Wenn man sich in Literatur und Sozialgeschichte ein wenig umsieht, so kann man feststellen, dass der Abstieg einer herrschenden Klasse, einer ehemals reichen Familie oder einer gescheiterten Ideologie vom Phänomen des Standesdünkels begleitet wird. Das eigene Versagen und der daraus resultierende soziale Ansehensverlust lassen sich leichter ertragen, wenn man sich für etwas Besseres hält. Man rümpft über den Erfolg der neuen Klasse, der aufsteigenden „neureichen“ Familie, der innovativeren Ideen düpiert das gepuderte Näschen und kommentiert ihn in gewohnt herablassender, lackierter Attitüde. Eigentlich ist das eher ein Anlass Mitleid zu bekunden, als in Zorn zu verfallen.
Der sich aus Anlass des Hambacher Fests mit dieser Attitüde des Dünkeldeutschland ins Rampenlicht drängende Herfried „Seine-Bücher-gelten-als-Standardwerke“ „Professor-für-Politikwissenschaft“ Münkler hat nun mit einem Kommentar zum Hambacher Fest von sich hören lassen, in dem er diese Versammlung freiheitsliebender und zu Recht um Demokratie, Rechtsstaat und verfassungsmäßige Ordnung besorgter Bürger ins „rechte Lager“ verorten möchte.
Er hat noch keine dort gehaltene Rede gehört. Wie könnte er, die werden ja auch erst nach Erscheinen seines professoral geadelten Naserümpfens gehalten. Das braucht er aber auch nicht. Er wittert Unrat selbst dann wittert, wenn er gar nicht da ist.
Seine Ahnungen schöpft er aus dem Umstand, dass sich dort „ehemalige CDU und AfD-Politiker“ ein Stelldichein geben. Ja, wenn das so ist, brauchen wir natürlich sofort einen Exorzisten mit untadeligem Karrierepfad im 68-er Marsch auf die Institutionen, der das nach Torquemada-Manier austreibt.
Dummerweise liegt da schon der erste Fehler, den Empirie ist offenbar seine Sache nicht. Von den 8 Rednern auf diesem Fest gehört genau einer, Herr Meuthen, zur AfD, deren demokratische Berechtigung übrigens darin besteht, dass jeder 7. deutsche Wähler ihr seine Stimme bei der letzten Bundestagswahl gegeben hat und dass noch mehr es bei der nächsten Wahl zu tun gedenken. Das muss die munkelnde Klasse aber nicht stören: Alles Rechte.
Dann haben wir da den Initiator und alleinigen Organisator des Festes, Prof. Max Otte. Er hat, das sei nur am Rande vermerkt, einen deutlich besseren Track-Record beim Thema sozioökonomische Prognosen, als sein blitzeschleudernder Berliner Kollege. Er hat bereits 2006 den Crash von 2007/08 korrekt vorausgesagt. 1998 prognostizierte er die Probleme des Euro, die wir heute sehen in einem in Boston publizierten Artikel mit dem Titel „The Euro and the Future of the EU“. Vom Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (Darauf legt man Wert, zeigte es doch, zu welchem Stand wir gehören) haben wir allerdings vergleichbare Treffsicherheit beim politischen Schwurbeln bisher nicht vernommen.
Prof. Otte ist Mitglied der CDU-Werteunion. Brrrrrrr. Werteunion! haben wir denn in den geweihten Berliner Hallen schon das Weihwasser gegen diese Ketzer in Stellung gebracht? Das wirkt übrigens nur, wenn der heilige Karl Marx seine Füße höchstselbst drin gebadet hat, ist deshalb in jüngster Zeit sehr verknappt und mit Waschwasser von Che Guevara versetzt worden. Sieht also aus, als müsste sich die GaGroKo (Ganz große Koalition) noch eine Weile mit denen herumschlagen.
Dann ist da noch Imad Karim. Hm. Klingt irgendwie ausländisch. Ist der etwa schon länger hier?
Aber der Willy Wimmer! Jetzt haben wir sie am Kragen, diese angeblichen Patrioten. Unter wem hat der gedient? Unter einem gewissen Helmut Kohl? Etwa der Dicke, der um ein Haar Großdeutschland wieder gegründet hätte, wenn ihm Mitterand nicht in letzter Sekunde in den Arm gefallen wäre? Na, bitte! Münklers Zeigefinger reckt sich nach oben.
Dann gibt es da noch die Lengsfeld, Vera. Die konnte sich, das darf man im Lexikon linker Gewissheiten nachschlagen, schon im Arbeiter- und Bauernparadies DDR nicht benehmen und noch weniger anpassen. Eine ständige Quertreiberin vor dem Herrn Marx war die. Die hat sich sogar geweigert, am Kursus für Propaganda in der FDJ teilzunehmen. Selbst schuld, denkt sich der Münklers Herfried, denn dann wäre sie jetzt vielleicht Kanzlerin. Immer dieses verdammte karrierebehindernde Rückgrat. Jetzt bleibt ihr halt nur noch die Hambacher Pegida.
Aber jetzt kommt’s: Der Thilo Sarrazin, das ist natürlich ein ganz böser. Der hat zwar mit seinen Prognosen 100% Recht behalten, aber das genau macht ja diese Rechten aus. Natürlich nicht die echten, sondern Sie wissen schon, die neuen halt, die man früher konservativ nannte. Der darf da auch reden? Der ist zwar weder in der AfD, noch ehemaliger CDU-Politiker. Der ist bei der SPD? Seine Positionen sind von einem Parteischiedsgericht ausdrücklich als konform mit den Grundwerten der Sozialdemokratie befunden worden? Egal! Der Münkler hat ein AfD-Eintrittsformular schon mal sicherheitshalber selbst ausgefüllt. Fertig.
Zwei Ökonomen müssen noch in seine Prokrustes-Schublade mit der AfD-Aufschrift gequetscht werden. Der Prof. Starbatty, ein notorischer Verfassungsgerichts-Prozesshansel, der tatsächlich noch so verstaubte Projekte wie Rechtsstaat und Vertragstreue für wichtig hält, und dieser Krall, der vor 2 Jahren seine Schreibwut entdeckt hat und seitdem unser sozialistisches Lieblingsprojekt, den Euro, bekrittelt. Und der letztere ist ja immerhin – hat es uns der Münkler nicht gesagt?! – ehemaliges CDU-Mitglied. Jetzt ist es also raus. Der hat den Merkelwahlverein verlassen wegen der – wie er selbst gesteht – „planwirtschaftlichen Energiewende“. Noch so ein Klimaleugner also.
Der Politikprofessor hat fertig mit ihnen!
Dass man die Symbole von Demokratie und Freiheit gegen solche schlimmen Menschen verteidigen muss, versteht sich von selbst. Denn es gilt in dieser schönen Republik, wie der Herr Professor statiert: „Politischer Dissens kann umso offener ausgetragen werden, je fragloser seine Begrenzungen sind.“ So muss es wohl sein. Und diese Grenzen sind natürlich nicht das Ergebnis politischer Debatte und intellektuellen Streites, sie werden per ordre de Mufti festgelegt.
Und deshalb darf das nicht mehr passieren, dass solche Freidenker sich nochmal in der von uns usurpierten historischen Immobilie einmieten. Da muss die Kanzlerin jetzt Chefsache draus machen und alle dafür in Frage kommenden Örtlichkeiten mit Mietverträgen zugunsten der „Mainstream“-Parteien bis zum Jahr 2500 vom Markt nehmen, finanziert mit einer Reichensteuer.
Zum Glück, mein lieber Vertreter des Dünkeldeutschland, gibt es aber in dieser Republik noch genügend Menschen, bei denen der Bevormundungs-Dünkel mehr Mitleid als Furcht hervorruft.
Denn für den, der die Freiheit liebt, gilt frei nach Martin Luther: „Hier stehe ich, ich kann noch ganz anders, dann helfe euch Gott! Amen.“