„Deutschland hat ein Messerproblem“, sagt Jochen Kopelke. Man ist ja durchaus geneigt, dem Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP) da zuzustimmen. Und dann redet er weiter:
„Messer sind zu günstig und einfach zu kaufen.“
Gut, dass das endlich mal jemand so deutlich sagt. Bei der Diskussion, die unsere Politiker angestoßen haben, mag es ein bisschen aus dem Blick geraten sein – aber es sind ja bekanntlich autonome Stichwaffen, die Menschen in Solingen oder Mannheim oder sonstwo töten oder verletzen. Die Schuldigen sind nach bisherigen Erkenntnissen keine anderen Menschen, sondern selbststechende Messer.
Das ist ein bisschen wie mit beißenden Hunden. Auch da kann der Mensch am oberen Ende der Leine ja gar nichts dafür, wenn sein Vierbeiner zuschnappt. Und auch in Magdeburg war es kein Menschenfeind IN einem Auto, der fünf andere Menschen tötete, sondern ein irgendwie selbstfahrender BMW.
Da ist es nur konsequent, dass Politik und GdP die humanoiden Täter konsequent ignorieren und sich ganz auf das böse Werkzeug konzentrieren. Das eröffnet dem Staat völlig neue und nahezu unbegrenzte Möglichkeiten. Folgen wir GdP-Chef Kopelke – und Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD wird das zum Glück sicherlich zeitnah tun – dann werden Messer demnächst genehmigungspflichtig.
Analog zur Waffenbesitzkarte dürfen Messer dann nur noch in wenigen Fachgeschäften und nach vorheriger amtlicher Überprüfung des Käufers erworben werden. Die Prüfung umfasst, wie z. B. bei Schusswaffen für Jäger, ein großes polizeiliches Führungszeugnis und eine Standardabfrage beim Verfassungsschutz. Nebenbei schafft das zehntausende neuer Verwaltungsstellen und hilft so der Arbeitslosenstatistik – wenn auch nicht dem Staatshaushalt. Den stützen wir aber dadurch, dass wir Messer – wie von der GdP gewünscht – viel, viel teurer machen als bisher. Allein schon die zusätzlichen Mehrwertsteuereinnahmen werden beachtlich sein.
Aus für gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen verlautet, dass Nancy Faeser dieses Erfolgsprinzip konsequenterweise auf alle potenziell gefährlichen Gegenstände ausweiten wird. Autos zum Beispiel sind zu leicht und zu billig zu haben. Folgerichtig werden die Waffenbesitzkarte und der Fahrzeugschein künftig gemeinsam ausgestellt.
Aber nicht nur große Löwen sind gefährlich, sondern auch kleine Skorpione. Genehmigungspflichtig und viel teurer als bisher werden deshalb auch Spazierstöcke, Heckenscheren sowieso – und natürlich auch die Stäbchen, an denen die Zuckerwatte aufgerollt wird. Fondue-Gabeln, Rouladen-Spieße, Feuerzeuge, heißer Kaffee … und so weiter, und so fort.
Der Deutschen Revolution von 1848 trauern nicht wenige geschichtsbewusste Menschen immer noch nach. Die Bewegung und ihre verfassungsgebende Versammlung in der Frankfurter Paulskirche scheiterten bekanntlich krachend. Nicht ganz zu Unrecht kann man sagen, dass dieser Fehlschlag die Einführung der Demokratie in Deutschland um 100 Jahre verzögerte.
Die unterlegenen demokratischen Revolutionäre im März 1848 hatten sieben Kernforderungen. Pressefreiheit gehörte dazu, Menschen- und Bürgerrechte und ein deutscher Nationalstaat. Die erste, die allererste und für die Verfasser wichtigste der sogenannten „Märzforderungen“ war aber eine andere:
Volksbewaffnung.
Knapp 180 Jahre später weht der Wind in die Gegenrichtung. Heute bevorzugt der Zeitgeist eher den nicht wehrhaften Untertan – physisch, juristisch und politisch. Politisch sollen wieder Parteien verboten werden, wenn zu viele Menschen sie wählen. Juristisch ist Kritik an der Obrigkeit wieder unter Strafe gestellt worden. Und physisch nimmt man dem bekanntlich chronisch unzuverlässigen Normalbürger alle irgendwie potenziell gefährlichen Instrumente aus der Hand.
Da fallen uns sofort Bleistifte ein – oh Gott, Bleistifte! Im Kult-Film „John Wick“ wird geschildert, wie der Titelheld einmal drei Menschen getötet hat – nur mit einem Bleistift. Sowas liegt bei uns noch in jedem Kindergarten einfach so herum. Stellen Sie sich das mal vor.
In den Händen des Richtigen ist halt jeder Gegenstand eine richtige Waffe.