Tichys Einblick
Achtung, Satire

Einfach wieder feiern, einfach machen

Die Weltmeisterschaft zeigt: Die Deutschen haben sich von dem grün-roten Zeitgeist die Freude am Feiern nehmen lassen. Ein böser Fehler. Denn Spaß geht immer – auch wenn es einem schlecht geht. Oder gerade dann.

Fans beim Public Viewing anlässlich der Live-Übertragung des Viertelfinalspiels Deutschland – Italien, Fußball-EM 2016

IMAGO / Müller-Stauffenberg

Die Gallier feiern gerne. Am liebsten, wenn sie alle beim Bankett sitzen und reichlich Cerveza und Wildschwein zu sich nehmen. Doch die Freude ist vorbei, als Ceasar ihnen einen Spion unterjubelt: Tullius Destructivus. Der setzt den Galliern Gerüchte ins Ohr, streut Schmähkritik ein, sät Zweifel an der Integrität ihrer Freunde und löst so einen permanenten Streit unter den Galliern aus.

In Deutschland heißt Tullius Destructivus „Finn Thorben“. Finn Thorben war das heiß ersehnte Einzelkind, das seine Eltern spät bekommen haben. Sorgenfrei aufgewachsen studiert er eine Geisteswissenschaft, hält aber dem Druck von Abgabeterminen und Prüfungen nicht stand. Aber bevor er sein Studium abbricht, schnappt er so viel über Klimaschutz, Identitätspolitik und Kampf gegen Rechts auf, dass es für eine Karriere bei den Grünen reicht. Jetzt sitzt er den Deutschen im Ohr und nimmt ihnen den Spaß am Feiern und die Lust am Zusammenleben.

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Nun muss niemand Fußball mögen. Schon gar nicht eine Weltmeisterschaft im Herbst und in einer religiösen Diktatur. Vom Quatsch rund um die Binde gar nicht zu reden. Aber eine Weltmeisterschaft kann etwas Herrliches sein: Du gehst in eine Kneipe, notfalls alleine, schaust dir das Spiel an und wenn deine Mannschaft ein Tor schießt, liegst du jemandem im Arm, den du gar nicht kennst. Aber Vorsicht, wir haben immer noch Pandemie, da müssen wir Kontakte vermeiden, warnt Finn Thorben.

Für Deutschland waren Weltmeisterschaften im Fußball oft schon Feiern, die den Mehltau abschüttelten, der über dem Land lag. Das beginnt mit dem „Wunder von Bern“, reicht über die Nacht von Rom und endete vorläufig in Brasilien. Vor allem die Weltmeisterschaft im eigenen Land war ein mentaler Befreiungsschlag. Kurz nach der Einheit hatte ein Nörgeln und Wehklagen eingesetzt, das sich bis 2006 immer weiter steigerte. Bundespräsident Roman Herzog (CDU) hatte zwischenzeitlich gemahnt, dass ein Ruck durch das Land gehen müsse. Und genau dieser Ruck war die Weltmeisterschaft. Die war aber gekauft, trübt Finn Thorben die Freude. Da hat das Geld der deutschen Industrie einen afrikanischen Mitbewerber ausgestochen.

Die spielerischen Leistungen redeten sich die Deutschen im Nachhinein schön. Das 4:2 gegen Costa Rica war wackelig, das 1:0 gegen Polen glücklich. Doch der Sport war Nebensache. Herbert Grönemeyer brachte das Bedürfnis der Deutschen auf den Punkt: „Es ist Zeit, dass sich was dreht.“ So malten sich die Menschen ihre Gesichter schwarz-rot-gelb an, gingen auf die Straße und feierten mit einer „Welt zu Gast bei Freunden“. Finn Thorben war entsetzt: offen zur Schau getragene Symbole des Nationalismus? Das verstört Menschen, die nicht hier geboren sind und befördert Hass gegen andere.

Seit 2006 hat sich die Welt zugunsten von Finn Thorben verändert. Vor allem seit 2019. Da erklärten 70 deutsche Städte und die EU von sich aus, sie lebten jetzt im Klimanotstand. Voller Freude auf den Ausnahmezustand. Der dann durch die Corona-Pandemie abgerundet wurde, sich echt anfühlte. Für Finn Thorben war es die Zeit seines Lebens. Der Nachbar lädt sich mehr Freunde ein als erlaubt? Ordnungsamt. Der Mitfahrer hat im Zug die Maske nicht richtig aufgesetzt? Ruf nach dem Schaffner. Der machte einen Witz über die Maßnahmen? Meldung auf Twitter, inklusive Zugnummer und Adressierung an die Bahn. Es war nicht die Freude an der Denunziation, die Finn Thorben bewegte. Nein, niemals. Es war das andere da, das Dings, die, na … richtig: die Gesundheitsvorsorge. Um die ging es Finn Thorben.

Das Land ist wund. Und es ist nicht die wirtschaftliche Krise oder die Aussicht auf ihre Verschlimmerung. Zumindest nicht alleine. Die derbsten Fastnachtspartys feierte Mainz in den 1810er Jahren. Die Chroniken berichten von wahren Orgien. Da war die Stadt in den diversen Kriegen zerstört, von Besetzungen und Krankheiten ausgezehrt. Feiern ist Wille zur Party, egal wie viel man gerade hat. Zur Not reichen fröhliche Menschen und eine halbe Flasche angesetzter Schnaps. Aber Alkohol zerstört die Gesundheit, warnt Finn Thorben.

Für Alkohol gilt das Gleiche wie für Fußball, Zigaretten, Wildschwein oder hemmungslosen Sex: Das muss niemand mögen. Aber es steht keinem zu, es dem anderen schlecht zu machen. Wer Helene Fischer zum Feiern braucht, soll „atemlos durch die Nacht“ grölen. Wer sich am nächsten Tag nicht für den Namen seines neuen Partners interessiert, der braucht nicht zu fragen. Und wer an einem gepflegten 3:2 seine Freude hat, dem sei die auch gelassen. Es geht keinen anderen was an. Finn Thorben sagt gerade nichts. Seit der Begriff „hemmungsloser Sex“ fiel, schweigt er peinlich berührt und ist moralisch entsetzt.

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Die Rückkehr der Binde
Aber aus der Politik kommen genug andere, die auf das Privatleben ihres Souveräns eindringen: alte, schrumpelige Männer, die öffentlich Fantasien verbreiten, wie sie sich mit dem Waschlappen einschäumen. Sozial gestörte Gesundheitsfanatiker, die anderen öffentlich Ratschläge erteilen, was sie zum Mittagessen weglassen sollen. Oder „Liberale“, die anderen Fotos von Essen in den sozialen Netzwerken vermiesen wollen. Vielleicht auch ein Kanzler, der selten lacht, es sei denn, er erzählt von einem Bürger, der auf den Staat gehört hat und auf Gas umgestiegen ist. Jetzt ist er ruiniert? Da lacht der Kanzler mal. Von ganzem … was auch immer.

Die Ampel macht Deutschland zu einem Nanny-Staat. Nicht zu einem mit einer runden, freundlichen Nanny, die ihren Kindern den Rücken freihält. Sondern ein Fräulein-Rottenmeier-Staat, in dem einem Bürger immer irgendein Finn Thorben hinterher ist und nasal quäkt: „Maaach daas nihiiicht, daas maacht Spaaß und ist verbooooten!“ In dem sich jede Freude vermiesen lässt und sei es mit dem letzten Joker – der CO2-Bilanz.

Deutschland kann noch anders. Zumindest wenn Gäste da sind. Vor gut zwei Wochen spielte der Jahrhundert-Footballer Tom Brady in München. Die NfL gab ihr erstes Gastspiel überhaupt in Deutschland. Die Bilder, die durch die USA gingen, hatten wenig mit dem dauertristen Deutschland zu tun: Menschen, die sich das Gesicht anmalten. Auch in Schwarz-Rot-und-Gold. Sich kostümierten. Die Bierhumpen in die Kamera stemmten, die lachten, sich umarmten und sich einfach freuten, dass dieser Riesenzirkus in der Stadt war. Finn Thorben hätte manches zu sagen gehabt, aber er hat keine Karte bekommen.

Die Gallier geraten durch Tullius Destructivus in Gefahr. Doch sie wenden diese ab. Sie schlagen die Römer zusammen und bedanken sich demonstrativ bei Tullius, für den Spaß, den er ihnen bereitet habe. Daraufhin dreht sich der Spieß um. Die Römer haben jetzt das Problem. Keine Ahnung, wo Finn Thorben herkommt und wo man ihn hinschicken müsste. Weg, wäre schon einmal ein guter Anfang. Dann treffen wir uns auf dem Dorfplatz zu einem großen Bankett mit jeder Menge Cerveza und Wildschwein.

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