Hinweis, Disclaimer: Dies ist eine Glosse. Wenn ihre Mitschülerin Suse den Mund aufmacht, dann „könnte man meinen, sie stamme von Straßenkehrern ab“, finden Hanni und Nanni Sullivan und sind erschreckt von den „riesigen Füßen“ der Französisch-Lehrerin. Gleichzeitig ärgern sie gemeinsam mit ihren Freundinnen ihre Geschichts-Lehrerin mit allerlei Streichen und lachen sie ständig aus. Und dann essen sie auch noch Sardinen in Fleischpastete. Das ist nicht nur unappetitlich, sondern geht in der heutigen Welt voller bunter Vielfalt und grüner Veganer so gar nicht.
Das findet jedenfalls „Europa“, die Produktionsfirma der „Hanni und Nanni“-Hörspielreihe. Darum warnt man die Hörer vor den „Diskriminierungen“ der frechen Zwillinge: „Hinweis, es folgt ein Disclaimer“, sagt eine männliche Stimme zu Beginn des Hörspiels. Bevor man auf die Idee kommt, dies für einen Streich der vorlauten Hanni zu halten, erklärt der Herr weiter: Dieses Hörspiel „passt nicht zu unserer heutigen Auffassung von einer vielfältigen und gleichberechtigten Gesellschaft“. Es komme nämlich gar nicht aus heutigen Zeiten, sondern „wurde vor vielen Jahren entwickelt und aufgenommen“, wie der Herr weiter ausführt.
Hinweis, Disclaimer: In 50 Jahren wird dieser Text unter Umständen nicht mehr zum Gesellschaftsbild passen. Ich bitte diese Unannehmlichkeit bereits im Voraus zu entschuldigen.
Genau dieses Altertümliche ist es ja aber, was so schön und angenehm an diesen Hörspiel-Klassikern ist: Es sind lustige Geschichten über die frechen Sullivan-Zwillinge aus dem Internat Lindenhof, in denen sie zahlreiche Streiche spielen, Mitternacht-Partys veranstalten und ihren Freundinnen bei jeglichen Problemen zur Seite stehen. „Es ist ein Produkt seiner Zeit. Daher kann es diskriminierende Darstellungen enthalten, die in der damaligen Gesellschaft zu wenig in Frage gestellt wurden“, bemerkt „Europa“. Dass es 1972 noch „Darstellungen“ gab, die – aus heutiger woker Sicht – „zu wenig in Frage gestellt wurden“, liegt auf der Hand. Dazu braucht es keine Geschichtsstunde von „Europa“. Beziehungsweise Ideologie-Lehrstunde: Zu der Zeit gab es eben noch keine woke Indoktrinierung von Kindern.
Aber „Europa“ findet halt: „Jegliche Art von Diskriminierung ist damals wie heute falsch.“ Und ja: Straßenkehrer waren bestimmt schon damals ganz normale Menschen, die sich gut ausdrücken konnten. Hanni, du böses Gör: Was hast du vor 50 Jahren nur für Worte in den Mund genommen. Schäm dich!
„Wir haben uns dennoch entschlossen, das Hörspiel in seiner Originalfassung zu belassen“, sagt der Herr dann. Ein Glück: Wer möchte schon eine veränderte Version von Hanni und Nanni, die zu unserer „vielfältigen und gleichberechtigten Gesellschaft“ passt? Das würde dann womöglich bedeuten, dass sich mindestens eine der Schwestern überlegt, ins andere Geschlecht schlüpfen zu wollen. Dann hieße die Geschichte zum Beispiel „Hans und Nanni sind immer dagegen“.
In „Hanni und Nanni sind immer dagegen“ gibt es abgesehen von Suse, die von den Straßenkehrern abstammen könnte, weil sie sich sprachlich so schlecht ausdrückt, keine wirklichen Diskriminierungen. Mal abgesehen von den „riesigen Füßen“ der Französisch-Lehrerin. Für diese eine Diskriminierung schiebt „Europa“ einen eineinhalb minütigen Disclaimer mit Ideologie-Unterricht ein. Na toll. Aber wenigstens können Kinder so lernen: Früher gab es mal un-woke Geschichten ohne „Political Correctness“.