Tichys Einblick
Aus dem „Seawatch-Evangelium“

Die Geschichte vom unbarmherzigen Samariter

Jesus Geschichte ist eine ganz andere als die der Samariter von heute.

imago images / epd

Ein Mann war unter die Räuber gefallen, das war auf dem Weg zwischen Jerusalem und Jericho. Da kam einer, lud ihn auf sein Lasttier und brachte ihn in die Stadt. Dort machte er großes Aufheben von seiner Barmherzigkeit und ließ sich feiern.

Dann rief er in die Stadt: „Hier bringe ich euch einen Mann, der unter die Räuber gefallen ist, etwas entfernt vor euren Toren. Ihr müsst ihn pflegen und bei euch behalten und ihm förderhin geben, was er zum gelingenden Leben in eurer Stadt benötigt.“

Da sprachen die Leute von Jericho: „Hast du nicht selbst genug, um für diesen aufzukommen, den du gerettet hast?“

Da sprach jener: „Von meinem Geld will ich lieber ein zweites Lasttier kaufen, um damit weitere Beklagenswerte zu euch zu bringen. Denn die Not da draußen ist unermesslich. Ich werde weiter das Gute tun. Nun seid ihr dran.“

Da wollten einige Leute aus der Stadt sein Lasttier an die Leine legen. Da schrie jener mit erboster Stimme: „Ihr Schlangenbrut! Euer Egoismus schreit zum Himmel. Ich werde euch so viele Beklagenswerte bringen, bis ihr endlich so gut werdet wie ich.“ Und er ging selbstsicher seiner Wege.

Nachtrag: Jesus erzählt die Geschichte anders:

„Und der barmherzige Samariter brachte den Überfallenen in eine Herberge und pflegte ihn. Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme“, Lukas-Evangelium 10,34f.

Indem Jesus die Moral an die eigenen finanziellen Ressourcen bindet, verhindert er, dass die Moral inflationär-übergriffig und damit tyrannisch-zerstörerisch wird.

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