Tichys Einblick
Genderverbot in Bayern:

Die Sternlein prangen nicht mehr

„Wir werden das Gendern in Schulen und Verwaltungen unterbinden“, hatte der bayerische Ministerpräsident Söder in seiner Regierungserklärung vom 6. Dezember 2023 angekündigt und damit einen Proteststurm ausgelöst. Drei Monate später, am 19. März 2024, beschloss das bayerische Kabinett, die „Gendersprache mit Sonderzeichen“ (Schüler*innen, Schüler:innen u. Ä.) im amtlichen Schriftverkehr zu verbieten. Der ganz große Protest blieb bisher aus.

IMAGO

„Gendern oder nicht gendern“ – das ist für den Katholischen Deutschen Frauenbund, Landesverband Bayern (135 000 Mitglieder), keine Frage: der Verband gendert seit 2018 mit Sonderzeichen (Stern) und ist als nicht staatliche Organisation vom bayerischen Genderverbot nicht betroffen. Trotzdem protestierte er sofort dagegen: „ein bedauerlicher Rückschritt“. Aber warum?

Die Masse der Deutschsprachigen gendert nicht, soll es aber nach der Genderlehre tun, um so „Geschlechtergerechtigkeit“ durchzusetzen, nach dem Glaubenssatz: Durch Gendern die Welt zum Besseren verändern! Ohne staatliche Rückendeckung geht das nicht, sonst bleibt Gendern ein gruppensprachliches Merkmal mit kommunikativ begrenzter Reichweite. Das bayerische Verbot macht die Gendersprache, die in den letzten Jahren in den öffentlichen Kommunikationsraum eindrang, wieder zur reinen Gruppensprache, die keinen Anspruch auf allgemeine Geltung hat. Insofern ist es in der Tat ein Schritt zurück und für Gendergläubige ein „Rückschritt“.

Die bayerische Presse bewertete den Genderbeschluss als konflikthaltig („Kulturkampf“, „Krieg der Sternchen“, „große Gender-Debatte“), kritisierte die Verbotsform, vermied es aber, die Gendersprache im amtlichen Schriftverkehr zu fordern. So befand die Süddeutsche Zeitung (21. März) in einem Pro- und Contra-Kommentar „Söders Genderverbot“ einerseits für „legitim“, weil „eine große Mehrheit der Deutschen das Gendern ablehnt“, andererseits aber „empörend“, weil es „ein Paradebeispiel für Populismus“ sei.

Deutsch ist, geschichtlich gesehen, eine „Volkssprache“, also ein Kommunikationsmittel für alle, und nicht, wie im Mittelalter die Bildungssprache Latein oder im 17./18. Jahrhundert die Hofsprache Französisch, für eine bestimmte Bevölkerungsschicht. Eine solche Volkssprache vereinfacht die Kommunikation, sie muss aber, um ihre Funktion zu erfüllen, in gewissem Umfang standardisiert sein, vor allem bei der Schriftsprache. Die Schriftsprache Deutsch wird in der Schule unterrichtet; hier Genderdeutsch einzuführen, würde den Schriftspracherwerb enorm komplizieren. Die Schüler müssten ja dann zwei Sprachen lernen, Standarddeutsch und Genderdeutsch, und entsprechende Übersetzungsübungen machen: standarddeutsch „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“ (Grundgesetz Art. 2, 1) lautet auf Genderdeutsch (mit Sternchen) „Jede*r hat das Recht auf freie Entfaltung seiner*ihrer Persönlichkeit“. Das bayerische Genderverbot stellt klar, dass in den Schulen nur die deutsche Standardsprache unterrichtet und gelernt wird. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber leider notwendig, weil inzwischen zahlreiche staatliche Institutionen (Volkshochschulen, Museen, Gemeinden) Genderdeutsch benutzen, anders gesagt: den Bürgern aufzwingen, und sich dazu „bekennen“.

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Für die Proteste gegen das bayerische Genderverbot, genauer: Genderzeichenverbot, zeigte die Presse viel Verständnis; die Alternative, ein „Gendergebot“, wurde aber nie diskutiert. Warum? Die Zeitungen selbst gendern grundsätzlich nicht (vermutlich mit Rücksicht auf ihre Leser), und falls doch, nicht mit Genderzeichen, sondern mittels Paarformeln: „jeder und jede“, „Richterinnen und Richter“ usw. Kurzum: Die bayerische Presse befolgt das Genderverbot schon, bevor es in Kraft tritt (1. April 2024).


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