Tichys Einblick
Achtung, Glosse!

Christian Lindner und seine Prinzengarde

Deutschlands Finanzminister will seinen Dienstsitz künftig nicht mehr von einem schnöden privaten Sicherheitsdienst bewachen lassen, sondern von bewaffneten Zöllnern. Staatliche Sonderschutztruppen für Mächtige haben Tradition. Kübelweise Spott darüber allerdings auch.

IMAGO / Jens Schicke

„Dit is doch keen Bild“, schimpfte Angela Merkel einst in Bayreuth auf dem roten Teppich der Wagner-Festspiele, als ein in ihren Augen minderbegabter Fotograf sie in einem ungünstigen Winkel ablichten wollte.

Bilder sind wichtig in der Politik. Das weiß auch Christian Lindner – spätestens seit seiner eigenen Luxus-Hochzeit auf Sylt. Deren visuelle Dokumentation in den Medien sorgte dafür, dass die aufwändige Eheschließung des FDP-Chefs in der Öffentlichkeit, na ja, nur so mittelgut ankam.

Viel besser hat Lindner da sein eigener Auftritt im Mai des vergangenen Jahres gefallen. Da stellte er im Garten seines Ministeriums einen Plan zur Bekämpfung von Geldwäsche vor – schnittig eingerahmt von einer maskierten und schwer bewaffneten Sondereinheit des Zolls. Das sah echt cool aus.

Der Zoll ist offiziell dem Bundesfinanzministerium unterstellt. Einige Beamte trugen damals sogar Nachtsichtgeräte. Das war im strahlenden Sonnenschein des betreffenden Tages zwar inhaltlich komplett sinnfrei, aber optisch gefiel es Lindner erkennbar sehr – und es hätte sicher auch Angela Merkel gefallen.

Denn „dit war een Bild“.

Und davon kann der postmoderne Berufspolitiker nicht genug bekommen. Deutschlands Kassenwart kann aber auch nicht jeden Tag eine Pressekonferenz im Garten seines Ministeriums abhalten. Lindners PR-Stab fragte sich also: Wie lassen sich die tollen Aufnahmen von martialischen Spezial-Zöllnern verstetigen?

Und schon war die Idee mit dem Objektschutz geboren.

Denn es ist ja so, wie der Bayer gern sagt: Bisher wird Lindners Berliner Dienstsitz – das Detlev-Rohwedder-Haus – von einem, pardon, popeligen privaten Sicherheitsdienst bewacht. Das ist nicht ungewöhnlich: Die meisten Ministerien machen das so. Nur beim Bundeskanzleramt, beim Auswärtigen Amt, beim Innenministerium und beim Justizministerium ist die Bundespolizei für die Gebäudesicherheit zuständig. Beim Verteidigungsministerium erledigen Soldaten diese Aufgabe.

Dass ausgerechnet sein Haus nur von irgendwelchen Privatfirmen beschützt wird, geht dem statusbewussten Chef der kleinsten Ampel-Partei gegen den Ego-Strich. Deshalb lässt er nun eine Gesetzesänderung vorbereiten – und nach der dürfen künftig auch Zollbeamte das Finanzministerium und dessen nachgeordnete Behörden schützen.

So steht es im Regierungsentwurf zum Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz (FKBG). In dem soll es eigentlich um Änderungen bei der Geldwäscheaufsicht sowie um ein neu einzurichtendes „Bundesfinanzkriminalamt“ gehen, aber sei’s drum.

Die Bundesfinanzverwaltung leide unter einer „zunehmenden Störung der Aufgabenwahrnehmung“, heißt es da in schönstem Beamtendeutsch. Deshalb sei „ein höheres Schutzniveau“ erforderlich. Allerdings ist bisher nirgendwo überliefert, dass Horden von Geldwäschern aus der Organisierten Kriminalität regelmäßig versuchen würden, Liegenschaften des Finanzministeriums zu stürmen.

Soll der Zoll in Wahrheit also eigentlich nur Robert Habeck den Zutritt zu Lindners Dienstsitz verweigern, damit Hausherr Christian ungestört von grünen Querschüssen seiner Arbeit nachgehen kann? Man weiß es nicht. Cäsar hatte seine Prätorianer, der Papst hat seine Schweizer Garde, Ayatollah Khamenei hat seine Revolutionswächter. Und Christian Lindner hat demnächst seine Prinzengarde, spotten sie im Regierungsviertel.

Frank Buckenhofer zum Beispiel. Der Vorsitzende der Bezirksgruppe Zoll bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) nimmt kein Blatt vor den Mund. „Das ist mehr eine Theatervorführung für die Eitelkeit des Ministers.“ Selbst der Koalitionspartner SPD lässt süffisant anfragen, weshalb eigentlich für Lindners Idee nun Sondereinheiten des Zolls von ihren eigentlichen Aufgaben abgezogen werden sollen.

Also haben die Sozialdemokraten den Plan des Ober-Liberalen erstmal gestoppt: Die Gesetzesänderung hängt in der parlamentarischen Beratung fest. Das freilich schafft ein neues, durchaus drängendes Problem: Denn in etwas übermütiger Vorfreude auf die schicken Bilder mit den Zöllnern und deren pittoresken Nachtsichtgeräten hat das Finanzministerium die alten Verträge mit den bisherigen Sicherheitsfirmen – genau: gekündigt. Und zwar schon zum 31. März.

Die Gesetzesänderung sollte nämlich Anfang April in Kraft treten. Eigentlich. Doch daraus wird jetzt wohl nichts mehr. Das schafft eine kuriose Konstellation: Am 1. April könnten nun bewaffnete Zollbeamte vor dem Finanzministerium stehen, die aber rechtlich gar keine polizeilichen Befugnisse haben – also genau gar nix machen dürfen. Im Notfall müssten die dann, kein Scherz, 110 anrufen.

Ob die angestrebten Bilder den ganzen Ärger wirklich wert sind, kann man mit einiger Berechtigung bezweifeln. Denn längst nicht immer haben politische Inszenierungen den erwünschten Effekt. Unvergessen ist da zum Beispiel der Staatsempfang in München für Heinrich Lübke im Mai 1960.

Der damalige Bundespräsident hatte darauf bestanden, eine große Ehrenformation der Bayerischen Bereitschaftspolizei (BBPol) abzuschreiten. Davon versprach er sich eindrucksvolle Fotos. Die bekam er auch – nur anders als gedacht: Zur Uniform der BBPol gehörten seinerzeit auch noch Wehrmachtshelme.

Angela Merkel hätte da sicher gesagt: „Dit is doch keen Bild.“

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