Tichys Einblick
Glosse

Ärztefunktionäre unter Extremismusverdacht

Ein gestreckter Zeigefinger, eine ausgestreckte Hand, Buchstabenkombinationen und Zahlenfolgen: Die neue, komplett durchpolitisierte Welt steckt voller versteckter Zeichen und Fallen. Jeden kann es erwischen, auch Ärzte. Von Lothar Krimmel

IMAGO

Der Kampf gegen Rechts hat einen weiteren spektakulären Erfolg zu vermelden. Nur wenige Tage nachdem die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit der Forderung nach einer Aufarbeitung der Corona-Zeit den Staat zu verhöhnen und zu delegitimieren versuchte, hat Nancy Faesers starker Staat jetzt zurückgeschlagen.

Bereits seit Längerem fragten sich Verfassungsschützer, warum die KBV als Spitzenorganisation der deutschen Kassenärzte ausgerechnet den kryptischen Zahlencode „116117“ als bundesweite Rufnummer für den ärztlichen Bereitschaftsdienst gewählt hatte. Zwar war bereits ermittelt worden, dass die beiden abschließenden Ziffern „17“ als Zahlencodes für die Buchstaben A und G stehen und in rechtsextremen Kreisen „Adolfs Gruß“ bedeuten. Unklar war aber bislang, was die KBV mit den vier vorangehenden Ziffern „1161“ ausdrücken wollte.

Der Durchbruch wurde jetzt durch die unschätzbaren Dienste eines wachsamen Schulleiters in Mecklenburg-Vorpommern möglich. Dieser hatte in Erfahrung gebracht, dass eine 16-jährige Schülerin seines Gymnasiums ein Bild mit dem Zahlencode „1161“ gepostet hatte. Dieser Zahlencode steht für die Buchstabenfolge „AAFA“ und wurde nunmehr im Verlauf der Ermittlungen gegen die Schülerin als die rechtsextreme Parole „Anti-Anti-Faschistische Aktion“ entschlüsselt, also als eine verfassungsfeindliche Kampfansage an die ebenso demokratische wie friedliebende Antifa.

Genie und Geduld führten zur Enttarnung

Dem Genie der Verfassungsschützer ist es zu verdanken, dass sie den Aufklärungserfolg in Mecklenburg-Vorpommern mit ihren eigenen Rechercheergebnissen in Beziehung brachten. Denn man muss die beiden Puzzle-Teile zusammenlegen, um aus dem resultierenden Zahlencode „116117“ die Buchstabenfolge „AAFAAG“ zu ermitteln, die nunmehr als die rechtsextreme Verschwörungsformel „Anti-Anti-Faschistische Aktion: Adolfs Gruß“ enttarnt werden konnte.

Bereits in den nächsten Tagen könnte die Ärzteschaft eine Durchsuchungs- und Verhaftungswelle überrollen. Es wird auch eine Warnung an alle diejenigen sein, die allzu leichtsinnig eine Aufarbeitung der Corona-Zeit fordern.

Man bedenke, dass seit Einführung der Notrufnummer Millionen von hilfesuchenden Bürgern missbraucht wurden, um mit der Wahl dieser Nummer Propaganda für die rechtsextremen Botschaften einer Ärzte-Clique zu machen.

Faeser-Haldenwang-Test auf totale Demokratie

Der spektakuläre Aufklärungserfolg wird bereits in einem Atemzug mit der Entschlüsselung der Enigma-Nachrichten der deutschen Wehrmacht durch Alan Turing genannt. Auch der nach diesem mathematischen Genie benannte Turing-Test hat schon eine Entsprechung gefunden. Der Faeser-Haldenwang-Test würdigt die beiden heutigen rechtsstaatlichen Genies mit der ihnen zugeschriebenen Formel, dass totale Demokratie genau dann erreicht ist, wenn eine beliebige Testperson die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes nicht mehr von der Arbeitsweise der Stasi unterscheiden kann.

In der Pressekonferenz zum Ermittlungserfolg wies eine Sprecherin des Innenministeriums darauf hin, dass mit einer zügigeren Verabschiedung des derzeit diskutierten Demokratiereste-Entsorgungsgesetzes (DREG) die rechte Ärzteverschwörung viel schneller hätte aufgedeckt werden können. Sie warnte vor allem die FDP davor, durch Vorbehalte gegen diesen Gesetzentwurf Wasser auf die Mühlen der Rechten zu leiten. Auch parlamentarische Reden unterhalb der Strafbarkeitsgrenze müssten jetzt mit der ganzen Härte des Staates verfolgt werden.

Gefragt nach der Vereinbarkeit solchen Vorgehens mit der Meinungsfreiheit, erwiderte die Sprecherin, selbstverständlich garantiere die Ampel die Freiheit der Meinungsäußerung. Aber die Freiheit nach der Meinungsäußerung könne im Interesse eines starken Staates nicht garantiert werden. Um die wirksame Kontrolle von Meinungsäußerungen besser in der Zivilgesellschaft verankern zu können, arbeite man bereits am Entwurf eines Gute-Denunzianten-Gesetzes (GUDEG).

Autoverbot in Hamburg?

Der 16-jährigen Schülerin in Mecklenburg-Vorpommern wurde im Übrigen nicht nur die Zahlenfolge „1161“ zum Verhängnis. Zusätzlich wurde nämlich ihr Post eines Bildes, in dem ein Kapuzenpullover mit der Buchstabenaufschrift HH auftaucht, als Äußerung einer verbotenen Grußformel interpretiert. Wer jetzt einwirft, dass alle Erzeugnisse der Modemarke Helly Hansen eine HH-Aufschrift tragen und dass auch die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern daher immer wieder mit HH-Aufschriften herumläuft, der verharmlost die rechtsextreme Gefahr, die von solchen Pullovern ausgeht.

Erschwert wird die intensive Heil-Hitler-Suche des Verfassungsschutzes zusätzlich durch die Verwendung des Autokennzeichens HH für die Hansestadt Hamburg. Der Einwand, dass Extremisten, die sich ihre Verschwörungsformel mit Hunderttausenden von Autofahrern und Mode-Liebhabern teilen müssen, eher zu bemitleiden seien, ist allerdings nicht stichhaltig, da der Rechtsextremismus im Gegenteil auf diese Weise versucht, insbesondere im Autofahrer- und Fashionmilieu anschlussfähig zu bleiben. Zur Verbesserung der Fahndung sollte man deswegen darüber nachdenken, das Autofahren in Hamburg generell zu verbieten. Im Kampf gegen Rechts darf es jetzt keine Tabus und roten Linien mehr geben.


Dr. med. Lothar Krimmel, Facharzt für Allgemeinmedizin, war von 1992 bis 2000 Geschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und damit ein genauer Kenner des Medizinsektors.

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