Tichys Einblick
Man merkt die Absicht und ist verstimmt

Germany’s Next Minority Model

Den Machern von GNTM geht es nicht um Schönheit, sondern um Umerziehung. Die gewachsenen Identitäten Europas sollen aufgebrochen werden. Ist es auch Wahnsinn, so hat es Methode - auch bar der Erkenntnis, dass frühere Siegerinnen bereits Minoritäten entstammten.

GNTM-Finalistinnen Vivien, Somajia, Nicole, Olivia und Selma

© ProSieben/Richard Hübner

Zu meiner Schande muß ich gestehen, dass mir als in Warschau lebendem Exilbelgier die Existenz der deutschen Fernsehshow „Germany’s Next Top Model“ bislang glücklicherweise verborgen geblieben ist – und wäre ich darüber informiert worden, hätte ich mein Bestes getan, dieses neue Produkt kollektiver Verdummung so schnell wie möglich zu verdrängen. Doch der Rummel um die 2023er Auflage des Spektakels hat schließlich auch mich erreicht; vielleicht gerade deshalb, weil es im deutschen Fernsehen ja schon seit langem nicht nur um bloße Verdummung geht, sondern vor allem um Umerziehung, so dass selbst eine scheinbar so unpolitische Veranstaltung wie ein Schönheits- oder Modelwettbewerb offensichtlich in den Fokus woker Identitätspolitik geraten ist.

Trotzdem ist es selbstverständlich ein völlig unerwarteter Zufall, wenn am Ende des langwierigen und selbstverständlich völlig objektiven Auswahlverfahrens von GNTM ausschließlich diverse Minoritäten in die Top-3 der 2023-Auflage des Spektakels geraten sind: Platz 1 erlangte Vivien (Koblenz), die (passend zum „Stolzmonat“) gerne ihren „Stolz“ auf ihre brasilianische Identität äußert, deren Ausmaße in den Medien höflicherweise mit der Bezeichnung „Plus-Size-Model“ umschrieben werden und die gerne über die gesellschaftliche Ächtung beleibterer Damen spricht. Platz 2 erreichte Somajia (Bielefeld), deren Eltern aus Togo stammen, die zeigen will, „dass auch ein muslimisches Mädchen das Zeug dazu hat, GNTM zu werden“ (wieso sollte es das nicht?), die gelegentlich ihre Erfahrungen mit dem Alltagsrassismus beim Busfahren in Deutschland beklagt und den Preis „nicht nur für sich, sondern für [ihre] ganze Familie und Community“ gewinnen will – also wohl Bielefeld. Platz 3 gewann schließlich die ebenfalls aus Togo stammende Olivia (Hamburg), die ihre frühe Kindheit im Asylheim verbrachte, in den Medien (nicht nur) aufgrund ihrer tiefen Stimme regelmäßig als „Transgender“ identifiziert wird und über eine umfangreiche Perückensammlung verfügt (varietas delectat). Ihr Ziel: „Mädels, die so aussehen wie ich, zeigen, dass es nicht nur eine Version von hübsch gibt.“

Man merkt die Absicht und ist verstimmt. All dies mag erklären, wieso denn auch auf Twitter eine heftige Diskussion um GNTM losgebrochen ist, nachdem ich so unvorsichtig war, meine ehrliche handwerkliche Anerkennung für die eiserne Konsequenz linker Eliten zum Ausdruck zu bringen, Deutschland auf dem Reißbrett umzugestalten und dabei offensichtlich auch GNTM nicht zu vernachlässigen.

Während mein ungefähr zeitgleich geposteter Link zu meinem neuen Aufsatz zur Gewissenslehre des Sokrates auch nach einem ganzen Tag immer noch bei stolzen 29 Likes herumdümpelt, wuchsen die Likes unter meinem Post zu Vivien, Somajia und Olivia zeitweise im Gleichtakt mit meinem Sekundenzeiger, wobei jene, die nur wenig Enthusiasmus für die volkspädagogischen Absichten unserer Eliten aufbringen können (offensichtlich die erdrückende Mehrheit der User), von den Verfechtern von Diversität, Humanismus und Toleranz erwartungsgemäß mit den üblichen subtilen Stichworten wie „Ariernachweis“, „Volksempfänger“, „Fat-Shaming“, „Antisemitismus“ und „Fremdenfeindlichkeit“ zur nachdenklichen inneren Einkehr bewogen werden.

Wieso dieser Shitstorm; welcher Nerv wurde hier getroffen? Nun, jedem Kommentator, der sich nur ein wenig dem Zeitgeist verwehrt, wird hier also nicht nur ein Stöckchen hingehalten, sondern ein ganzer Wald; und zumindest der schon fast parodistische Charakter der ganzen Chose ist es wert, hier in aller Kürze für die Nachwelt analysiert zu werden (in Anbetracht der Vergänglichkeit des Internets also für die Leser der nächsten paar Tage). Wo es früher zum guten Ton gehörte, zumindest durch einen der Preisträger zu beweisen, dass man als Jury sehr wohl fähig sei, auch das Besondere, Exotische oder Charakteristische zu würdigen, gelegentlich auch die „Persönlichkeit“ über das bloße Äußere zu stellen – wir alle wissen, dass es in der Schönheits- und Modebranche auf die inneren Werte ankommt –, ist nun in jeder Hinsicht die „Ausnahme“ zur vollen Herrschaft gelangt. „Though this be madness, yet there is method in’t”, schrieb einst Shakespeare, und wir können ihm in gewisser Weise nur zustimmen. Der in Schulen, Medien, Universitäten, Kunst, „Zivilgesellschaft“ und Politik immer wieder klar geäußerte Wunsch zum Umbau Deutschlands (und ganz Europas) in ein wildes Durch- und Neben-, leider selten nur Miteinander verschiedenster kultureller, religiöser, sexueller und v.a. sonstiger Identitäten bei gleichzeitiger Rückdrängung, ja zunehmend Diskreditierung der bisherigen christlich-abendländischen Leitkultur erfaßt nunmehr auch noch die belanglosesten Lebensbereiche wie GNTM.

Die Frage nach der Notwendigkeit für ein solches Vorgehen stellt sich umso mehr, wenn man die Gewinnerinnen der letzten Staffeln in Erinnerung bringt; etwa Sara Nuru, Kind äthopischer Eltern, in Staffel 4 (2009) oder Alisar Ailabouni mit syrischer Herkunft eine Staffel später oder Lovelyn Enebechi in Staffel 8 nigerianischer Herkunft: Das Konzept GNTM litt also in der Vergangenheit sicherlich nicht unter der Bürde, dass ausschließlich weiß gelesene Kandidatinnen den Vorzug bekamen oder man der Jury jenen mittlerweile selbst in den banalsten Aussagen und Vorgängen des täglichen Lebens hineingedeuteten Rassismus unterstellen konnte.

Freilich, über Schönheit läßt sich nicht streiten, und selbst als mittelalter weißer Mann würde ich mich persönlich als Letzter beklagen, wenn von den meterhohen Werbeplakaten am Straßenrand des Warschauer Stadtzentrums nicht immer nur jene austauschbaren und unpersönlichen blonden Cheerleader-Physiognomien mit ihrem kalten Blick und ihren anorektischen Körpermaßen auf mich herabstarren würden. Auch geht es bei GNTM, wenn ich es richtig verstehe (ich habe die Frage aus Gründen begrenzter Lebenszeit nicht vertiefen wollen), nicht (mehr) um einen Schönheitswettbewerb, sondern (auch) um den Versuch, Models zu bestimmen, mit deren Maßen und Aussehen sich nicht nur eine kleine Minderheit, sondern ein Querschnitt der weiblichen – pardon: weiblich gelesenen – Bevölkerung identifizieren kann. Doch auch dies scheint auf die vorliegende Auswahl kaum zu passen.

Denn zum einen ist es ja trotz aller gegenteiligen Bemühungen so, dass seit Anbeginn der Zeiten Kleidung (mit Ausnahme der glücklicherweise kurzen Episode des Mao-Overalls) nicht nur aufgrund ihrer bloßen Effizienz getragen wird, sondern auch, weil sie den Träger irgendwie attraktiver machen soll; kein Wunder also, dass ich meinen neuen Anzug irgendwie lieber dann kaufe, wenn er auf der Werbung von Robert Redford getragen wird als von Mr. Bean. Als Menschen können wir wohl nicht anders, als nach Schönheit zu streben, und wenn es auch immer kulturspezifische Differenzen geben wird (hier liegt wohl der Verweis auf den Rubens-Typus nahe), so ist Ästhetik doch letzten Endes alles andere als völlig relativ, wie man zur Genüge bei Roger Scruton nachlesen kann. Und was zum anderen die angebliche Forderung nach dem „Querschnitt“ durch die weibliche Gesellschaft betrifft: Glaubt tatsächlich jemand ernsthaft, selbst die gegenwärtige, bereits stark und mit voller Absicht umgestaltete deutsche Mehrheitsgesellschaft ließe sich mit den Schlagworten „People of Colour“, „Islam“, „Transgender“ und „Plus-Size-is-Beautiful“ auch nur ansatzweise „repräsentativ“ beschreiben?

Es geht den Machern und Entscheidern von GNTM – trotz, ich wiederhole es gerne, strengsten und objektivsten Ausleseverfahren – also offensichtlich weder um Schönheit, noch um Repräsentativität: Im Zentrum steht vielmehr jene selbe volkspädagogische Absicht, die uns ohnehin schon seit Jahren von überall her entgegenschallt. Auf der einen Seite gilt der neuen, atheistischen Gesellschaft woker Obedienz der Körper zwar als der ultimative Träger des menschlichen Seins, dessen Seele mit größtem Aufwand zur höchstens psychiatrisch relevanten Illusion weggedeutet wird; gleichzeitig aber ist es auch Teil jener transhumanistischen Doxa, jegliches Naturrecht zu negieren und den Körper vielmehr als Baukasten zu betrachten, der jederzeit beliebig umzumodeln sei – von dick zu dünn, von Mann zu Frau, von alt zu jung, von schwarz zu weiß, etc.: eine Art unbewußte Gnosis, in deren Zentrum ein rein materialistisch gefaßtes und zutiefst a-historisches und wohl auch a-moralisches „Bewußtsein“ steht, das den eigenen Körper als beliebiges Fahrzeug und den Mitmenschen als Konsumgut betrachtet – alles notdürftig im Zaum gehalten durch eine Kultur des als demokratisch ausgegebenen „Aushandelns“, unter der in Wirklichkeit der Abgrund eines bodenlosen Relativismus gähnt.

Auf der anderen Seite wird mit gewaltigem Aufwand versucht, die gewachsenen Identitäten Deutschlands und des Abendlands aufzubrechen, zu diskreditieren und zu minorisieren, um zumindest auf dem europäischen und nordamerikanischen Kontinent einen Ableger jenes dystopischen genderfluiden Multikulti-Weltstaats zu schaffen, dem sich der Rest der Welt zu Recht mit zunehmender Sorge entzieht.

Freilich: Die Karawane zieht weiter, und wenn ich auch Vivien, Somajia und Olivia, die allesamt auf ihre Weise hübsche und sicherlich auch nette Frauen (oder als Frauen Gelesene) sind, aus vollem Herzen alles Gute für ihre weitere Karriere wünsche, wird der Sturm im Wasserglas um GNTM doch sehr rasch Geschichte sein, während sich die Aufmerksamkeit derer, die sich aus Reflex empören, wie derjenigen, die ebenso reflexartig auf Seiten der Macht stehen, einem anderen Aufreger-Thema zuwenden werden (wahrscheinlich bereits übermorgen).

Nicht als echtes Ereignis, aber doch als Symptom der gegenwärtigen, von oben forcierten und von unten – leider – weitgehend mit Desinteresse begleiteten langfristigen kulturellen Transformation unserer Gesellschaft bleibt diese kleine Anekdote aber interessant und sollte zum Nachdenken über die größeren Zusammenhänge anregen. Empörung ist wichtig; langfristige Achtsamkeit aber noch wichtiger. Ach ja: Lesen (und liken) Sie bitte auch meinen Aufsatz zu Sokrates.

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