Eine beiläufige Bemerkung in der Regierungserklärung des neugewählten bayerischen Ministerpräsidenten Söder – „Wir werden das Gendern in Schulen und Verwaltungen untersagen“ – hat die Gender-Community in Wallung versetzt. In einem kurzen Offenen Brief formierte sich sofort der Protest: „Ein Verbot [des Genderns] ist ein Rückschritt“, und in einer digitalen Unterschriftenaktion schlossen sich bislang (Stand: 31. Dezember 2023) 114 Institutionen und 6 554 Einzelpersonen dem Protest an. Wer sind diese Genderbekenner?
Die Bekenner sind keine repräsentative Auswahl der Bevölkerung, sondern eines bestimmten Milieus, in dem Fragen der Geschlechtsidentität eine große Rolle spielen. Das zeigt sich vor allem an den Institutionen, in denen sie sich organisieren.
Die beiden Erstunterzeichner sind:
● Netzwerk Genderforschung und Gleichstellungspraxis Bayern (NeGG)
● Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der bayerischen
Hochschulen (LaKoF)
Insgesamt geht der Protest von staatlich finanzierten Organisationen und Einrichtungen aus, insbesondere an Hochschulen: „Promotionskolleg für Intersektionalitätsstudien (PKIS)“ der Universität Bayreuth, „Kompetenzzentrum Gender & Diversity (KomGeDi)“ an der Technischen Hochschule Nürnberg, „Arbeitsgemeinschaft der Frauen- und Geschlechter-forschungseinrichtungen Berliner Hochschulen“, „Koordinierungskreis SOGI (sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten) der Metropolregion Nürnberg“ usw.
Vielfach vertreten in der Unterschriftenliste ist die queere (= einer anderen als der heterosexuellen Geschlechtsidentität zugehörig) Bewegung: Queer Bayreuth e. V., Queer Pfaffenhofen, SPDqueer Oberfranken, Queer in Niederbayern e. V., Referat Queer:feminismus Uni Würzburg, Queerbeet Augsburg e. V. und viele mehr. Auch eine spezielle bayerische Fortbildungseinrichtung für Geschlechtervielfalt fehlt nicht: LSBTI* Fortbildungen Bayern, „gefördert durch Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales“, vermittelt „Grundwissen zu den Lebenssituationen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und intergeschlechtlichen Menschen“.
Mitgliederstarke Frauenverbände kommen, abgesehen vom „KDFB“ (= Katholischer Deutscher Frauenbund), unter den Unterzeichnern nicht vor. Die Erklärung ist einfach: Die klassische Frauenbewegung hatte mit „geschlechtergerechter Sprache“ nichts im Sinn, sie sprach und schrieb Standarddeutsch. Die neue Frauenbewegung stellte ab den 1980er Jahren die „Männersprache“ Deutsch in Frage und forderte bei Personenbezeichnungen beide Geschlechter, Frauen und Männer, explizit zu benennen (Schüler und Schülerinnen, Kundinnen und Kunden). Die Genderschreibung mit ihren Sonderzeichen wie Sternchen (Schüler*innen) oder Doppelpunkt (Schüler:innen) geht aber von vielen Geschlechtern aus und reduziert die Frauen auf das Anhängsel „-innen“; sie ist also sprachfeministisch gesehen gegenüber der früheren Beidnennung ein Rückschritt für die Frauen, der nun durch das geplante Verbot aufgehoben würde.
Fazit: Die Genderbekenner bilden eine zahlenmäßig eher kleine, aber lautstarke und bestens vernetzte Gruppe, die in Teilen staatlich finanziert wird und im Ganzen unter „Minderheitenschutz“ steht – weshalb die Medien über ihre Unterschriftenaktion vor allem positiv berichten.