Tichys Einblick
Vom Gendergebot zum Genderverbot

Genderwende

Der Verlust des Sternchens trifft die Gender-Community tief, weil sie ihr allgemein sichtbares Identifikationszeichen verliert. Nun wird gefordert, „den Schulen, Hochschulen und Verwaltungen die Freiheit zu überlassen, wie sie in ihrer Sprache Gleichbehandlung ausdrücken wollen“. Diese Freiheit hatte man erst vielen Studenten abgesprochen, die nicht gendern wollten.

IMAGO / Christian Ohde

„Manch einer schaut skeptisch auf Staat und Politik, und mancher hat Sorge vor der Zukunft“ – in den acht Minuten der Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten wurde nicht gegendert: Kein „manch einer und manch eine“, kein „mancher und manche“, „jeder und jede“; nur einmal „Bürgerinnen und Bürger“, aber als Anrede: „Sie, als Bürgerinnen und Bürger“. Es geht also auch ohne Gendern.

Das Wort „Genderverbot“ kommt in den Medien als vereinzelte Forderung erstmals 2021 vor: Damals hatte das vorher gruppensprachliche Gendern – hier verstanden als „explizite Geschlechtermarkierung bei Personenbezeichnungen“ – den öffentlichen Kommunikationsraum erreicht: Die Gendersternchen prangten im Bundestagswahlprogramm der GRÜNEN (Für „fair bezahlte Pfleger*innen, die wirklich Zeit für ihre Patient*innen haben“), auf Schrifttafeln in Museen, in Programmheften von Theatern und Volkshochschulen (Italienisch für Anfänger*innen), bei Mitteilungsblättern von Gemeinden, Deutscher Bahn, Lufthansa und Kirchen.

Gendern im Auf und Ab

Staat und öffentlich-rechtlicher Rundfunk hatten diese Genderisierung gefördert und, vor allem im Bildungs- und Kulturbereich, in Richtung eines faktischen Gendergebotes laufen lassen. Dass – wie zahlreiche Umfragen zeigten – die Masse der Deutschen das Gendern ablehnte, interessierte die Politik erst, als diese Ablehnung politisches Gewicht bekam, und die Genderparteien (GRÜNE, SPD, Linke) massiv an Stimmen verloren.

Es entstanden Bewegungen wie die Hamburger Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ oder das Volksbegehren „Stoppt Gendern in Baden-Württemberg“, das Wort „Genderverbot“ kam in die öffentliche Debatte, und in drei Bundesländern (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein) wurde in den Schulen das Gendern mit Sonderzeichen (Gendersternchen o. Ä.) verboten, genauer: als Rechtschreibfehler gewertet.

„Genderverbot“ in Bayern

Zuletzt kündigte der bayerische Ministerpräsident Söder ein Genderverbot an. Das Vorhaben hatte zwar bei der bayerischen Landtagswahl am 8. Oktober 2023 keine Rolle gespielt, aber in den Bierzelten löste das Thema „Gendern“ viel Erregung aus. Nun, zwei Monate später, am 5. Dezember, sorgte der wiedergewählte Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung für einen medialen Aufreger, als er unerwartet und nebenbei sagte:

Für Bayern steht fest: Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben. Im Gegenteil: Wir werden das Gendern in Schulen und Verwaltungen sogar untersagen.

„Söder kündigt Genderverbot in Bayern an“, titelte sofort die Münchner Abendzeitung, und die Proteste ließen nicht auf sich warten: Vom Landesverband Bayern des Katholischen Deutschen Frauenbundes – „Ein ausdrückliches Verbot des Genderns an Schulen und staatlichen Behörden gleicht einem Rückschritt im Kampf um Gleichberechtigung“ – bis zu einem „Offenen Brief“ verschiedenster Organisationen und Einzelpersonen mit insgesamt (Stand: 27. Dezember) 6271 Unterzeichner*innen: „Ein [Gender]Verbot ist ein Rückschritt und widerspricht unseren grundgesetzlich verankerten Prinzipien der Gleichbehandlung.“

Nur ein Genderzeichenverbot

Der Begriff „Genderverbot“, mit dem die – im sprachlichen Detail noch nicht festgelegten – bayerischen Maßnahmen bewertet werden, ist sachlich übertrieben, ja irreführend: An bayerischen Schulen und Verwaltungen wird man weiter „Schüler und Schülerinnen“ bzw. „Bürger und Bürgerinnen“ sagen und schreiben dürfen; lediglich die Sparschreibung mit einem eigenen, nicht alphabetischen Genderzeichen (Sternchen, Doppelpunkt, Unterstrich u. Ä.) ist untersagt und wird als „falsch“ angesehen: Schüler*innen, Bürger:innen, Lehrer_innen.

Viel Lärm um nichts? Ja, aber der Verlust des Sternchens trifft die Gender-Community tief, weil sie damit ihr allgemein sichtbares Identifikationszeichen verliert. Nun beginnt das öffentliche Jammern, und im „Offenen Brief“ wird gefordert, „den Schulen, Hochschulen und Verwaltungen die Freiheit zu überlassen, wie sie in ihrer Sprache Gleichbehandlung ausdrücken wollen“.

Diese Freiheit hatte man vorher an vielen Hochschulen den Studenten abgesprochen, die nicht gendern wollten: Sie wurden mit Notenabzug schikaniert, wenn sie ein bewährtes grammatisches Mittel „ihrer Sprache“ benutzten, um alle Geschlechter sprachlich gleich zu behandeln, nämlich das generische Maskulinum der hochdeutschen Standardsprache, wie zum Beispiel in: „Wer Ohren hat, zu hören, der höre!“ Wer es „inklusiver“ will, kann auch in Zukunft sagen: „der oder die höre“. Lediglich „Wer Ohren hat, zu hören, der*die höre!“ soll nicht mehr geschrieben werden. Ja und?


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