Tichys Einblick
Nichts hören, nichts sprechen, nichts sehen

Drei Ratschläge angesichts des Freien Falls der politischen Kultur Deutschlands

Das japanische Gleichnis von den "drei Affen" hilft uns zu verstehen, was im gegenwärtigen Deutschland opportun ist. Wenn man dagegen den Freien Fall der politischen Kultur bremsen wollte, wäre allerdings anderes angesagt. Von Max von Tilzer

Schnitzerei der drei Affen an der Fassade des "heiligen Pferdestalls" in Nikko (Japan)

IMAGO / imagebroker

Falls das nicht gerade an einem Freitag durchgenommen wurde, an welchem wir Wichtigeres zu tun hatten, wie etwa die Rettung des Klimas, erinnern wir uns vielleicht noch an Galileo Galilei (1564-1642) und seine Fallgesetze. Vielleicht erinnern wir uns sogar auch noch an den Mondfahrer David Randolph Scott, der 1972 zeigte, dass im luftleeren Raum eine Falkenfeder genauso schnell zu Boden stürzt wie ein Hammer. Ein wesentliches Merkmal des Freien Falls ist es ja, dass die Bewegung immer rascher wird. Inzwischen haben wir gelernt, wenn auch definitiv nicht in der Schule, dass wir die Fallgesetze auch auf die deutsche Politik anwenden können, unter Berücksichtigung der Empfehlungen, die wir dem Gleichnis von den Drei Affen der Japaner verdanken, welches diese vom alten Konfuzius übernahmen. Schließlich haben die Chinesen ja auch das Porzellan und das Schießpulver Jahrhunderte vor uns erfunden.

Ist das zu weit hergeholt? Ich glaube nicht, denn wenn wir die 16 Tage zwischen dem 23. April und dem 9. Mai 2021 einmal Revue passieren lassen, können wir, selbst wenn wir die Schule geschwänzt haben, wichtige Lehren ziehen, bei deren Befolgung uns so mancher Ärger erspart bliebe:

Kehren wir zwar nicht in die Altsteinzeit, wo die Keule die einzige Waffe war, sondern in das 17. Jahrhundert zurück. Und zur Physik, einer exakten und daher unbestechlichen Wissenschaft: Wenn wir so weiter machen, dann wird der Freie Fall Deutschlands unweigerlich immer schneller werden, und das Land schließlich am Boden zerschellen, ganz egal, was die „Heilige Inquisition“ davor gesagt hat. Wenn wir es mit Galilei halten und unsere Statements widerrufen, dann bleiben wir immerhin am Leben, werden aber von der Gesellschaft ausgestoßen. Wenn wir stur bleiben und wie dereinst Giordano Bruno zu unserem Wort stehen, dann enden wir unweigerlich auf dem politischen Scheiterhaufen.

Unsere einzige Chance besteht darin, auf die Inquisition zu pfeifen und den Tatsachen ins Auge zu blicken. Dann könnten wir vielleicht den Freien Fall abbremsen und den Crash sogar noch verhindern.


Max von Tilzer war Professor für Aquatische Ökologie an der Universität Konstanz und von 1992 bis 1997 wissenschaftlicher Direktor des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven.

Die mobile Version verlassen