schon, dass ein Mann (!) wie CDU-Ministerpräsident Wüst als Verkehrsminister die desolaten Autobahnbrücken der meistbefahrenen Sauerlandlinie schleifen ließ und jetzt für die größte Umweltsauerei (WDR-Jargon) und Lärmbelästigung in vielen (Umleitungs-) Orten verantwortlich ist.

Doch es gilt der alte Spruch, sicher von alten weißen Männern ausgedacht: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Die Affäre um die Mallorca-Reise von Heinen-Esser weitet sich immer mehr aus. Laut „Kölner Stadt-Anzeiger“ waren auch Kommunalministerin Scharrenbach, Europaminister Holthoff-Pförtner und Integrationsstaatssekretärin Güler (alle CDU) während der Flutkatastrophe nach Mallorca gereist. Anlass war die Party für Heinen-Essers Ehemann am 23. Juli, als die Flutopfer im Nichts saßen und ums Überleben kämpften. Das Umweltministerium bestätigte den Vorgang inzwischen.

Und wenn Frau Güler das Verhalten s e l b s t inzwischen als pietätlos bezeichnet: warum treten nicht alle aus der Feierrunde zurück und geben angesichts der Dimension der Katastrophe ihre Ämter und Mandate auf?

Bei Spiegel und Heinen-Esser ist zu bedenken, und das ist das entscheidende: die eine wurde Monate n a c h  dem inzwischen längst bekannten Totalversagen zur Bundes(!)Ministerin gemacht, die andere auf die Plakate geklebt und auf einen Spitzenplatz der CDU-Landesliste NRW gehievt. DAS ist der Skandal. Deren Parteien, zwei Landesregierungen und die neue Bundesregierung sind also in Mithaftung. Das ist die wahre Dimension.

Ihre Kandidatur für den Kölner Wahlkreis Innenstadt ist nicht mehr rückgängig zu machen, ihr Name wird auf den Wahlzetteln stehen. In der Stadt hängen längst tausende Plakate mit ihrem Gesicht. Mit dem CDU-Slogan: „Nachhaltig für morgen.“

Mit Ihrem Rücktritt hat sie der CDU einen letzten großen Dienst erwiesen: Auch Anne Spiegel  war nicht mehr zu halten, das Kabinett Olaf Scholz damit beschädigt. So geht Politik.

Toll! Viel Spaß also beim Wählen!


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