Tichys Einblick
Achtung Glosse! Achtung Glosse!

Frau Göring-Eckardt meint es ernst

Loben können wir Katrin Göring-Eckardt in Zukunft selbst dann nicht, wenn es nötig wäre. Denn dann würde es gleich wieder heißen: „Tichys Einblick“ macht sich lustig.

IMAGO/Sven Simon

In Oscar Wildes Stück „Ernst sein ist alles“ heißt es: „Die Wahrheit ist selten rein und niemals einfach. Anderenfalls wäre das moderne Leben langweilig.“ Versuchen wir es trotzdem mit der Wahrheit, obwohl wir es hier in diesem speziellen Fall, in dem es um die beliebte Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt geht, nicht nur mit der Abgeordneten und dem modernen Leben an sich zu tun haben, sondern auch noch mit Anwälten.

Also: TE veröffentlicht seit einiger Zeit unter der Rubrik „ALMOST TRUE NEWS – BEINAHE WAHRE NACHRICHTEN“ kleine parodistische Texte. Zur Sicherheit steht auch noch „Achtung Satire!“ darüber. Wenn auch nicht vor und hinter jedem Wort, denn das würde den Lesefluss dann doch etwas beeinträchtigen.

In besagtem und von Anwälten jetzt in Auftrag der grünen Bundestagsabgeordneten abgemahnten Text geht es um die wie gesagt beliebte Politikerin, die in einem fiktiven Interview – Achtung Satire, Vorsicht, es ist also gar nicht wahr – mit „Tichys Einblick“ spricht. Gleich zu Beginn heißt es dort: Achtung, alles erfunden – wir können ja gar nicht oft genug darauf hinweisen –, dort heißt es jedenfalls aus dem fiktiven Mund der ansonsten realexistierenden Katrin Göring-Eckardt: „Eigentlich gebe ich rechtsgerichteten Meinungsmedien wie Tichys Einblick keine Interviews, weil sie ja doch meine Äußerungen verdrehen und verbiegen würden.“

Wie die Anwälte Göring-Eckardts schreiben, verdreht und verbiegt TE damit auch das nichtgesprochene Wort ihrer Mandantin, da Leser möglicherweise den mehrfachen Satirehinweis gleich mehrfach überspringen. „Aus Rezipientenperspektive“, schreiben die Juristen, „wird nicht deutlich, dass es sich um eine vermeintliche Satire handelt.“ Kein Wunder, es handelt sich ja auch nicht um eine vermeintliche, sondern um eine echte Satire. Offenbar wurde das nicht einmal den Anwälten deutlich.

Aber vielleicht sollte TE in Zukunft überhaupt über jeden Text den Hinweis „vermeintliche Satire“ stellen. Grundsätzlich passt er ja auch zu erstaunlich vielen Themen. Etwa, wenn der Chefvolkswirt der EZB erklärt, die Inflation in der Eurozone sei noch zu niedrig. Oder wenn es heißt, Merkels Kanzleramtsminister Helge Braun würde überlegen, für den CDU-Vorsitz zu kandidieren. Wobei: Was gibt’s da zu lachen? Ein Narkosearzt wäre jetzt genau richtig für die Partei.

Die Kabarettistin Monika Gruber beschwerte sich kürzlich darüber, sie würde durch einen beträchtlichen Teil der Politiker und Medien arbeitslos gemacht. Die Leute könnten nicht mehr zwischen Satire und Wirklichkeit unterscheiden, denn die Wirklichkeit hätte neuerdings immer eine Nasenlänge Vorsprung. Da meint der gewöhnliche Rezipient beispielsweise, es wäre ein Scherz, eine Satire, eine Tollerei, dass Katrin Göring-Eckardt vor nicht allzu langer Zeit als neue Bundespräsidentin gehandelt wurde, genauso, wie sie bei der Meldung kicherten, dass Jan Böhmermann den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis bekommt. Viele Leute glauben es ja bis heute nicht, dass eine Politikerin sich für hohe und höchste Weihen qualifiziert, von der die alternativhistorische Erkenntnis stammt, dass die Nazis die Dresdner Frauenkirche zerstört haben.

Zeigt man ihnen das Video aus dem Morgenmagazin, antworten manche brave Leute noch immer: Das muss eines dieser berüchtigten Deep Fakes sein. Andererseits – Leute, die als Rezipienten des normalen deutschen Medien- und Politikgeschehens schon ganz wuschig geworden sind, halten es dann eben auch für möglich, dass eine wie gesagt beliebte Grünenpolitikerin tatsächlich Tichys Einblick ein Interview gibt, in dem sie erklärt, sie würde mit Medien wie TE eigentlich nicht reden, und die einen Hinweis wie „Satire“ glatt für Scherz und Ironie ohne tiefere Bedeutung halten.

„Sie haben es leider versäumt, das gesamte Interview mit einem Satirehinweis zu unterlegen“, teilen die Anwälte mit, wobei sie allerdings nicht verraten, wie das zu geschehen hat. Vielleicht mit einem Stern über und einem Doppelpunkt in jedem Wort, dem sogenannten Satirestern? Das praktizieren schon viele Medien. Beim Lautvorlesen werden die Sonderzeichen übrigens als „ha“ ausgesprochen.

TE will sich allerdings an die herkömmliche Duden-Sprache halten, kein Witz, und wird auf diese Hilfestellung verzichten müssen. Deshalb hier unser redaktioneller Hinweis: Nichts, was wir künftig über Katrin Göring-Eckardt schreiben, soll als Angriff auf ihre Ernsthaftigkeit verstanden werden. Bitte!

Nur, und in diesem Fall ist die Wahrheit wirklich rein und einfach, loben können wir die sympathische Grünenvertreterin in Zukunft selbst dann nicht, wenn es bitter nötig wäre. Denn dann würde es gleich wieder heißen: Tichys Einblick macht sich lustig über eine der ernsthaftesten Personen im Berliner Politikbetrieb.

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