Tichys Einblick
Skandal-Manager Kirchhof berichtet

Keine Kontrollen bei Öffentlich-Rechtlichen: So erschwindelte ein Kika-Manager Millionen

Marco Kirchhof ließ als Herstellungsleiter des Kinderkanals fingierte Rechnungen schreiben und kassierte Gebührengeld im großen Stil ab. In einem Buch erzählt er nun, dass das nur wegen fehlender Kontrollen möglich war. Nach der RBB-Affäre erscheinen seine Befunde weiter aktuell.

Der frühere KiKA-Herstellungsleister Marco Kirchhof vor dem Erfurter Landgericht am 06.06.2011

IMAGO / pictureteam

Die illegalen Zahlungen nannte der frühere Herstellungsleiter des öffentlich-rechtlichen Kinderkanals „Spielgeld“. Es waren Geldbündel von bis zu 15.000 Euro, die zweimal im Monat in DVD-Hüllen versteckt über einen Kurier zu ihm kamen. Insgesamt betrogen Marco Kirchhof und seine Komplizen in Fernsehproduktionsfirmen mit fingierten Rechnungen über zehn Jahre die Gebührenzahler um knapp zehn Millionen Euro, wie die Revision des Mitteldeutschen Rundfunks feststellte.

Es war der größte Betrugsfall in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kirchhof wurde 2011 verurteilt, nachdem ein Komplize offenbar Gewissensbisse bekommen hatte. Er saß wegen Betrugs und Bestechlichkeit viereinhalb Jahre im Gefängnis, mittlerweile liegt auch die anschließende Bewährungszeit hinter ihm. Er meldete Privatinsolvenz an, seinem früheren Arbeitgeber schuldet der 55-Jährige weiterhin Geld.

Einen kleinen Teil dieser Schulden kann der heute 55-Jährige vielleicht mit den Einnahmen aus seinem jetzt erschienenen Buch (Wo ist das Geld nur geblieben? Mein Doppelleben mit der Spielsucht, geschrieben mit Petra Schwarz, Berlin: Eulenspiegel, 2023, 20 Euro) begleichen, über das nun das Portal Business Insider berichtet. Dass von dem erschwindelten Geld nichts übrig ist, liegt auch daran, dass er das „Spielgeld“ vor allem für seine Spielsucht an Automaten, am Roulette-Tisch und entsprechend teuren Reisen nach Las Vegas verjubelte.

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Für die Öffentlichkeit interessanter als die Sucht sind die Einblicke, die das Buch in das Fehlen jeglicher Kontrollen beim Sender bietet, was möglich machte, dass Produktionsfirmen fingierte Rechnungen einreichen konnten, die Kirchhof im Sender durchbrachte. Ein beträchtlicher Teil des Gebührengeldes floss in besagten Bargeld-Bündeln an ihn zurück. Kein (nicht vorhandener) Kontrolleur im Kika oder sonstwo in der ARD kam den Abzockern auf die Schliche. Nur ein Mittäter mit schlechtem Gewissen, der eines Tages im Oktober 2010 statt Geldbündeln die Nachricht schickte: „Ich kann nicht mehr. Es tut mir leid.“

Sein Buch ist, so Business Insider, „die Geschichte eines Spielers, der in der Medienbranche nichts mehr zu verlieren hat … Umso glaubhafter wirken seine Befunde zum öffentlich-rechtlichen System, dessen Schwachstellen er mit krimineller Energie ausnutzte. Er berichtet von starren Hierarchien und einer Kultur des Wegschauens.“ Kirchhof selbst spricht von einem „systematischen Problem“.

„Wer spart, wird bestraft“

Da der Kinderkanal laut Kirchhof ein Sender ohne Kameras oder eigene Studios war, musste er alles Notwendige bei externen Dienstleistern einkaufen, die wiederum abhängig von den öffentlich-rechtlichen Aufträgen waren. Und Kirchhof war der Herr über die Kalkulationen. Er billigte „Fake-Rechnungen“, wie er schreibt, kassierte im Gegenzug einen „Risiko-Zuschlag“.

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Der Betrüger beschreibt in dem Buch das System, das das jahrelang möglich machte. Intern habe er einen exzellenten Ruf als „kleiner Zauberer“ in Finanzfragen genossen. Das Phänomen kennt vermutlich jeder, der im öffentlichen Dienst, etwa an einer Universität arbeitet: Das Budget (im Falle Kirchhof rund 40 Millionen Euro pro Jahr) muss unbedingt komplett ausgereizt werden, um Kürzungen im folgenden Jahr zu vermeiden. Die Devise habe gelautet: „Wer spart, wird bestraft.“ So war es dann auch möglich, für die Abschiedsparty eines scheidenden Senderchefs eine halbe Million Euro locker zu machen. Kirchhof berichtet auch von einer Reise zu einer Messe in Las Vegas, die eine Tochterfirma des MDR spendierte: „Bestechung mit Gebührengeldern, die mich aufforderte, zu funktionieren im großen öffentlich-rechtlichen Rad“.

Der Skandal ist längst Geschichte. Kirchhof hat im Gefängnis gebüßt. Aber sein Buch über ein System, das zum Missbrauch und zum Betrug nachweislich des RBB-Skandals auch viele Jahre später noch einlädt, wirft die Frage auf, wie viele unentdeckte Kirchhofs und Fake-Rechnungen zu Lasten der Gebührenzahler es wohl in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten seither gab oder weiter gibt. Der künftige Intendant des MDR, Ralf Ludwig, war übrigens Finanzchef der ARD-Anstalt in jenen Jahren, als Kirchhof sich Pakete mit Bargeld schicken ließ und die Gebührenzahler um Millionen betrog.


 

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