Großes geschieht im Land der Vielen, doch hat es Unentschuldbares zur Voraussetzung, dessen Enthüllung niemandem erspart werden darf. Gottseidank haben wir unter uns ein unerschrockenes Recherchemagazin, dass diesen Skandal gewohnt aktivistisch aufdeckte. Mitten in Deutschland im Jahr 2021 zeigte sich etwas, das nun nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, etwas, das uns ins Gedächtnis ruft, wie weit der lange Arm der Rassisten in die öffentlich-rechtlichen Sender reicht.
Rettung kommt jedoch vom Spiegel und seinem wachsamen Medienredakteur Christian Buß, der mit investigativem Mut das schlimmste Komplott gegen unsere Demokratie seit dem Jahr 1949 aufdeckt hat. Man stelle sich das einmal vor: In der WDR Talkshow „Die letzte Instanz“ haben „ausschließlich weiße Medienschaffende“ darüber diskutiert, ob man Wörter wie das „Zigeunerschnitzel“ noch benutzen darf. Dieser heimtückische Anschlag auf die „Gesellschaft der Vielen“ ist nicht einmal dem Kontrollrat der Neuen Deutschen Medienmacher, nicht einem ihrer Vielen Medienmacher oder Medienschaffenden, deren Namen mir vor lauter Empörung gerade jetzt nicht einfallen. Doch beim Spiegel brennt noch Licht, denn Christian Buß, der schläft noch nicht.
Mit großem Mut stellt sich der wackere Mann höchst komplizierten Problemen. Denn es stellt sich die Frage, wer diese Weißen beim WDR waren? Kulturschaffende schaffen Kultur, Kunstschaffende Kunst, aber was schaffen Medienschaffende? Medien? Saßen also Ruppert Murdoch und Hubert Burda in der Talkshow des WDR?
Das etymologische Wörterbuch des Deutschen listet auf, dass die Bezeichnung Zigeuner in allen süd- und osteuropäischen Sprachen vorkommt. Sicher könnte man jetzt eine Diskussion darüber initiieren, dass Zigeuner nicht die Selbstbezeichnung der Sinti und Roma sei, doch das trifft auf alle Völker zu, denn das Slawische „Nemecki“ ist auch nicht die Selbstbezeichnung der Deutschen – und sehr positiv ist es übrigens auch nicht, genau genommen sogar diskriminierend, denn Nemecki heißt übersetzt eben nicht Deutsch, sondern bezeichnet die, die ohne Zunge sind, im Sinne von ohne Sprache, also die Sprachlosen. Es könnte allerdings sein, dass ich den wachsamen Buß nur missverstanden habe: Vielleicht stößt er sich nicht an dem Begriff Zigeuner, sondern am Schnitzel, denn als Fleischscheibe stellt das Schnitzel nur eine Reduktionsform des ganzen Tieres da, verleugnet das Schweineschnitzel das Schwein als ganzes und reduziert es auf dieses kleine, knochenlose Stück, ja auf seine Funktion, gegessen zu werden.
Ist letzteres gemeint, lautet die Frage, ob im Schnitzel der Knochen diskriminiert wird. Wikipedia teilt uns zum Zigeunerschnitzel mit: „Das Bestimmungswort ‚Zigeuner-‘ erfährt im deutschen Sprachgebrauch zunehmende Ablehnung. Zumindest bis zur Jahrtausendwende hat diese jedoch der Verwendung als Wortbestandteil in Musik (Zigeunermusik), Gastronomie (À la zingara) wie Lebensmittelindustrie (Zigeunersauce) keinen Abbruch getan. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass in der Kochkunst, der Küchensprache und in Kochrezepten beim Bestimmungswort nicht die Ethnie, sondern die intensive Verwendung von Paprika als Zutat ausschlaggebend ist. Mit ‚à la zingara‘ wird eine Garniturform, die Zubereitung oder die Verwendung wesentlicher Zutaten bezeichnet. Als Alternativbezeichnung für das Gericht wurden bislang Paprikaschnitzel – was in der kulinarischen Fachsprache aber bereits ein anderes Grundrezept bezeichnet – oder Balkanschnitzel in die öffentliche Diskussion getragen. An dieser Stelle entgehen wir, wenn wir verantwortungsbewusst sind, nicht der Entscheidung, ob wir die Begriffe: Wiener Schnitzel, Münchner Schnitzel, Piccata milanese, Berliner Schnitzel, Pariser Schnitzel, Hamburger Schnitzel, Holsteiner Schnitzel, Jägerschnitzel, Zigeunerschnitzel, Frankfurter Schnitzel, Schnitzel Hawaii verwenden, und warten diesbezüglich vertrauensvoll auf die nächste Talkshow des WDR.
Entwarnung kann leider noch nicht gegeben werden, denn die Diskussion über das Zigeunerschnitzel der Medienschaffenden without Color stellt bei weitem nicht die schlimmste Verfehlung dar, die der wachsame Hamburger aufklärte. In einer Karnevalszene, die im Februar 2021 ausgestrahlt wurde und die aus dem Jahr 2010 stammt, trat Désirée Nick als Pharaonin verkleidet auf, „flankiert von zwei schwarz angemalten weißen Männern“.
Bevor jedoch die Frage, wie sich die beiden Männer damals fühlten, nicht geklärt ist, und da hat Christian Buß recht, wird man die Frage weiter diskutieren müssen, also nicht abschließen können, „ob der WDR ein Rassismusproblem hat“, doch „so kann man mit Sicherheit sagen, dass er ein Kontrollproblem hat.“ Schon der Genosse Lenin hat in seiner ungewöhnlich tiefsinnigen Art unermüdlich hervorgehoben, dass Vertrauen gut, aber Kontrolle besser sei. Dowerjai, no prowerjai, wie wir russisch Gebildeten gern sagen: Vertraue, aber prüfe nach.
Nun haben bedauerlicherweise schon seit längerem so bewährte Kontrollorgane wie die Tscheka oder der MGB oder die GPU oder das Ministerium für Staatssicherheit die Arbeit eingestellt und Orwells Miniwahr ist bis jetzt noch eine literarische Erfindung, obwohl für eine Gründung überall in Deutschland hoffnungsvolle Ansätze auszumachen sind. Bereits der Genosse Stalin hat im „Kurzen Lehrgang der KPdSU (B)“ instruktiv gezeigt, wie man mit der Geschichte, mit Archiven und Archivalien umgeht. So ließ er auf den Fotos Lenins Weggefährten, nachdem er sie mit großer Gründlichkeit verschwinden und töten ließ, konsequenterweise wegretuschieren, bis nur noch er übrigblieb.
Der Vorstoß des in Hamburg wachsam auf Wacht stehenden Kontrollschaffenden ist bereits von einem verdienten Erfolg gekrönt, denn eine WDR-Pressesprachschaffende hat schon eingewilligt, darüber nachzudenken, „die Kontrollmechanismen auszuweiten.“ So dürfte in nicht allzu ferner Zukunft der Säuberung des Archivs nichts mehr im Wege stehen. So hat der Spiegelschaffende doch ein schönes Ergebnis erzielt, indem er die Gründung eines dezentralen Miniwahrs angeregt und angestoßen hat. Damit geht Deutschland der Welt wahrlich voran.